AUF DER SUCHE NACH DEM GLÜCK
Ein Design-Talent mutierte zum Gemüsefan – hier das Ergebnis.
Für den GARTENARCHITEKTEN Dean Riddle gab es früher nur eins: moderne reduzierte Designgärten. Als er seinen EIGENEN GARTEN anlegte, vollzog er eine innere Wandlung und schuf einen bunten GEMÜSEDSCHUNGEL – und war zum ersten Mal zufrieden.
Heute ist Dean Riddle ein glücklicher Mann. Er ist stolz auf sein 60 Quadratmeter kleines Grundstück, das vielmehr an eine essbare Landschaft als an einen herkömmlichen Garten erinnert. Nichts ist besonders wertvoll, seltene Pflanzen findet man auch nicht. Viel wichtiger sind dem Gartendesigner aus New York die Balance zwischen einer farbenfrohen Bepflanzung und einem Fundus aus wohl schmeckenden Kräutern und Gemüsesorten. Das Gesamtbild ist lebendig, beim Betreten des Gartens fühlt man sich fast wie Gulliver im Gemüseland – das Ganze auf der Fläche eines geräumigen Einzimmerapartments. Noch vor zehn Jahren hätte Dean Riddle nur den Kopf geschüttelt, hätte man ihm prophezeit, er würde einst Gemüse in seinen Garten pflanzen. Er hatte hochtrabende Pläne, studierte in England Gartenarchitektur und belächelte gerne gewöhnliche Themen wie einjährige Pflanzen, spöttelte über Vogelbäder und ähnliche Gartenobjekte, denn das sei seiner Meinung nach „nur etwas für alte tattrige Damen und hat auch nichts mit Gartendesign zu tun.“Er würde sich später auf das Sammeln von seltenen Wildpflanzen und Bäumen spezialisieren und sich als ernsthafter Planer auch „echtem“Gartendesign widmen. Etwa ein Jahrzehnt später, nachdem Dean durch mehrere Staaten in den USA gezogen war und Gartenprojekte für verschiedene Firmen und Privatleute umgesetzt hatte, lies er sich in den Catskill Mountains etwa 100 Meilen nordwestlich von New York City nieder. Dort ergab sich für Dean die Möglichkeit, seinen ersten eigenen Garten zu gestalten. Er mietete sich für 350 Dollar im Monat ein rund neun auf sieben Meter großes Grundstück, auf dem
Kohl und Kopfsalat geben hier den Ton an
sich ein windschiefer Geräteschuppen und ein kleines rotes Holzhaus befanden. Und der Garten? Der Designer aus der pulsierenden Weltstadt beschreibt ihn im ursprünglichen Zustand als leer gefegte Erdkrume gespickt mit mehreren Felsbrocken. Anstelle von seltenen Scheinkamelien und botanischen Raritäten begann Dean altmodische Blumen und Alltagsgemüse zu säen, das er noch aus seiner Kindheit von der Farm seiner Tante in South Carolina kannte. Während der Umsetzung seiner Ideen änderte sich seine Einstellung gegenüber „echten“Gartendesigns grundlegend. Er gewann die Einsicht, dass ein Garten zu seiner Umgebung und zum Haus passen musste. Er brachte es nicht übers Herz, kapriziöse Pflanzenraritäten in die ursprüngliche Landschaft der Catskill Mountains zu setzen. Aber nicht nur das, auch seine Einstellung zum Leben änderte sich als er sah, wie sich der Garten prächtig entwickelte und ihn mit gesunden Pflanzen und einer reichen Ernte belohnte. Dean erzählt, dass ihm zu diesem Zeitpunkt klar wurde, dass „gut leben, weniger mit Geld zu tun hat, sondern vielmehr mit Bewusstheit und Dankbarkeit.“Früher hatten seine Tante und sein Onkel Gemüse im Garten angebaut, um den Speiseplan der Familie etwas reichhaltiger zu gestalten. Dazwischen blühten hie und da einige Schnittblumen. Dean setzt Essbares bewusst als Gestaltungselement ein. Er mochte schon immer die dekorative Wirkung von runden Kohlköpfen in Reih’ und Glied und hinterpflanzte sie mit rotstieligem Mangold. Wände aus rankenden Bohnen und Duftwicken wirken wie ein Theatervorhang auf der Bühne seines Gemüsegartens. In erster Reihe fassen Schnittlauch, Petersilie und Minze die Beete ein oder die Blüten der Kapuzinerkresse malen leuchtend orangefarbene Punkte zwischen die struppigen Grasköpfe des blaustichigen Festuca und den kräuseligen Grünkohl. Wie Zinnsoldaten wachen in mehr als zwei Meter Höhe über den Beeten die teilweise fast tellergroßen Blütenköpfe unterschiedlicher Sonnenblumensorten, rhythmisiert mit der bordeauxfarbenen Roten Melde, die der Randbepflanzung am
Gartenzaun einen fast stylischen Charakter verleiht. Aber die Pflanzkombination hat noch einen weiteren Vorteil: Die Freiräume zwischen zwei dünnstängligen Sonnenblumen mit dominantem Kopf werden von der kegelförmigen Roten Melde, auch Spanischer Salat genannt, perfekt aufgefüllt. Nach Deans Stilempfinden muss man dem struppigen Blauschwingel auch etwas Ausgleichendes zur Seite stellen, wie die rundliche Kapuzinerkresse. Die vier Beete im Zentralkarree scheinen fast aus den Nähten zu platzen. Eingefasst hat sie Dean mit schweren handverlesenen Steinen aus dem nahe gelegenen Flussbett. Alles ist so dicht bepflanzt, dass sich nicht das kleinste Unkräutlein einen Weg nach oben zum Sonnenlicht bahnen könnte. So wirken die Beete besonders intensiv und sind pflegeleichter. Blumen sollen dominieren, aber lieber als Gruppenbild, nicht als Solitärpflanze. Dekorative Gartenobjekte haben einen exponierten Platz gefunden, entweder flankieren sie den Eingang oder setzen den Endpunkt an Blickachsen: Mehrere mit Sedum bepflanzte Terrakottascherben auf grob geschlagenen Holzstelen, ein Adirondackchair in Leuchtblau und – sie werden es nicht glauben – eine altmodische, vormals so ungeliebte Vogeltränke. Der Garten des Designers ist zur „Natural Beauty“geworden. Bodenständigkeit sowie Erdverbundenheit lassen Design, Raffinesse und Ideenreichtum nicht missen und der Erfolg des Gärtnerns machte schlussendlich auch den Gärtner glücklich. Dean Riddle hat ein sehr persönliches Gartenbuch veröffentlicht. „Out in the garden“ist bei Harper Collins Publisher erschienen.