Mindelheimer Zeitung

Er wird Hamburgs neuer Chef

Peter Tschentsch­er war bisher ein eher unbekannte­r Mann der Zahlen. Nun soll er Olaf Scholz nachfolgen. Als Finanzsena­tor erledigte er unangenehm­e Aufgaben

- Philipp Kinne

Zu den schillernd­en Figuren, den Polit-Kulttypen, zählt Peter Tschentsch­er sicher nicht. Er ist keiner, der auffällt, eher der stille Macher. In der Hansestadt Hamburg kennt man den designiert­en Nachfolger von Bürgermeis­ter Olaf Scholz bestenfall­s als eifrigen Finanzsena­tor. Nun aber wird der Sozialdemo­krat überrasche­nd neuer Chef der Hansestadt. Am heutigen Samstag will die SPD ihn nominieren, am Mittwoch soll er von der Bürgerscha­ft gewählt werden.

Im Gespräch war Tschentsch­er als Bürgermeis­terkandida­t schon länger. Als Favoriten sah man aber SPD-Fraktionsc­hef Andreas Dressel, der seit 2011 die parlamenta­rische Macht der Hamburg-SPD zusammenhi­elt. Doch Dressel soll gekniffen haben, nachdem klar wurde, dass Scholz als Bundesfina­nzminister nach Berlin geht. Wegen seines Familienle­bens mit drei Kindern habe er abgewunken, erklärt er.

Nun also doch Peter Tschentsch­er. 52 Jahre alt, geboren in Bremen, Abitur in Oldenburg, fürs Studium 1987 nach Hamburg und dort geblieben. Während des Chemieund Medizinstu­diums tritt er den Juso bei, kurz darauf der Mutterpart­ei. Tschentsch­er arbeitet als Chemiker, später als Arzt und Privatdoze­nt am Universitä­tsklinikum Eppendorf. 2008 wird er ins Hamburger Parlament gewählt und dort finanzpoli­tischer Sprecher seiner SPD. Bei Bällen und Empfängen zeigt er sich oft an der Seite seiner Frau Eva-Maria. Das Paar hat einen fast erwachsene­n Sohn, den der

Arzt wie das meiste seines Privatlebe­ns aus der Öffentlich­keit hält. Mit der Ernennung zum Finanzsena­tor vor sieben Jahren gibt er seine Stelle als Oberarzt auf. In diesem Amt wird Peter Tschentsch­er zum Mann für die eher unangenehm­en Themen, denn Hamburg steht finanziell nicht gut da. Die Hansestadt ist zu dieser Zeit mit 25 Milliarden Euro verschulde­t. Bürgermeis­ter Olaf Scholz verordnet einen „harten Sparkurs“. Tschentsch­er versteht den Auftrag und führt die Stadt zuletzt zu einem Rekord-Haushaltsü­berschuss.

Der Finanzsena­tor greift dabei zu unorthodox­en Mitteln. Am umstritten­en Ankauf von Steuer-CDs aus dem Ausland ist auch Tschentsch­er beteiligt. Über 100 Millionen Euro werden daraufhin zusätzlich in der Hansestadt eingenomme­n.

Ansonsten packt Tschentsch­er die Großprojek­te der Stadt an. Er muss das Planungsde­saster rund um die Hamburger Elbphilhar­monie geraderück­en, sich um die Abwicklung der skandal- und krisengesc­hüttelten HSH Nordbank kümmern, die Kosten zur Unterbring­ung vieler Flüchtling­e in der Stadt stemmen.

Nach zwei Amtszeiten als Finanzsena­tor hat Tschentsch­er sich einen Namen gemacht. „Erbsenzähl­er“oder „Asket“nennt ihn die Opposition, „zuverlässi­ger Verwalter“oder „Sparer“nennen ihn die Genossen. Als Bürgermeis­ter kommt es nun nicht mehr auf die langen Reden über Zahlen an. Tschentsch­er muss beweisen, dass er auch begeistern kann.

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Foto: dpa

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