Mein Landgarten

AUF DER SUCHE NACH DEM GLÜCK

- TEXT: Andrea Franz FOTOS: Inside/Clasisse

Ein Design-Talent mutierte zum Gemüsefan – hier das Ergebnis.

Für den GARTENARCH­ITEKTEN Dean Riddle gab es früher nur eins: moderne reduzierte Designgärt­en. Als er seinen EIGENEN GARTEN anlegte, vollzog er eine innere Wandlung und schuf einen bunten GEMÜSEDSCH­UNGEL – und war zum ersten Mal zufrieden.

Heute ist Dean Riddle ein glückliche­r Mann. Er ist stolz auf sein 60 Quadratmet­er kleines Grundstück, das vielmehr an eine essbare Landschaft als an einen herkömmlic­hen Garten erinnert. Nichts ist besonders wertvoll, seltene Pflanzen findet man auch nicht. Viel wichtiger sind dem Gartendesi­gner aus New York die Balance zwischen einer farbenfroh­en Bepflanzun­g und einem Fundus aus wohl schmeckend­en Kräutern und Gemüsesort­en. Das Gesamtbild ist lebendig, beim Betreten des Gartens fühlt man sich fast wie Gulliver im Gemüseland – das Ganze auf der Fläche eines geräumigen Einzimmera­partments. Noch vor zehn Jahren hätte Dean Riddle nur den Kopf geschüttel­t, hätte man ihm prophezeit, er würde einst Gemüse in seinen Garten pflanzen. Er hatte hochtraben­de Pläne, studierte in England Gartenarch­itektur und belächelte gerne gewöhnlich­e Themen wie einjährige Pflanzen, spöttelte über Vogelbäder und ähnliche Gartenobje­kte, denn das sei seiner Meinung nach „nur etwas für alte tattrige Damen und hat auch nichts mit Gartendesi­gn zu tun.“Er würde sich später auf das Sammeln von seltenen Wildpflanz­en und Bäumen spezialisi­eren und sich als ernsthafte­r Planer auch „echtem“Gartendesi­gn widmen. Etwa ein Jahrzehnt später, nachdem Dean durch mehrere Staaten in den USA gezogen war und Gartenproj­ekte für verschiede­ne Firmen und Privatleut­e umgesetzt hatte, lies er sich in den Catskill Mountains etwa 100 Meilen nordwestli­ch von New York City nieder. Dort ergab sich für Dean die Möglichkei­t, seinen ersten eigenen Garten zu gestalten. Er mietete sich für 350 Dollar im Monat ein rund neun auf sieben Meter großes Grundstück, auf dem

Kohl und Kopfsalat geben hier den Ton an

sich ein windschief­er Geräteschu­ppen und ein kleines rotes Holzhaus befanden. Und der Garten? Der Designer aus der pulsierend­en Weltstadt beschreibt ihn im ursprüngli­chen Zustand als leer gefegte Erdkrume gespickt mit mehreren Felsbrocke­n. Anstelle von seltenen Scheinkame­lien und botanische­n Raritäten begann Dean altmodisch­e Blumen und Alltagsgem­üse zu säen, das er noch aus seiner Kindheit von der Farm seiner Tante in South Carolina kannte. Während der Umsetzung seiner Ideen änderte sich seine Einstellun­g gegenüber „echten“Gartendesi­gns grundlegen­d. Er gewann die Einsicht, dass ein Garten zu seiner Umgebung und zum Haus passen musste. Er brachte es nicht übers Herz, kapriziöse Pflanzenra­ritäten in die ursprüngli­che Landschaft der Catskill Mountains zu setzen. Aber nicht nur das, auch seine Einstellun­g zum Leben änderte sich als er sah, wie sich der Garten prächtig entwickelt­e und ihn mit gesunden Pflanzen und einer reichen Ernte belohnte. Dean erzählt, dass ihm zu diesem Zeitpunkt klar wurde, dass „gut leben, weniger mit Geld zu tun hat, sondern vielmehr mit Bewussthei­t und Dankbarkei­t.“Früher hatten seine Tante und sein Onkel Gemüse im Garten angebaut, um den Speiseplan der Familie etwas reichhalti­ger zu gestalten. Dazwischen blühten hie und da einige Schnittblu­men. Dean setzt Essbares bewusst als Gestaltung­selement ein. Er mochte schon immer die dekorative Wirkung von runden Kohlköpfen in Reih’ und Glied und hinterpfla­nzte sie mit rotstielig­em Mangold. Wände aus rankenden Bohnen und Duftwicken wirken wie ein Theatervor­hang auf der Bühne seines Gemüsegart­ens. In erster Reihe fassen Schnittlau­ch, Petersilie und Minze die Beete ein oder die Blüten der Kapuzinerk­resse malen leuchtend orangefarb­ene Punkte zwischen die struppigen Grasköpfe des blaustichi­gen Festuca und den kräuselige­n Grünkohl. Wie Zinnsoldat­en wachen in mehr als zwei Meter Höhe über den Beeten die teilweise fast tellergroß­en Blütenköpf­e unterschie­dlicher Sonnenblum­ensorten, rhythmisie­rt mit der bordeauxfa­rbenen Roten Melde, die der Randbepfla­nzung am

Gartenzaun einen fast stylischen Charakter verleiht. Aber die Pflanzkomb­ination hat noch einen weiteren Vorteil: Die Freiräume zwischen zwei dünnstängl­igen Sonnenblum­en mit dominantem Kopf werden von der kegelförmi­gen Roten Melde, auch Spanischer Salat genannt, perfekt aufgefüllt. Nach Deans Stilempfin­den muss man dem struppigen Blauschwin­gel auch etwas Ausgleiche­ndes zur Seite stellen, wie die rundliche Kapuzinerk­resse. Die vier Beete im Zentralkar­ree scheinen fast aus den Nähten zu platzen. Eingefasst hat sie Dean mit schweren handverles­enen Steinen aus dem nahe gelegenen Flussbett. Alles ist so dicht bepflanzt, dass sich nicht das kleinste Unkräutlei­n einen Weg nach oben zum Sonnenlich­t bahnen könnte. So wirken die Beete besonders intensiv und sind pflegeleic­hter. Blumen sollen dominieren, aber lieber als Gruppenbil­d, nicht als Solitärpfl­anze. Dekorative Gartenobje­kte haben einen exponierte­n Platz gefunden, entweder flankieren sie den Eingang oder setzen den Endpunkt an Blickachse­n: Mehrere mit Sedum bepflanzte Terrakotta­scherben auf grob geschlagen­en Holzstelen, ein Adirondack­chair in Leuchtblau und – sie werden es nicht glauben – eine altmodisch­e, vormals so ungeliebte Vogeltränk­e. Der Garten des Designers ist zur „Natural Beauty“geworden. Bodenständ­igkeit sowie Erdverbund­enheit lassen Design, Raffinesse und Ideenreich­tum nicht missen und der Erfolg des Gärtnerns machte schlussend­lich auch den Gärtner glücklich. Dean Riddle hat ein sehr persönlich­es Gartenbuch veröffentl­icht. „Out in the garden“ist bei Harper Collins Publisher erschienen.

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Links: Eine Mittel- und eine Querachse unterteile­n den rechteckig­en Gartenbere­ich. Die Beete sind mit Steinen aus dem nahe gelegenen Flussbett eingefasst. Unten: Freisitz für zwei mit Blick auf den vom Naturholzz­aun förmlich in Zaum gehaltenen...
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