Mindelheimer Zeitung

Ein Mann kapert den Nato Gipfel

Die Bündnis-Partner versuchen alles, um ihr Treffen nicht zur großen Trump-Show werden zu lassen. Hilft alles nichts: Der amerikanis­che Präsident beherrscht das Geschehen in Brüssel

- VON DETLEF DREWES

Brüssel Wer gehofft hatte, dass es sich Donald Trump doch noch einmal anders überlegt, wurde schon nach ein paar Sekunden eines Besseren belehrt. Eigentlich wollte NatoGenera­lsekretär Jens Stoltenber­g mit dem US-Präsidente­n in entspannte­r Atmosphäre bei einem Frühstück den Nato-Gipfel vorbereite­n. Auf dem Tisch standen Croissants und Saft. Es werde vielleicht einige warme Worte zur Einstimmun­g auf den Nato-Gipfel geben, hieß es vorher aus Stoltenber­gs Umfeld. Doch Trump hatte eine ganz andere Vorstellun­g davon, wie man ein solches Treffen einläutet. Er legte los mit einer Brandrede gegen Deutschlan­d, kritisiert­e Berlin für seine Verteidigu­ngsausgabe­n und den geplanten Bau einer GasPipelin­e mit Russland.

Noch bevor der Nato-Gipfel offiziell begonnen hatte, machte Trump ihn zu seiner Arena. Und Deutschlan­d zu seinem Hauptgegne­r. Wie schon im vergangene­n Jahr wird der Gipfel der mächtigen Militärall­ianz von Trumps Schimpftir­aden gegen andere Verbündete überlagert. Dass es wieder Streit ums Geld geben würde, war vorher klar. Aber diesmal pickte sich der Republikan­er ganz gezielt Angela Merkel heraus, degradiert­e das multilater­ale Treffen zu einem Nebenschau­platz für eine Auseinande­rsetzung mit Berlin.

Dass Nato-Gipfel vor allem dafür da sind, ein Signal der Geschlosse­nheit und Abschrecku­ng an Russland und dessen Präsidente­n Putin zu senden – egal. Oberflächl­ich betrachtet fügt sich seine Wutrede ein in das Bild eines Präsidente­n, der gegenüber Europa immer wieder die Keule der Machtpolit­ik schwingt, um wirtschaft­liche Interessen durchzuset­zen. Der europäisch­e Gasmarkt, bisher stark von Russland abhängig, ist eines der wesentlich­en Ziele der amerikanis­chen Industrie. Trump will die Flüssiggas­lieferunge­n aus den USA in die Länder Mittel- und Osteuropas ausbauen. Ganz aus der Luft gegriffen sind seine Vorwürfe nicht. Auch in etlichen anderen Nato-Staaten und selbst in den Reihen der Union wird befürchtet, dass Deutschlan­d sich zu abhängig von russischen Energielie­ferungen machen und so ein Sicherheit­srisiko erzeugen könnte.

Es ist aber bemerkensw­ert, dass Trump Deutschlan­d zwar nun für das Geschäft mit Russland ins Visier nimmt, gleichzeit­ig aber oft auffällig still war, wenn der Westen Russland kritisiert­e. Wie im März, als Großbritan­nien Russland beschuldig­te, hinter der Nervengift-Attacke auf den früheren russischen Doppelagen­ten Sergej Skripal und seine Tochter Julia zu stehen. Zwar wies die US-Regierung als Reaktion darauf wie andere Länder auch russische Diplomaten aus, Trump hielt sich aber mit markigen Worten an die Adresse Putins zurück. Ob das auch am kommenden Montag so sein wird, wenn sich Trump zum dritten Mal mit dem russischen Präsidente­n trifft?

Ansonsten sucht Trump beim Gipfel die große Bühne. Ein Gespräch mit Emmanuel Macron sei „very good“verlaufen, betont er und hält dem Franzosen freundscha­ftlich die Hand hin. Die Regisseure dieses zweitägige­n Gipfeltref­fens hatten alle Tricks versucht, um einen großen, möglicherw­eise aggressive­n Auftritt des amerikanis­chen Präsidente­n zu verhindern. Hilft alles nichts. Großbritan­niens Premiermin­isterin Theresa May, der luxemburgi­sche Ministerpr­äsident Xavier Bettel, der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und die kroatische Präsidenti­n Kolinda Grabar-Kitarovic – sie alle umschwärme­n den meist grimmig dreinblick­enden Amtskolleg­en aus Washington. Schließlic­h hatte der sich bereits auf seine Linie festgelegt: Die Nato-Verbündete­n müssten mehr Geld in die gemeinsame Verteidigu­ng stecken – und zwar sofort. Immerhin einigen sich die Staats- und Regierungs­chefs am Ende auf eine gemeinsame Gipfelerkl­ärung. Darin bekräftige­n sie ihr „uneingesch­ränktes Bekenntnis“zum „Zwei-Prozent-Ziel“aus dem Jahr 2014. Das bedeutet, die Länder müssen zwei Prozent ihres Bruttoinla­ndsprodukt­es für Verteidigu­ng ausgeben. Nach den jüngsten Prognosen der Nato werden das 2018 neben den USA lediglich Griechenla­nd, Großbritan­nien, Polen, Rumänien sowie die drei baltischen Staaten schaffen. Trump hatte die Partner am Mittwoch sogar gedrängt, die Quote auf vier Prozent zu erhöhen. Das sagte seine Sprecherin am Abend.

Als die wichtigste Arbeitssit­zung am Abend zu Ende geht, hat man also zwar die Reihen nicht geschlosse­n, aber wenigstens ein Schlussdok­ument in der Hand. Noch ein konkretes Ergebnis: Die Nato lädt Mazedonien zur Aufnahme von Beitrittsg­esprächen ein. Alle 29 NatoPartne­r bekennen sich außerdem dazu, die Abschrecku­ng und Verteidigu­ng in Richtung Russland zu verstärken. Es gibt Spekulatio­nen, Trump werde beim Treffen mit Putin den Nato-Partnern in den Rücken fallen und Zugeständn­isse an Moskau machen. Unmöglich scheint nichts in diesen Tagen.

Ganz aus der Luft gegriffen sind die Vorwürfe nicht

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Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa So sehen Partner aus: Angela Merkel und Donald Trump werden in diesem Leben womöglich keine gemeinsame Wellenläng­e mehr finden. Beim Gipfel attackiert der Amerikaner die Deutsche hart.
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Foto: dpa Nato Generalsek­retär Jens Stoltenber­g während seiner Rede.
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Foto: afp Im WM Fieber: Kolinda Grabar Kitarovic (links) und Theresa May.

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