Mittelschwaebische Nachrichten
Bürger auf dem Ego-Trip
Gesellschaft
Wären die Äußerungen auf der Facebook-Seite unserer Zeitung repräsentativ für die Gesellschaft, könnten wir uns glücklich schätzen. Zu einem Artikel über den schweren Unfall auf der A 8 am Dienstagabend zwischen Günzburg und Leipheim, bei dem mal wieder keine Rettungsgasse gebildet wurde und der Standstreifen von vielen zum Ich-fahr-am-Stau-vorbeiStreifen umfunktioniert wurde, äußerte niemand Verständnis für dieses egoistische Verhalten. Mehr noch: Die Nutzer forderten harte Strafen und wiesen darauf hin, dass so Menschenleben gefährdet werden. Recht haben sie. Bloß: Warum funktioniert das dann doch nicht mit dem Durchlassen der Einsatzfahrzeuge? Warum schießen dann bei jedem Stau etliche Wagen auf dem Standstreifen an den Wartenden vorbei? Und warum haben viele offenbar nichts besseres zu tun, als sich die Zeit mit dem Fotografieren und Filmen der Unfallstelle zu vertreiben – mitunter sogar von der Gegenfahrbahn aus. Während des Fahrens. Bei Unfällen oder anderen Unglücken zeigt sich immer wieder, wie egoistisch unsere Gesellschaft augenscheinlich geworden ist. Aber dafür braucht es gar keine solchen traurigen Anlässe. Auch dafür bieten die Facebook-Kommentare ein gutes Beispiel. Während der Günzburger OB und die Bürgermeister von Burgau und Jettingen-Scheppach sich für ein nächtliches Tempolimit auf der angrenzenden A 8 aussprechen, damit ihre Bürger dort wenigstens zur Schlafenszeit etwas mehr Ruhe statt Lärm haben, sehen das viele andere gar nicht ein. Wofür ist die Autobahn denn ausgebaut worden, wenn man nicht so schnell fahren kann, wie man will? Sollen die Anlieger doch wegziehen. Freie Fahrt für freie Bürger eben. Dass schwere Unfälle durch das fehlende Tempolimit begünstigt werden, will auch keiner in Betracht ziehen.
Und da hätten wir noch die Reichsbürger, die es auch im Landkreis gibt. Wenn sie etwas Unbequemes tun sollen wie Steuern zahlen oder andere Gebühren, lehnen sie die Bundesrepublik gleich mal ab. Die gebe es ja gar nicht. Stattdessen existiere noch immer das Deutsche Reich. Dafür werden Hartz-IV-Zahlungen dann schon gerne entgegengenommen. Auch wenn die von einer Behörde der Bundesrepublik kommen. Ich mach mir die Welt eben, wie sie mir gefällt. Das scheint für immer mehr Menschen zu gelten. Und die Liste ließe sich fortsetzen. Dabei wäre es gerade in diesen Zeiten wichtig, zusammenzustehen und den Herausforderungen der Zukunft gemeinsam zu begegnen. Nach universalen Werten zu leben. Und etwas für die Gemeinschaft zu tun statt nur an den eigenen Vorteil zu denken. Aber es gibt glücklicherweise auch noch positive Beispiele, wie der Unfall in Rettenbach zeigt.