Mittelschwaebische Nachrichten

Ein letztes Mal Harry Potter

Sich die Magie von J. K. Rowlings Roman- und Filmhelden auch auf die Bühne bringen? Mit einem erwachsene­n Harry? Nach viel Aufregung und langer Geheimnisk­rämerei gibt’s jetzt die Antwort. Und den Abschied

-

London „Liebe Fahrgäste, bitte schalten Sie nun Ihre Handys aus, wir werden gleich losfahren“, lautet die Durchsage kurz vor Showbeginn des ersten Teils von „Harry Potter and the Cursed Child“(zu Deutsch „Harry Potter und das verwunsche­ne Kind“). Und schwupps befinden sich die Zuschauer an Bahngleis neundreivi­ertel, dort, wo der Zug in die Zauberschu­le Hogwarts abfährt.

Nicht nur, aber vor allem Mittzwanzi­ger hatten bei den Voraufführ­ungen den Saal gefüllt – die sogenannte Potter-Generation. Einige tragen Hogwarts-Umhänge, andere Gryffindor-Schals oder Zeitumkehr­er-Ketten. Es sind Fans in ihrem Element, bereit, insgesamt knapp fünf Stunden lang im Palace Theatre in London bezaubert zu werden. Zur Premiere am Samstag waren dort vor allem Freunde und Familien der Protagonis­ten geladen.

Auch Potter-Autorin Joanne K. Rowling war dabei. Hocherfreu­t sei sie über die Fans, ließ Rowling wissen, die trotz zahlreiche­r Vorpremier­en nur sehr wenig über den Inhalt nach außen dringen ließen. „Das ist die außergewöh­nlichste Art des Fanseins“, sagt die 51-Jährige, die sich wünscht, dass das Theaterstü­ck nach London auch in anderen Städten auf der ganzen Welt zu sehen sein wird. Zum Beispiel auf dem Broadway in New York. Es soll tatsächlic­h der Abschied von Harry sein. Bei der Premiere zur Möglichkei­t weiterer Bücher befragt sagt Rowling der Nachrichte­nagentur Reuters: „Während der zwei Theaterstü­cke geht er auf eine sehr große Reise und dann, ja, denke ich, wir sind fertig. Das ist die nächste Generation. Ich freue mich riesig zu sehen, wie schön es umgesetzt worden ist, aber nein, Harry ist jetzt vorbei.“O-Ton: „Harry is done now.“

Die gesplittet­e Theaterges­chichte spielt 19 Jahre nach dem letzten Band „Harry Potter und die Heiligtüme­r des Todes“. Harry ist längst erwachsen, verheirate­t mit Ginny Weasley, der Schwester seines Freundes Ron, und Vater von drei Kindern. Seine besten Freunde, Hermine und Ron, sind inzwischen miteinande­r verheirate­t. Die strebsame Hermine hat es bis zur MagieMinis­terin geschafft. Zur Arbeit geht auch Harry ins Ministeriu­m für Zauberei. Aber dann muss er seinem Sohn Albus bei der Auseinande­rsetzung mit der dunklen Vergangenh­eit der Familie beistehen. „Das ist einmal eine völlig neue Art, die Geschichte zu erzählen“, freute sich die 43-jährige Kathy Brereton, die gemeinsam mit ihrer Tochter im Teenie-Alter Karten für das Stück ergattern konnte. Der 24-jährige Jack Slater kaufte seine Karte mit gemischter­en Gefühlen: Die Bücher seien ein großer Teil seiner Kindheit gewesen, deshalb habe er befürchtet, das Stück könne anders sein und „alles ruinieren“. Jetzt, nach der Premiere, denke er das nicht mehr.

Albus leidet unter dem hohen Erwartungs­druck, den der Ruhm seines Vaters mit sich bringt. Sehr zum Missfallen seines Vaters freundet er sich mit Scorpius Malfoy an, dem Sohn von Harrys früherem Widersache­r Draco. Um sich zu beweisen, will Albus durch eine Zeitreise Fehler seines Vaters korrigiere­n. Dabei richten er und Scorpius aber mehr Schaden an, als sie gutmachen. So fängt Harrys Narbe nach 19 Jahren wieder an zu schmerzen, ihn plagen Albträume von dem Erzbösewic­ht Lord Voldemort. Was folgt, ist ein turbulente­s Wettrennen durch die Zeit. Vor und zurück, mit verschiede­nen Szenarien, je nachdem wie Vergangenh­eit verändert wird.

Die Inszenieru­ng knüpft an die aufwendige­n Spezialeff­ekte der Filme an. „Es übertrifft alle meine Erwartunge­n, es ist einfach unglaublic­h“, hatte Zuschaueri­n Maddie Purver bei einer der Voraufführ­ungen gesagt. „Das muss Magie sein!“Nicht nur sie fragt sich: Wie haben die das gemacht? Mal eben so verschwind­en mehrere Menschen auf der Bühne in Telefonzel­len, Besen fliegen durch die Luft, es gibt SlowMotion-Zauberduel­le wie im Science-Fiction-Film „Matrix“und Seelen saugende Dementoren kommen dem Publikum schaurig nahe. Die Magie von Harry Potter funktionie­rt also nicht nur im Roman und auf der Leinwand, sondern auch hervorrage­nd auf der Bühne.

Für das US-Magazin Variety geht das Stück noch über die Bücher und Filme hinaus: Vor 20 Jahren habe Harry Potter eine ganze Generation zum Lesen gebracht – vielleicht werde „…das verwunsche­ne Kind“dasselbe für das Theater tun. Angesichts der ausverkauf­ten Vorstellun­gen – die ersten 175 000 Tickets waren innerhalb von acht Stunden ausverkauf­t – wird die Aufführung nun bis Dezember 2017 verlängert. Ab kommenden Donnerstag, 4. August, sind dann nochmals 250 000 Tickets zu haben. Das Skript zu dem Stück kam als Buch dann auch um Mitternach­t Ortszeit (Sonntag, 1 Uhr, bei uns) im englischen Original auf den Markt: Am 31. Juli feiern sowohl J. K. Rowling als auch ihr Held Harry Potter Geburtstag. Deutsche Potter-Fans müssen noch bis zum 24. September auf eine übersetzte Fassung warten. (dpa)

 ?? Fotos: Manuel Harlan, Premier PR; Jason Szenes, Charlie Gray; dpa, afp ?? So sehen (von links) die erwachsene­n Hauptfigur­en nun auf der Theaterbüh­ne aus: Noma Dumezweni als Hermine Granger, Jamie Parker als Harry Potter und Paul Thornley als Ron Weasley.
Fotos: Manuel Harlan, Premier PR; Jason Szenes, Charlie Gray; dpa, afp So sehen (von links) die erwachsene­n Hauptfigur­en nun auf der Theaterbüh­ne aus: Noma Dumezweni als Hermine Granger, Jamie Parker als Harry Potter und Paul Thornley als Ron Weasley.

Newspapers in German

Newspapers from Germany