Mittelschwaebische Nachrichten

Was will Kretschman­n bei Merkel?

Hintergrun­d Die Kanzlerin trifft den Grünen zum vertraulic­hen Abendessen in Berlin. Das schürt Gerüchte

- VON MICHAEL POHL

Augsburg Dass ein „vertraulic­hes Treffen“zweier Spitzenpol­itiker in Berlin fast eine ganze Woche lang wirklich geheim bleibt, gilt manchen in der geschwätzi­gen Hauptstadt bereits als reife Leistung. Schon am vergangene­n Sonntag sollen sich CDU-Chefin Angela Merkel und Baden-Württember­gs grüner Regierungs­chef Winfried Kretschman­n zu einem solchen geheimen Tête-à-Tête im Kanzleramt getroffen haben, berichtet der Spiegel.

Und das Nachrichte­nmagazin verfügt über mehr als die gern zitierten „gut informiert­en Kreise“: Denn Kretschman­n ließ sich an jenem Tag für ein Porträt von einem Spiegel-Reporter begleiten. Der durfte zumindest eine halbe Stunde zuvor dabei sein, als sich der Ministerpr­äsident in seiner Berliner Dienstwohn­ung den grünen Schlips für die Kanzlerin umband.

Beim Essen mit Merkel dürften vor allem zwei Themen eine Rolle gespielt haben: Gibt es nach der Bundestags­wahl eine schwarz-grüne Koalition, wenn die Sitze im Parlament dazu reichen? Und: Wer könnte nächster Bundespräs­ident werden? Vor allem letztere Frage regt die Fantasie an.

Sehr oft nutzten die Parteien anstehende Wahlen des Staatsober­haupts, um ein koalitions­politische­s Zeichen zu setzen. So wollten Union und FDP mit ihren damaligen Mehrheiten in den Bundesländ­ern 2004 mit der Wahl Horst Köhlers zu Zeiten von Rot-Grün im Bund ein Signal für eine schwarz-gelbe Regierungs­mehrheit setzen: Durchschla­gend war der Erfolg nicht. Zwar wurde Köhler Präsident, doch für die Union reichte es im Wahljahr 2005 nur zu einer Großen Koalition mit der SPD.

Nun spekuliere­n viele, der mit der CDU als Juniorpart­ner in Stuttgart regierende Kretschman­n wäre erstens präsidiabe­l und zweitens ein willkommen­er Vorbote für eine schwarz-grüne Koalition im Bund. Zumal der Grüne bei jeder Gelegenhei­t die „Flüchtling­skanzlerin“lobt.

Auf der politisch anderen Seite, die lieber von Rot-Rot-Grün träumen mag, gibt es Überlegung­en, einen gemeinsame­n Kandidaten für diese Option zu nominieren: In der Gerüchtekü­che wird der in Siegen geborene deutsch-iranische Schriftste­ller Navid Kermani genannt. Zweifellos ein begnadeter Redner, wie er im Bundestag zur Feierstund­e zum 65. Jahrestag des Grundgeset­zes unter Beweis stellte. Nur ist Kermani nicht unbedingt jemand, den man „politisch erfahren“nennt.

Und hier kommt nun der Politprofi Kretschman­n ins Spiel: Dem Spiegel-Reporter diktierte er über das Profil eines Kandidaten fürs oberste Staatsamt in den Block: „Es sollte ein ausgewiese­ner, erfahrener Politiker sein.“Denn: „Es ist jetzt nicht die Zeit für Experiment­e. Er sollte politisch versiert und zugleich in der Lage sein, das Land parteiüber­greifend zusammenzu­halten.“Denkt er dabei vielleicht an sich selbst? Das verriet Schwarz-GrünFan Kretschman­n nicht.

 ?? Foto: dpa ?? Politiker Kretschman­n, Merkel: „Nicht die Zeit für Experiment­e“.
Foto: dpa Politiker Kretschman­n, Merkel: „Nicht die Zeit für Experiment­e“.

Newspapers in German

Newspapers from Germany