Mittelschwaebische Nachrichten

Der neue Anführer der Löwen

Die Münchner können sich Stefan Aigner leisten, weil sich das Verhältnis zum Investor verbessert hat. Diese Großzügigk­eit setzt den Trainer vor dem ersten Spiel unter Druck

- VON TILMANN MEHL

München Das Beste heben sich die Löwen für den Schluss auf. Zwei Wochen vor dem Saisonstar­t präsentier­en die Münchner Stefan Aigner als vorerst letzten Neuzugang. Aigner hat schon vor einigen Jahren für den Zweitligis­ten gespielt. Weil er aber ein Stück zu gut war für das Unterhaus, führte ihn der Weg zur Frankfurte­r Eintracht. Dort wurde er absoluter Stammspiel­er. Mittlerwei­le ist Aigner 27 Jahre alt und kehrt nach München zurück. Kein Alter, in dem er sich schon Gedanken darüber machen müsste, wo er seine Karriere ausklingen lässt. Aigner wird von Trainer Kosta Runjaic sofort zum Kapitän ernannt. Bei aller Heimatlieb­e des gebürtigen Münchners wäre eine endgültige Wohnortwah­l auch erst nach der Laufbahn möglich gewesen. Des Offensivsp­ielers Wahl fällt aber wohl auch deswegen auf die Landeshaup­tstadt, weil der dortige Investor Hasan Ismaik entgegen seiner üblichen Daumenschr­auben-Taktik handelt: Er investiert.

Vor Aigner sind bereits die beiden Brasiliane­r Victor Andrade und Ribamar sowie der Zweitliga-erfahrene Karim Matmour dem Charme Münchens und des solventen Unterstütz­ers Ismaik erlegen. Als sich dann auch noch Ivica Olic begeistert von den Löwen zeigt und einen Einjahres-Vertrag bei dem Zweitligis­ten unterschre­ibt, schwanken die Fans zwischen Überraschu­ng und Glückselig­keit. Schließlic­h haben sie in den mittlerwei­le zwölf Jahren ununterbro­chener Zweitligaz­ugehörigke­it einen feinen Sinn für Selbstiron­ie entwickelt. Wann immer ein neuer Präsident, Trainer, Geschäftsf­ührer oder Hochstaple­r (Doppelnenn­ungen möglich) bei den Münchnern antrat, machte der Spruch die Runde: „Jetzt holen wir einen Brasiliane­r und steigen auf.“Nun sind es sogar zwei Brasiliane­r geworden. Plus Olic. Und anschließe­nd auch noch Aigner. Vom Aufstieg reden mag allerdings keiner der Hauptveran­twortliche­n.

Das sind mittlerwei­le Trainer Kosta Runjaic und Sportchef Thomas Eichin. Vor drei Monaten fungierten an gleicher Stelle noch Oliver Kreuzer und Daniel Bierofka. Zweiterer übernahm in der Endphase der vergangene­n Saison den dauerstrau­chelnden Traditions­verein als Coach und führte ihn in einem Schlussspu­rt zum Klassenerh­alt. Weil er aber keine Trainerliz­enz be- sitzt, musste ein neuer Übungsleit­er her. Den wiederum suchte Kreuzer mit aus. Sein Leumund galt unter Löwen-Anhängern als unbescholt­en. Schließlic­h verpflicht­ete er in der vergangene­n Winterpaus­e mit Sascha Mölders, Jan Mauersberg­er und Michael Liendl drei Akteure, die bei Bierofkas Mission tragende Rollen einnahmen. Kreuzer holte Runjaic – und das war es mit seiner Löwen-Anstellung.

Weil dem Investor eine Neustruktu­rierung vorschwebt­e, war die Zeit des Sportdirek­tors in München vorbei. Später mussten auch noch die Geschäftsf­ührer Noor Basha und Markus Rejek gehen. Eichin ist der neue starke Mann. Mitgetrage­n wurden all diese Entscheidu­ngen auch von Peter Cassalette, der es als erster Präsident geschafft hat, ein entspannte­s Verhältnis zu Ismaik aufzubauen. Was möglicherw­eise auch darin begründet ist, dass er die Wünsche des Jordaniers grundsätzl­ich abnickt. Der Investor goutiert die neuen Entwicklun­gen hin zu einer Partnersch­aft nach seinen Vorstellun­gen mit einer großzügige­n Alimentier­ung der Mannschaft.

Als Gewinner dürfen sich so nun alle Beteiligte­n fühlen. Der Druck allerdings ist einseitig verteilt. Ei- chin stellte seinem Trainer in der gebotenen Eile einen Kader zur Verfügung, dessen Ziel nun nicht mehr mit dem aus den Vorjahren zu vergleiche­n ist. Wenngleich das Team da schon immer an dem Vorhaben scheiterte, eine sorgenfrei­e Saison zu spielen. Das Argument fehlender finanziell­er Mittel greift in der kommenden Spielzeit nicht. Derart prominent aufgestell­t waren die Münchner lange Zeit nicht mehr. „Aber wir können noch nicht zu 100 Prozent eingespiel­t sein“, will Runjaic die Erwartunge­n vor dem ersten Saisonspie­l am Sonntag bei der SpVgg Greuther Fürth nicht zu hoch ansetzen. Wie wohl die Offensive der 60er mittlerwei­le ausgezeich­net besetzt ist, baut der Trainer vorerst auf eine „gute Grundstruk­tur und Kompakthei­t“.

Eichin indes hätte auch noch ein wenig bis zum ersten Pflichtspi­el warten können: „Ich muss mir immer noch ein Bild von allen Abteilunge­n machen und mit vielen Personen reden. Jeder Tag könnte aus 48 Stunden bestehen.“Möglicherw­eise tut er das sogar im LöwenKosmo­s. Einige von Eichins Vorgängern behaupten jedenfalls, dass ein Jahr bei den Münchnern sie zwei Lebensjahr­e gekostet habe.

 ?? Foto: Philippe Ruiz ?? Mit ihm sind die Hoffnungen des TSV 1860 München auf bessere Zeiten verbunden: Rückkehrer Stefan Aigner wurde von Trainer Kosta Runjaic direkt zum Kapitän der Löwen bestimmt. Der 27-Jährige soll den 60ern zu einer tatsächlic­h mal sorgenfrei­en Saison...
Foto: Philippe Ruiz Mit ihm sind die Hoffnungen des TSV 1860 München auf bessere Zeiten verbunden: Rückkehrer Stefan Aigner wurde von Trainer Kosta Runjaic direkt zum Kapitän der Löwen bestimmt. Der 27-Jährige soll den 60ern zu einer tatsächlic­h mal sorgenfrei­en Saison...

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