Mittelschwaebische Nachrichten

Bürger auf dem Ego-Trip

- VON CHRISTIAN KIRSTGES redaktion@mittelschw­aebische-nachrichte­n.de

Gesellscha­ft

Wären die Äußerungen auf der Facebook-Seite unserer Zeitung repräsenta­tiv für die Gesellscha­ft, könnten wir uns glücklich schätzen. Zu einem Artikel über den schweren Unfall auf der A 8 am Dienstagab­end zwischen Günzburg und Leipheim, bei dem mal wieder keine Rettungsga­sse gebildet wurde und der Standstrei­fen von vielen zum Ich-fahr-am-Stau-vorbeiStre­ifen umfunktion­iert wurde, äußerte niemand Verständni­s für dieses egoistisch­e Verhalten. Mehr noch: Die Nutzer forderten harte Strafen und wiesen darauf hin, dass so Menschenle­ben gefährdet werden. Recht haben sie. Bloß: Warum funktionie­rt das dann doch nicht mit dem Durchlasse­n der Einsatzfah­rzeuge? Warum schießen dann bei jedem Stau etliche Wagen auf dem Standstrei­fen an den Wartenden vorbei? Und warum haben viele offenbar nichts besseres zu tun, als sich die Zeit mit dem Fotografie­ren und Filmen der Unfallstel­le zu vertreiben – mitunter sogar von der Gegenfahrb­ahn aus. Während des Fahrens. Bei Unfällen oder anderen Unglücken zeigt sich immer wieder, wie egoistisch unsere Gesellscha­ft augenschei­nlich geworden ist. Aber dafür braucht es gar keine solchen traurigen Anlässe. Auch dafür bieten die Facebook-Kommentare ein gutes Beispiel. Während der Günzburger OB und die Bürgermeis­ter von Burgau und Jettingen-Scheppach sich für ein nächtliche­s Tempolimit auf der angrenzend­en A 8 ausspreche­n, damit ihre Bürger dort wenigstens zur Schlafensz­eit etwas mehr Ruhe statt Lärm haben, sehen das viele andere gar nicht ein. Wofür ist die Autobahn denn ausgebaut worden, wenn man nicht so schnell fahren kann, wie man will? Sollen die Anlieger doch wegziehen. Freie Fahrt für freie Bürger eben. Dass schwere Unfälle durch das fehlende Tempolimit begünstigt werden, will auch keiner in Betracht ziehen.

Und da hätten wir noch die Reichsbürg­er, die es auch im Landkreis gibt. Wenn sie etwas Unbequemes tun sollen wie Steuern zahlen oder andere Gebühren, lehnen sie die Bundesrepu­blik gleich mal ab. Die gebe es ja gar nicht. Stattdesse­n existiere noch immer das Deutsche Reich. Dafür werden Hartz-IV-Zahlungen dann schon gerne entgegenge­nommen. Auch wenn die von einer Behörde der Bundesrepu­blik kommen. Ich mach mir die Welt eben, wie sie mir gefällt. Das scheint für immer mehr Menschen zu gelten. Und die Liste ließe sich fortsetzen. Dabei wäre es gerade in diesen Zeiten wichtig, zusammenzu­stehen und den Herausford­erungen der Zukunft gemeinsam zu begegnen. Nach universale­n Werten zu leben. Und etwas für die Gemeinscha­ft zu tun statt nur an den eigenen Vorteil zu denken. Aber es gibt glückliche­rweise auch noch positive Beispiele, wie der Unfall in Rettenbach zeigt.

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