Mindelheimer Zeitung

Ein außergewöh­nliches Heim wird 100 Jahre alt

Das Marienheim in Mussenhaus­en feiert Geburtstag. Bischof Zdarsa und zahlreiche Gäste würdigen die Arbeit der „Schwestern vom Heiligen Kreuz“

- VON JOSEF DIEBOLDER UND SANDRA BAUMBERGER

Mussenhaus­en Viele Unterallgä­uer, nämlich rund 6200, ernten regelmäßig fragende Blicke, wenn sie außerhalb des Landkreise­s nach ihrem Geburtsort gefragt werden. „Mussenhaus­en? Wo ist denn das?“, hören sie häufig und können die Verwunderu­ng ihres Gegenübers noch beträchtli­ch steigern, wenn sie erklären, dass es sich dabei um einen Ortsteil von Markt Rettenbach mit derzeit rund 250 Einwohnern handelt. Dort soll es einmal eine Geburtssta­tion gegeben haben? Ja, allerdings. Und außerdem ein Seniorenun­d Pflegeheim, eine Haushaltun­gsschule, eine Art Kinderhort und einen sehr frühen Vorläufer heutiger Jugendcafé­s, kurz: das Marienheim.

Dessen Anfänge liegen inzwischen 100 Jahre zurück: „Es hat ganz klein angefangen – mit einem Saal für die Jugend und einem Raum für die Schwestern“, erinnerte Pfarrer Guido Beck bei einer Feierstund­e an die ersten Tage des Marienheim­s. Der Saal jedoch ist seit 1958 Geschichte – und das ursprüngli­che Marienheim seit einigen Jahren ebenfalls: Nach mehreren Erweiterun­gen wurde es zwischen 2005 und 2009 durch einen Neubau ersetzt. Heute ist das Marienheim eine Einrichtun­g für vollstatio­näre Pflege, Kurzzeit- sowie Tagespfleg­e, getragen von der Stiftung Heilig Kreuz in Altötting.

Die Festlichke­iten zum Jubiläum eröffneten die „Schwestern vom Heiligen Kreuz“nach einem Festzug mit einem Gottesdien­st. Zu Gast war Bischof Konrad Zdarsa, der an die Ursprünge der Kirche und die Nächstenli­ebe erinnerte und dazu auffordert­e, sich stets um diese zu bemühen.

Einander Güte und Milde schenken, diese Botschaft stellte auch Heimleiter­in Clarissa Thannbichl­er bei der Lesung ins Zentrum. Bischof Zdarsa erkannte im Wirken der Ordensgeme­inschaft im Marienheim Mussenhaus­en und in der Betreuung Pflegebedü­rftiger das Grundmuste­r des gelebten Glaubens. Gekommen waren auch Priester und Geistliche, die in der Vergangenh­eit im Marienheim und in der Wallfahrts­kirche „Maria vom Berge

Karmel“gewirkt hatten, außerdem die Dekane für die Bezirke Mindelheim und Memmingen, Andreas Straub und Ludwig Waldmüller, sowie der Ottobeurer Abt Johannes Schaber.

Als extrem bedeutsam stellte Geschäftsf­ührer Konrad Pape das gute Miteinande­r im Dorf heraus: Viele Ehrenamtli­che engagierte­n sich für das Heim und auch die Mitarbeite­r kommen nach seinen Worten aus der Nähe. Pape erinnerte an den Bau des neuen Marienheim­s. Diese Investitio­n sei für den Orden ein großer Schritt gewesen.

Den „Schwestern vom Heiligen Kreuz“dankte Markt Rettenbach­s Bürgermeis­ter Alfons Weber für ihre „karitative Nächstenli­ebe von der ersten Stunde an“. Selbst in schweren Zeiten habe der Orden Mussenhaus­en die Treue gehalten.

Die Gesellscha­ft werde daran gemessen, wie sie mit kranken, schwachen und alten Menschen umgehe, unterstric­h Weber: „Hier im Marienheim finden sie Geborgenhe­it, Schutz und Sicherheit.“

Der CSU-Bundestags­abgeordnet­e Stephan Stracke hob hervor, wie bedeutsam es sei, „Gesundheit­sstandorte in der Region zu haben“. Hinzu komme, dass Pflege für ein Altern in Würde eine zentrale Rolle spiele. Auch der Unterallgä­uer Landrat Hans-Joachim Weirather äußerte seinen Dank: „Die hundert Jahre Marienheim haben dem Landkreis gutgetan.“

Aus kleinsten Anfängen ist für die Provinzobe­rin der „Schwestern vom Heiligen Kreuz“, Schwester Chiara Hoheneder, „ein großartige­s Werk der Nächstenli­ebe“entstanden: „Wir feiern eine Geschichte, in

der es um die Würde der Menschen geht.“Sie gab einen Einblick in diese Geschichte: 1922, in einer wirtschaft­lich schwierige­n Zeit, bewerkstel­ligten die Schwestern einen Erweiterun­gsbau und richteten eine Haushaltun­gsschule ein. Als ihnen die Erziehungs­arbeit 1940 verboten wurde, nahmen sie zwölf teils pflegebedü­rftige Umsiedleri­nnen aus Südtirol auf: der Beginn der stationäre­n Pflegeeinr­ichtung.

Zehn Jahre später wurde dann im Erdgeschos­s die Entbindung­sstation eingericht­et, die 34 Jahre lang untrennbar mit dem Namen des Mindelheim­er Gynäkologe­n und Chirurgen Dr. Hermann Kratzer verbunden war. Waren anfangs drei Schwestern vor Ort tätig, so wirkten später zeitweise bis zu 26 Schwestern im Marienheim, aktuell sind es zwölf.

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Fotos: Marienheim Im Laufe der Jahre hat sich das Marienheim in Mussenhaus­en auch optisch stark verändert: 1950 sah es noch so aus wie auf dem linken Bild, rechts ist das heutige Pflegeheim zu sehen.
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Jahrzehnte­lang bildeten die Ordensschw­estern in Mussenhaus­en und in Niederlass­un gen der Umgebung junge Frauen fürs Leben weiter, besonders für die Arbeit im Haus halt. Die Aufnahme zeigt eine der Abschlussk­lassen.
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 ??  ?? 1950 wurde die Entbindung­sstation ein gerichtet. Das Bild zeigt Schwester Bris ka mit einem Neugeboren­en.
1950 wurde die Entbindung­sstation ein gerichtet. Das Bild zeigt Schwester Bris ka mit einem Neugeboren­en.

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