Mittelschwaebische Nachrichten
Ganz große Oper
Ist das Ehepaar Anna Netrebko und Yusif Eyvazov ein Traumgespann? Klassikfreunde wünschen es sich – und horchen heute Abend in Salzburg genau hin
Die größten Opern schreibt das Leben selbst. Liebe und Tod sind die Ingredienzen, im folgenden Fall der Tod auf der offenen Bühne, die Liebe hinter dem geschlossenen Vorhang. Es war im Februar 2014 in Rom, als die nicht unbekannte südrussische Sopranistin Anna Netrebko auf den noch nicht berühmten aserbaidschanischen Tenor Yusif Eyvazov stieß. Beide standen vor einem Rollendebüt – sie als Manon, er als des Grieux– in Puccinis tränentreibender Oper „Manon Lescaut“um eine höchst sterbliche Liebe. Der Dirigent Riccardo Muti hatte die Tragik musikalisch zu organisieren.
Aber dann geschah etwas nicht Geplantes, was Herr Eyvazov heute recht knapp in bloß 25 Worte zu fassen versteht: „Wir haben geprobt, geprobt, geprobt. Und nach der Probe – nun, Sie können sich denken, was passiert ist. Wir haben bis heute nicht aufgehört zu proben.“
Heißt im Klartext: Februar 2014 verliebt, März 2014 verlobt, Dezember 2015 verheiratet. Man muss das Eisen schmieden, solange es glüht. Und nun sind die 44-jährige AN und der 39-jährige YE ein in Wien munter zusammen lebendes Paar, obwohl sie auf der römischen Bühne im Februar 2014 durch Verdursten das Zeitliche gesegnet hatten.
Man kann richtiggehend feststellen: So, wie es Erwin Schrott, Netrebkos erstem Lebenspartner beruflich nicht geschadet hat, dass er mit Anna Netrebko liiert war, so schadet es auch Yusif Eyvazov nicht. Seine Karriere, die sich bis 2014 weitgehend auf Italien beschränkt hatte, bekam steifen Rückenwind. Und weil Yusif Eyvazov eben Tenor ist, wofür die Opernliteratur viel, viel mehr dankbare Duette zur Verfügung stellt als für den Bassbariton Schrott, und weil Anna und Yusif justament auch von derselben Künstleragentur vertreten werden, stehen die Vorzeichen prächtig, dass die beiden künftig häufiger in den großen Opernhäusern der Welt miteinander poussieren – und miteinander leiden. So, wie heute Abend auch im Großen Festspielhaus von Salzburg, wo sie in einer konzertanten Aufführung der „Manon Lescaut“bestimmt heftigst erinnert werden an ihre römische Zeit des Verliebens und Verlobens.
Das Publikum wird in solcher Verbindung von Kunst und Leben bestimmt ganz genau hinhorchen, ob es nun ein Traumpaar vor sich hat – oder nicht. Jedenfalls ist die Konstellation anrührend – und nicht ganz billig.
Was die zwei noch verbindet: Anna Netrebkos autistischer kleiner Sohn, um den sich erklärtermaßen Yusif Eyvazov auch kümmert – sowie zwei Wissenschaftler als Väter. Yusifs Papa: ein Meteorologe. Annas Papa: ein Geologe. Was doch so alles passiert zwischen Himmel und Erde. Rüdiger Heinze