Ab in den Gelben Sack – oder doch nicht?
Die Deutschen gelten als Meister der Abfalltrennung. Aber ganz rund läuft es auch hierzulande nicht mit dem Recycling
Berlin Plastik ist leicht, vielseitig, billig zu bekommen, in unserem Alltag allgegenwärtig – und hat ein Image-Problem. Bilder von zugemüllten Meeren schockieren die Deutschen. Supermärkte werben damit, dass sie Einweg-Strohhalme und -Besteck aus den Regalen nehmen und Kunststofftüten von den Kassen verbannen. Als UmweltThema ist Plastik „in“. Kein Wunder also, dass die neue Bundesumweltministerin Svenja Schulze während ihrer ersten „Sommerreise“eine Recyclinganlage besucht.
Der scharfe Müllgeruch steigt in die Nase und bleibt lange hängen. Die Maschinen sind laut, hier bei der Hubert Eing Kunststoffverwertung darf man nur mit Gehörschutz arbeiten. Auf dem Hof stehen gewaltige Packen aus Plastikmüll und noch größere weiße Säcke mit kleinen bunten Etiketten. Sie zeigen an, welche Qualität das „Recyklat“darin hat, also das Material aus Altplastik, aus dem zum Beispiel Geräte für Kinderspielplätze oder Parkbänke werden.
Hier wird Abfall zerkleinert, sortiert, gereinigt, weiter zerkleinert und schließlich wieder verkauft. Was nicht recycelbar ist, wird verbrannt – „thermisch verwertet“– zur Gewinnung von Strom und Wärme. Das gelte auch für alte Elektrogeräte und anderen Müll, erklärt Firmenchef Stephan Eing. Die Disziplin der Bürger beim Mülltrennen habe stark nachgelassen.
Eing gehört zur deutschen Kreislaufwirtschaft, einer großen Branche aus kommunalen und privaten Unternehmen, die fast 300 000 Menschen beschäftigen. Im Bereich Abfallverwertung und -beseitigung sind es 129000. Die Sortierung und Recycling sind fast ausschließlich Sache privater Unternehmen, fürs Verpackungsrecycling sind die Dualen Systeme – darunter „Der Grüne Punkt“– verantwortlich. Die Branche, die Politik und Umweltverbände sind sich einig: Beim Thema Wiederverwertung ist Deutschland im weltweiten Vergleich ganz vorn. „Weltmeister“, sagt Svenja Schulze. Aber auch das deutsche Recyclingsystem hat Schwächen. Eine Auswahl:
● Nicht alles wird recycelt Es gibt viele unterschiedliche Plastiksorten, nicht aus allen wird wieder ein Nutzgegenstand. Benjamin Bongardt vom Nabu nennt das Beispiel PET: Flaschen aus Polyethylenterephthalat können wieder Flaschen werden, PET-Schalen als Verpackung für Obst werden dagegen nicht recycelt. Auch Folien seien schwierig, vor allem kleinere: Dafür gebe es bisher wenige Anlagen, erklärt Bongardt. Und: Verbrennen sei billiger als wiederverwerten, sagt Stephan Eing.
● Design vor Umwelt Eine Waschmittelflasche wird schwarz gefärbt, eine Shampoo-Flasche ist komplett von einer dünnen Folie umschlossen. Das mag gut aussehen – erschwert oder verhindert aber oft das Recycling, weil die Maschinen das Material nicht sortieren können. Ab 2019 müssen deswegen die Dualen Systeme von den Herstellern für schlecht recycelbare Verpackungen mehr Lizenzgebühren verlangen als für andere.
● Falsche Tonne Viele wissen gar nicht, dass sie in die Gelbe Tonne oder Gelben Sack nur Verpackungen werfen dürfen. Also zum Beispiel keine Strohhalme, aber die Folie um die Halme schon. Immerhin ist der Anteil hoch: „40 Prozent aller Kunststoffe gehen in die Verpackung“, sagt Bongardt, „und Verpackungen werden sofort zu Müll.“Darum steht Verpackungsmüll oft so im Fokus. Der Rest allerdings landet im Restmüll, der nur vereinzelt noch mal sortiert wird, die Regel ist Verbrennung.
● Schluss mit Recycling Bei manchen Kunststoffarten, insbesondere bei PET-Flaschen, ist ein geschlossener Kreislauf möglich, aber die Regel ist das nicht. Recycling ist oft „Downcycling“: Aus PET-Einwegflaschen wird dann zum Beispiel doch keine neue Flasche, sondern Fasern für die Textilindustrie, die nicht erneut wiederverwertet werden können.
● Schwächen des Systems Die verschiedenen Verpackungsmüll-Entsorger – die Dualen Systeme – stehen in Konkurrenz zueinander. Immer wieder gibt es Klagen über „schwarze Schafe“, die rechtliche Schlupflöcher nutzen und BilligAngebote auf Kosten der anderen machen, sowie Unstimmigkeiten bei den gemeldeten Abfallzahlen. Für Streit sorgt unter anderem Verpackungsmüll etwa aus dem OnlineVersandhandel, für den niemand Lizenzgebühren gezahlt hat. Hier soll die Zentrale Stelle, eine neue Behörde, ab 2019 für mehr Transparenz sorgen.