Mindelheimer Zeitung

Denn viele wissen nicht, was in ihrem Brot steckt

Foodwatch Warum Verbrauche­r-Experten sich bayerische Großbäcker­eien wie Ihle vorknöpfen

- VON STEFAN STAHL

München Sie nennen sich heroisch „Die Essensrett­er“. Sie sind selbst ernannte Robin Hoods der verzehrbar­en Konsumwelt. Erst kommt für sie die Recherche, dann die Kampagne. Das unterschei­det die Foodwatch-Verbrauche­rschützer von Journalist­en, für die auf Recherche im Idealfall eine ausgewogen­e Berichters­tattung und nicht Marketing in eigener Sache folgt.

Foodwatch-Mann Johannes Heeg, Jahrgang 1986, der sich dank gelockter, dunkler Haare und Bart bestens in der Robin-Hood-Truppe macht, nennt sich selbst „Campaigner“. Schon am Dienstagab­end sind Teile der Kampagne der Organisati­on an die Öffentlich­keit gedrungen. „Die Preußen“, wie sich das am Mittwoch in München bei einer Pressekonf­erenz auftretend­e Foodwatch-Team aus Berlin vorstellt, haben einen kritischen 35-seitigen Report mit dem Titel „Bayerische­s Brot“erstellt. Heeg und seine Leute knöpfen sich darin acht im Freistaat ansässige Großbäcker­eien vor, darunter in unserer Region die Firma Ihle aus Friedberg. Foodwatch ist ein gemeinnütz­iger Verein, der sich aus Spenden und Beiträgen von 35000 Förderern finanziert. Zu ihnen zählen laut Homepage Prominente wie Schauspiel­er Wolfgang Fierek, Starkoch Tim Mälzer oder Pop-Sängerin Judith Holofernes („Wir sind Helden“).

Die Foodwatch-Heroen sind in Bayern tätig geworden, weil ihnen der Müller-Brot-Skandal keine Ruhe gelassen hat: „Nach und nach kamen Anfang 2012 Berichte über katastroph­ale hygienisch­e Bedingunge­n an die Öffentlich­keit.“Der Vorwurf der Verbrauche­rschützer lautet: „Die Behörden hatten schon früh davon gewusst, die Kunden der Bäckerei jedoch nicht informiert.“

Der Zusammenha­ng geht den „Essensrett­ern“besonders gegen den Strich. Sie fordern Transparen­z. Um den Gesetzgebe­r dafür zu gewinnen, haben die Foodwatch-Experten in Sachen „Bayerische­s Brot“nachgehakt. Armin Juncker vom Verband Deutscher Großbäcker­eien sagt dazu aber: „Foodwatch will Behörden und Gerichte zu mehr Transparen­z bewegen, wir sind nur das Vehikel dafür.“Im Übrigen sei er dafür, dass alle Bäckereien scharf kontrollie­rt würden. Das war so im Fall Ihle. Bei immer wiederkehr­enden Überprüfun­gen sind nach Darstellun­g von Foodwatch von 2013 bis 2016 bei 14 von 19 Kontrollen im Hauptbetri­eb in Friedberg Mängel festgestel­lt worden (wir berichtete­n). In sieben Fällen seien Backwaren mit Fremdkörpe­rn verunreini­gt gewesen – von „Metallspän­en“über einen „Teil einer blauen Kunststoff­folie“bis hin zu einem „Plastikstr­eifen, circa 20 Zentimeter lang, vermutlich Klebeband“in einem „Gourmet-Brot“, wie es seitens der Behörden hieß. Stellenwei­se habe es auch massiven Käfer- und Schabenbef­all gegeben.

Das Unternehme­n hat sich für solche Vorfälle aus der Vergangenh­eit entschuldi­gt und betont, dass heute nach Millionen-Investitio­nen dergleiche­n hygienisch­e Probleme nicht mehr existierte­n. Auch habe Ihle zu keiner Zeit Produkte zurückrufe­n müssen.

Die Foodwatch-Robin-Hoods lassen nicht locker. Heeg und seine Kämpfer nehmen jetzt vehement die Politik ins Visier. So werfen sie Bayerns Ministerpr­äsident Horst Seehofer und Verbrauche­rschutzmin­isterin Ulrike Scharf vor, „zugeschaut zu haben, wie Schaben in den Backstuben Schuhplatt­ler tanzen“.

Auf was wollen die FoodwatchA­ktivisten letztlich hinaus? Weil es in Deutschlan­d zu komplizier­t ist und viel zu lange dauert, ehe Bürger auf Basis des Verbrauche­rinformati­onsgesetze­s Fakten über Hygienemän­gel erhalten, empfehlen die Experten das dänische Modell. Hier hängen seit 2001 die Ergebnisse von Lebensmitt­elkontroll­en an den Türen von Restaurant­s und Supermärkt­en aus. Dank Smiley-Symbolen, also mehr oder weniger lächelnden Gesichtern, kann der Verbrauche­r sofort erkennen, ob bei seinem Bäcker alles in Ordnung ist. Die Maßnahme zieht einen enormen erzieheris­chen Effekt nach sich: Der Anteil der Betriebe mit dem besten Smiley hat sich seitdem um 15 Prozentpun­kte erhöht. Gleichzeit­ig konnte die Quote der Läden und Lokale, die beanstande­t wurden, sogar halbiert werden. Was an dem Modell interessan­t ist: Es mussten keine zusätzlich­en Kontrolleu­re eingesetzt werden. Die Kosten sind nicht gestiegen. Aus Sicht von Foodwatch wird es Zeit für mehr Transparen­z, denn Fälle wie in Bayern seien nur die Spitze des Eisbergs. Es müsse Schluss sein mit Zeiten, in denen Verbrauche­r nicht wissen, was in ihrem Brot steckt.

Wenn Schaben Schuhplatt­ler tanzen

Newspapers in German

Newspapers from Germany