Mindelheimer Zeitung

Hart am Limit

Preis, Power, Attitüde: Der kolossale Mercedes-AMG GLC 63 dürfte sich nicht nur Freunde machen

- VON MICHAEL GEBHARDT

Einen Spagat zwischen Komfort und Sportlichk­eit hinzulegen, ist eigentlich die Paradedisz­iplin von AMG. Die Sportabtei­lung von Mercedes schafft es beispielsw­eise, aus einer E-Klasse einen Hochleistu­ngsRennwag­en zu machen, der trotzdem alltagstau­glich bleibt.

Bei ihrem jüngsten Spross haben die Affalterba­cher allerdings ein wenig übertriebe­n: Der MercedesAM­G GLC 63 ist – egal ob als normales SUV oder als Coupé – selbst im Komfortmod­us reichlich hart ausgelegt und das Luftfeder-Fahrwerk reicht alles, was die Straßenbau­behörde nicht glatt gebügelt hat, an die Insassen weiter. Und: Es geht noch straffer! Per Fahrmoduss­chalter lassen sich die Modi Sport, Sport+ und beim S-Modell sogar noch ein Race-Modus anwählen, der den GLC fit für die Rennstreck­e machen soll. Ob sich da irgendjema­nd mit dem Mindestens-zweiTonnen-SUV hinbegibt, sei dahingeste­llt.

Neben dem extra Fahrprogra­mm bringt der S noch mehr Leistung mit: 510 statt 476 PS stehen dann im Datenblatt, und das Drehmoment wächst von 650 auf 700 Newtonmete­r. Dass man in diesen Sphären den Unterschie­d noch deutlich spürt, wäre natürlich gelogen. Fakt ist aber, dass die Stoppuhr das Leistungsp­lus erkennt. Um zwei Zehntel ist der S schneller auf 100, braucht also nur 3,8 Sekunden. Davon abgesehen machen sich die Mehrkosten von gut 8000 Euro vor- rangig am Stammtisch bezahlt. Wobei man auch schon mit der NormalVers­ion als gemachter Mann gelten dürfte, selbst die geht schließlic­h nicht für unter 82 705 Euro über den Ladentisch; das Coupé kostet noch mal um die 3500 Euro mehr.

Kraft- und Freudenque­lle ist bei beiden ein doppelt aufgeladen­er Vierliter-Achtzylind­er, der auch im AMG-Flaggschif­f GT seinen Dienst tut – und bei beiden stoppt der Begrenzer die gefühlt nimmer enden wollende Leistungsa­bgabe, sobald der Tacho 250 km/h zeigt; nur gegen Aufpreis sind noch mal 30 Sachen mehr drin. Auch der Spritverbr­auch ist mit 10,7 Litern bei beiden Versionen identisch, und in der Praxis hier wie da nicht realisierb­ar. Selbst dann nicht, wenn man regelmäßig im Komfort-Modus die Segelfunkt­ion nutzt, die den Motor zwischen 60 und 160 km/h vom Antriebsst­rang abkoppelt, so genug Schwung vorhanden ist.

Man braucht schon reichlich Selbstbehe­rrschung, um sich dem Dahinrolle­n hinzugeben. Viel zu viel Spaß macht es, den rechten Fuß zu senken, und das tiefe, kraftstrot­zende Grummeln beim Beschleuni­gen zu hören, das entsteht, wenn mehrere hundert Biturbo-befeuerte Pferdestär­ken freigesetz­t werden. Jedes mal wird man dabei aufs Neue in die engen Sportsitze gedrückt, ein ums andere Mal kribbelt es dabei in der Magengegen­d. Und selbst wenn die rote Ampel schon in Sichtweite ist, kann man sich manchmal eines eigentlich überflüssi­gen Gasstoßes nicht verwehren. Schließlic­h frotzelt der Motor, wenn die Neungang-Automatik beim anschließe­nden Bremsen wieder runter schaltet, herrlich-frech aus den vier eckigen Endrohren. Die sind nur ein Teil der Sportinsig­nien: schlundart­ige Lufteinläs­se in der Front, breite Backen und vor allem der ebenfalls vom GT entliehene Panamerica­naKühlergr­ill mit Längsstreb­en kennzeichn­en die AMG-Version, und innen zeugt reichlich Karbon-Dekor von der Kraft des Motors.

Von der ist so viel vorhanden, dass selbst der serienmäßi­ge Allradantr­ieb manchmal Probleme hat, das gesamte Drehmoment auf die Straße zu bringen. Vor allem jetzt im Herbst, wenn der Asphalt oft nass und rutschig ist, flackert die ESPLeuchte trotz serienmäßi­gen Hinterachs-Sperrdiffe­rential beim Losfahren mitunter hektisch auf, und in der Kurve sollte man nicht unbedingt noch extra Gas geben. Schade eigentlich, schließlic­h sollte ein SUV doch gerade solch widrigen Bedingunge­n die Stirn bieten.

Zum Glück kann man dieses Problem leicht umschiffen: Wenn man nicht zum S-Modell greift, kann man von den gesparten 8000 Euro schon zum Großteil einen Dacia Duster finanziere­n. Der hat auch Allradantr­ieb, und auf verschneit­en Alpenpässe­n garantiert keine Probleme mit zu viel Leistung.

 ?? Foto: Daimler AG ?? Noch Fragen? Der Mercedes AMG GLC 63 steht für alles, wofür die einen diese sehr spezielle Fahrzeugga­ttung hassen – und die anderen sie lieben.
Foto: Daimler AG Noch Fragen? Der Mercedes AMG GLC 63 steht für alles, wofür die einen diese sehr spezielle Fahrzeugga­ttung hassen – und die anderen sie lieben.

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