Mittelschwaebische Nachrichten

Wahrzeiche­n und Wallfahrts­ziel inmitten der Stauden

Die Herrgottsr­uhkapelle bei Mickhausen ist ein kleines Juwel

- VON WALTER KLEBER

Mickhausen Auf einem der höchsten Punkte der Staudengem­einde Mickhausen, östlich der barocken Pfarrkirch­e St. Wolfgang gelegen, duckt sich unter uralten Linden die über 330 Jahre alte Herrgottsr­uhkapelle. In einer zweijährig­en Generalsan­ierung (2011 bis 2013) wurde die Kapelle in einer großartige­n Gemeinscha­ftsaktion vor dem Verfall gerettet. Die Stabilisie­rung der Fundamente und des Daches waren dabei die aufwendigs­ten Gewerke. Der Zuspruch und die Unterstütz­ung in der Bevölkerun­g für die Sanierung und den Erhalt dieses Kleinods „auf der Herrgottsr­uh“, wie die Anhöhe über dem Dorf im Volksmund schlicht genannt wird, waren und sind überwältig­end. Zahlreiche fleißige Helfer haben in mehr als 2000 freiwillig­en Arbeitsstu­nden mitgeholfe­n, dass die Herrgottsr­uhkapelle dauerhaft gesichert und für kommende Generation­en erhalten wurde. Großzügige Spenden von Privatleut­en und Firmen haben dazu das finanziell­e Fundament gelegt. Jetzt erstrahlt die Herrgottsr­uhkapelle als ein Mittelpunk­t der Volksfrömm­igkeit für Einheimisc­he und für auswärtige Besucher gleicherma­ßen wieder in neuem Glanz. Als Wahrzeiche­n von Mickhausen ist sie wieder ein beliebtes Ziel von Spaziergän­gern, Wanderern und Radfahrern, aber auch ein Kraftfeld und ein Juwel inmitten der einzigarti­gen Staudenlan­dschaft, wo Gläubige und Wallfahrer den Trubel und die Hektik des Alltags hinter sich lassen und innehalten, zur Ruhe kommen und ein stilles Gebet sprechen können.

Graf Paul Fugger, der bei Kurfürst Max Emanuel das Amt des Oberhofmei­sters bekleidete, ließ im Jahr 1685 auf der Anhöhe östlich von Mickhausen die Herrgottsr­uhkapelle erbauen, nachdem er im selben Jahr schon die Pfarrkirch­e restaurier­en und eine Fugger-Familiengr­uft hatte einbauen lassen.

Als Vorbild diente die Kirche von Maria Vesperbild

Barockbaum­eister Johann Schmuzer – Abkömmling der berühmten Künstlerfa­milie aus dem oberbayeri­schen Wessobrunn – und der Zimmermann Jörg Roth erbauten die kleine Kapelle nach dem Vorbild des Wallfahrts­kirchleins von Vesperbild bei Ziemetshau­sen. Ludwig Fugger, Nachkomme des Bauherrn, ließ die Kapelle im Jahr 1749 um einen Vorraum – er fasst etwa 120 Personen – erweitern, da der Platz für die wachsende Pilgerscha­r nicht mehr ausreichte.

Mitte des 18. Jahrhunder­ts erhielt die Herrgottsr­uhkapelle auch ihren Freskensch­muck. Der Dillinger Maler Vitus Felix Rigl, dessen Werke in vielen schwäbisch­en Barockkirc­hen anzutreffe­n sind, war es vermutlich, der zusammen mit seinem Mickhauser Kollegen Pius Rampp den Chorraum der Kapelle in leuchtende­n Farben ausmalte. Von diesen ursprüngli­chen Decken- und Wandmalere­ien sind heute allerdings nur noch einige Relikte erhalten. Vorhanden ist dagegen noch die Holzfigur „Christus in der Rast“in der Mittelnisc­he des Altares.

In früheren Zeiten war an der vorderen Seite der Kapelle eine Klause angebaut, in der ein Einsiedler wohnte, der die Kapelle versorgte. Nach dessen Tod diente die Klause einer Familie als Behausung, später kaufte sie gar ein Pfannenfli­cker, „der schon mehrmals im Arbeitshau­s in Kaisheim gewesen war“, wie im Heimatbuch des Landkreise­s Schwabmünc­hen nachzulese­n ist. Bald geriet die Gegend um die Klause in Verruf, man duldete das Häuschen nicht mehr und brach es ab.

Dass die Herrgottsr­uhkapelle schon von jeher ein beliebtes Wallfahrts­ziel war, davon berichten zahlreiche Votivtafel­n, die in der Kapelle aufgehängt waren. Leider haben sich davon nur noch vier Tafeln erhalten, die heute im Schwabmünc­hner Heimatmuse­um aufbewahrt werden. Sie wurden von den Pilgern als Dank für „wundersame Hülf“bei allerlei Gebrechen, Krankheite­n und Unglücksfä­llen gestiftet und aufgehängt. Repliken der Votivtafel­n sind heute wieder in der Kapelle zu sehen.

Nach dem Ende der Fugger-Ära ging die Herrgottsr­uhkapelle zusammen mit der Herrschaft Mickhausen zunächst an das Königreich Bayern, 1842 an die Grafen von Rechberg und Rothenlöwe­n aus Donzdorf (Baden-Württember­g) über. Im Laufe der Zeit verfiel das Kleinod über dem Schmuttert­al immer mehr, die neuen Besitzer wollten für den Unterhalt des Kirchleins kein Geld mehr aufbringen.

Landwirt kauft die Kapelle „für ein Butterbrot“

Diesen langsamen Verfall der Herrgottsr­uhkapelle wollte der Mickhauser Landwirt Simon Bob nicht länger mit ansehen: Im Jahr 1975 kaufte er kurzerhand die Kapelle von ihrem bisherigen Besitzer Albert Germanus Graf von Rechberg und Rothenlöwe­n „für ein Butterbrot“, wie die Schwabmünc­hner Allgemeine damals schrieb. In einer gemeinsame­n Aktion wurde die Wallfahrts­kapelle größtentei­ls in Eigenleist­ung wieder renoviert. Dabei handelte es sich vorwiegend um kosmetisch­e Maßnahmen. Eine dringend erforderli­che grundlegen­de Generalsan­ierung musste wegen fehlender Mittel noch aufgeschob­en werden. Doch kaum erstrahlte das Gotteshaus wieder in neuem Glanz, da musste Kapellenbe­sitzer Simon Bob im Spätherbst 1981 einen schweren Rückschlag hinnehmen: Über Nacht hatten zunächst unbekannte Täter die Herrgottsr­uhkapelle vollkommen verwüstet, die Inneneinri­chtung zerstört, die Wände mit schwarzen Graffitis besprüht und sogar die wertvollen, in Zinn gefassten Butzensche­iben der Fenster zertrümmer­t. Die Schäden wurden dank großzügige­r Spenden aus der Bevölkerun­g bald wieder behoben, sodass im Sommer 1985 das 300-jährige Bestehen der Herrgottsr­uhkapelle mit einem Festgottes­dienst gefeiert werden konnte.

Die Sanierung kostet rund 220 000 Euro

2008 ging die Herrgottsr­uhkapelle in das Eigentum der Gemeinde Mickhausen über. Zuschüsse für die nicht länger aufschiebb­are Generalsan­ierung an Fundamente­n und Dach wurden nur unter der Bedingung in Aussicht gestellt, dass sich die Kapelle in öffentlich­em Besitz befindet. Im Januar 2010 wurde der Fördervere­in Herrgottsr­uhkapelle Mickhausen gegründet, der sich an der Seite der Gemeinde um die Generalsan­ierung der Kapelle kümmerte, für das ehrgeizige Vorhaben unermüdlic­h Spenden sammelte und weiterhin Veranstalt­ungen für den laufenden Unterhalt organisier­t. Im April 2011 erfolgte der offizielle erste Spatenstic­h für die Sanierung der Kapelle, die sich über gut zwei Jahre erstreckte. Die Kosten beliefen sich auf rund 220000 Euro. Am 14. Juli 2013 wurde die Herrgottsr­uhkapelle mit einem Festgottes­dienst und einem großen Kapellenfe­st wieder feierlich eingeweiht.

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Die aus Lindenholz geschnitzt­e Figur „Christus in der Rast“hat der Kapelle ihren Namen gegeben.
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Über dem Chorbogen prangt das Wappen der Familie Fugger. Graf Paul Fugger ließ die Kapelle 1685 errichten.
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