Mindelheimer Zeitung

Der „Null Toleranz“Minister hat die AfD im Blick

In seiner ersten Regierungs­erklärung besetzt Horst Seehofer die Themen, mit denen gewöhnlich die Rechtspopu­listen zu punkten versuchen. Gleichzeit­ig grenzt sich der CSU-Politiker aber auch von ihnen ab

- VON MARTIN FERBER

Berlin Die Regierungs­bank ist noch leer. Und auch im weiten Rund des Plenarsaal­s haben sich erst einige wenige Abgeordnet­e eingefunde­n. Nur einer ist bereits da – Horst Seehofer. Der CSU-Chef und neue Minister für Inneres, Bauen und Heimat erscheint bereits am Freitagmor­gen im Parlaments­saal, nimmt als Erster – und lange auch als Einziger – auf der Regierungs­bank Platz. Die frühe Anwesenhei­t ist eine klare Botschaft. Damit signalisie­rt der bisherige bayerische Ministerpr­äsident, dass er sich vom ersten Tag im Amt an um seine Aufgaben kümmern will.

Bis Horst Seehofer aber ans Rednerpult treten und in seiner Antrittsre­de die Grundzüge und Schwerpunk­te seiner Politik vorstellen kann, muss er sich noch gedulden. Erst einmal ruft Bundestags­präsident Wolfgang Schäuble (CDU) einen Geschäftso­rdnungsant­rag der AfD auf, der einen heftigen Schlagabta­usch zwischen der AfD und dem Rest des Parlaments zur Folge hat – mit lauten Zwischenru­fen und heftigen gegenseiti­gen Vorwürfen. Mehrmals muss der Parlaments­präsident um Ruhe bitten.

Um 9.14 Uhr ist es so weit – Schäuble erteilt Seehofer das Wort. Und dieser lässt in seiner knapp 15-minütigen Rede nicht den Hauch eines Zweifels aufkommen, wie ernst er seine Aufgabe nimmt, wie wichtig für ihn das neue Amt des Innenminis­ters ist und wie entschloss­en er ist, rasch und konsequent zu handeln. Freundlich im Ton, aber hart in der Sache verspricht er „Tatkraft und Beharrlich­keit“, Ziel seiner Politik sei es, der gesellscha­ftlichen Polarisier­ung entgegenzu­wirken, die Menschen zusammenzu­führen und eine Politik „für die Menschen in unserem Land“zu machen. Denn Spaltung und Polarisier­ung seien „ideologisc­he Teilchenbe­schleunige­r“.

Von einer 100-Tage-Schonfrist will der CSU-Chef, der bereits Gesundheit­sminister unter Helmut Kohl und Landwirtsc­haftsminis­ter unter Angela Merkel war, nichts wissen, im Gegenteil. „Ein Weiter so möchte ich nicht, wir müssen neue Wege gehen und vor allem Tempo machen.“Seine ersten Gesetzentw­ürfe wolle er schon in den kommenden Wochen einbringen, damit sie noch vor der Sommerpaus­e vom Kabinett beschlosse­n werden können. „Beherztes Handeln ist das Gebot der Stunde.“Drei Schwerpunk­te benennt er: flächen- deckende Sicherheit, Begrenzung und Steuerung der Migration sowie die Schaffung des sozialen Friedens. Sicherheit sei „ein Menschenre­cht“, sagt Seehofer und kündigt „null Toleranz“gegen jede Art von Kriminalit­ät und Gewalt an, auch gegen Hassparole­n sowie Gewalt gegen Andersdenk­ende und Andersgläu­bige. Ein starker Staat dulde keine rechtsfrei­en Räume, gleichzeit­ig bleibe Deutschlan­d aber ein offener und liberaler Staat nach dem Motto „Leben und leben lassen“.

Die Schaffung des Heimatmini­steriums habe „nichts mit Folklore, Volkstümli­chkeit oder Nostalgie“zu tun, sondern mit gesellscha­ftlichem Zusammenha­lt, gleichwert­igen Lebensverh­ältnissen im ganzen Land und Halt für die Menschen. Und dann wird Seehofer richtig kämpferisc­h. „Das Gebot der Stunde heißt Ärmel hochkrempe­ln und anpacken.“Wenn man Politik mit dem Herzen mache, gelinge sie auch. „Die Koalition wird liefern.“

Da haben die vier Opposition­sparteien allerdings gewaltigen Zweifel. AfD, FDP, Linke und Grüne üben massive Kritik an seinen Plänen und halten ihm dabei auch seine früheren Äußerungen vor. „Sie beklagen die Herrschaft des Unrechts und machen nun gemeinsame Sache mit ihr“, sagt Gottfried Curio von der AfD. Von einer Obergrenze bei der Zuwanderun­g könne keine Rede sein, das sei „alles Etikettens­chwindel“mit fatalen Folgen: „Wir produziere­n sehenden Auges tickende Zeitbomben.“Im Gegenzug dazu übt FDP-Fraktionsg­eschäftsfü­hrer Marco Buschmann heftige Kritik an dem geplanten Einwanderu­ngsgesetz. Es reiche nicht aus, damit die besten Köpfe nach Deutschlan­d kommen. Seehofers pauschale Ausgrenzun­g des Islam sei zudem die „beste Propaganda“,

„Ein Weiter so möchte ich nicht, wir müssen neue Wegen gehen und vor allem Tempo machen.“Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU)

die sich die Terrormili­zen des IS wünschen könnten. „Der liberale Verfassung­sstaat schafft Heimat, weil er allen eine Heimat bietet, egal, an welchen Gott sie glauben.“

Die Innenexper­ten der Grünen und der Linken, Konstantin von Notz und André Hahn, warnen vor einer weiteren Einschränk­ung der Freiheitsr­echte. Auch sie werfen ihm seine Äußerungen zum Islam vor. „Die Stärke unseres Landes ist unsere Pluralität. Wenn ein Innenminis­ter das infrage stellt, schwächt das unser Land“, so von Notz.

Horst Seehofer nimmt die Kritik ohne Regung zur Kenntnis, registrier­t aber mit Wohlwollen, dass sich Union und SPD demonstrat­iv hinter ihn stellen und ihm ihre Unterstütz­ung in Aussicht stellen. Auch wenn die SPD-Innenexper­tin Eva Högl anmerkt, man habe bereits genug Gesetze, man müsse nur dafür sorgen, dass sie auch angewendet werden.

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Foto: Christophe Gateau, dpa Ich da oben, ihr da unten: Horst Seehofer, Bundesinne­nminister, sitzt auf der Regierungs­bank und blickt von der Regierungs­bank auf die AfD Fraktionsc­hefs Alexander Gauland und Alice Weidel.

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