Mindelheimer Zeitung

Die Cockpit Tür bleibt nun wieder zu

Interview Nach dem Germanwing­s-Absturz 2015 sollte die Zwei-Personen-Regel für mehr Sicherheit auf Flügen sorgen. Warum sie jetzt abgeschaff­t wird

- Interview: Orla Finegan

Im März 2015 ließ ein Pilot ein Flugzeug in den französisc­hen Alpen zerschelle­n. Um so etwas zukünftig zu verhindern, riet die Europäisch­e Agentur für Flugsicher­heit (EASA), dass sich im Cockpit immer zwei Personen befinden sollen. Ab Juni gilt diese Regel nicht mehr, warum?

Claudia Nehring: Schon bei der Einführung 2015 wollte man nach einem Jahr die Regel evaluieren. Das hat die EASA auch im vergangene­n Jahr gemacht. Sie ist zu dem klaren Ergebnis gekommen, dass die Regel nicht mehr Sicherheit bedeutet, sondern sogar zusätzlich­e Risiken mit sich bringt.

Welche Risiken sind das?

Nehring: Vor allem das häufigere Öffnen der Cockpit-Tür ist ein Problem. Der Personenkr­eis, der offiziell Zutritt zum Cockpit hat, ist erhöht und das Bord-Personal steht für eventuelle Hilfe in der Kabine nicht zur Verfügung, wenn es sich im Cockpit befindet. Solche Risiken hatte man schon vorher vermutet und sie haben sich bestätigt.

Wenn man es vermutet hat, warum wurde es trotzdem eingeführt?

Nehring: Der Germanwing­s-Absturz war etwas, auf das man schnell reagieren musste und man wollte der ganz spezifisch­en Herausford­erung des erweiterte­n Suizids durch den Piloten begegnen. In der Zwischenze­it sind auch viele weitere Maßnahmen eingeführt worden, die genau auf dieses Risiko abzielen und es auf andere Weise minimieren.

Welche Maßnahmen wären das?

Nehring: Ein wichtiges Stichwort sind vorbeugend­e Unterstütz­ungs- programme. Piloten in Krisensitu­ationen können sich anonym und vertrauens­voll an jemanden wenden und Hilfe bekommen. Aber auch eine gestärkte flugmedizi­nische Aufsicht und neue Tauglichke­itsprüfung­en, in denen mögliche mentale Probleme eine größere Rolle spielen, wurden eingeführt.

Wer hat sich an die Zwei-PersonenRe­gel gehalten?

Nehring: Es war eine Empfehlung, die sich an alle europäisch­en Airlines gerichtet hat. Sie wurde bei vielen schnell umgesetzt. KLM, AirFrance und die deutschen Fluglinien waren alle mit dabei. KLM und AirFrance haben sie aber auch schon wieder fallen lassen. Wer die Regelung schon vor dem Germanwing­s-Absturz hatte, war Ryanair.

Wurde denn durch die Zwei-PersonenRe­gel mehr Personal im Flugzeug benötigt?

Nehring: Nein, es gab keine zusätzlich­en Personen an Bord. Die Entscheidu­ng gegen die Regel war eine reine Risiken-Abwägung, keine wirtschaft­liche.

Wie lief diese Evaluierun­g ab?

Nehring: Die EASA hat die Airlines gebeten, auch eine eigene RisikoAnal­yse durchzufüh­ren, verbunden mit der Auflage, ob zusätzlich­e Sicherheit­smaßnahmen bei den Fluglinien aufgenomme­n und umgesetzt wurden. Und auch unsere Fluggesell­schaften sind unabhängig voneinande­r zu dem Schluss gekommen, dass die Zwei-Personen-Regel im Cockpit nicht mehr Sicherheit bringt.

Früher durften Kinder einen Blick ins Cockpit werfen, funktionie­rt das noch?

Nehring: Das kenne ich auch noch. Aber das geht gar nicht mehr. Ganz wichtig ist die Sicherheit­sfunktion der Cockpit-Tür. Die sichere Tür wurde 2001 eingeführt, sie soll verschloss­en bleiben und dafür sorgen, dass wirklich nur ins Cockpit gelangt, wer dort hineingehö­rt. Dieser Zugriff von außen ist die sehr viel größere Gefahr. Durch die Zwei-Personen-Regel war die Sicherheit der Tür nicht mehr durchgängi­g gewährleis­tet.

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Foto: Daniel Reinhardt,dpa Nach dem Absturz der Germanwing­s Maschine galt im Cockpit die Zwei Personen Regel.
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Zur Person: Claudia Neh ring ist Pressespre­cherin des Bundesverb­ands der Deutschen Luftverkeh­rs wirtschaft (BDL).

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