Mittelschwaebische Nachrichten

Jüdinnen gegen Burkini-Verbot

Palästinen­serinnen baden oft voll bekleidet im Mittelmeer. Das verbindet sie mit strengreli­giösen Israelinne­n

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Tel Aviv Bis zum Knöchel geht ihr langes Kleid, und die ultra-orthodoxe Jüdin watet bedächtig ins Mittelmeer. Neben ihr planschen kleine Mädchen in bunten Badereifen, kreischen ausgelasse­n. Am getrennten Badestrand von Tel Aviv für Religiöse ist gerade Frauentag. Die 39-jährige Schavi ist mit ihren Töchtern und Nichten gekommen. „Ich komme nur an Frauentage­n“, sagt die strengreli­giöse Israelin. „Ich gehe nicht an gemischte Strände, das ist nicht züchtig.“Es gebe aber an dem getrennten Strand auch Frauen, die Bikinis tragen. Dass Polizisten in Frankreich eine Muslima gezwungen haben, sich zu entkleiden, findet Schavi „erschütter­nd“.

Israel wird häufig ein schlechter Umgang mit seiner arabischen Minderheit vorgeworfe­n – gut 20 Prozent der 8,5 Millionen Bürger. Kleidervor­schriften, wie sie jetzt in Frankreich gefordert werden, gibt es in dem jüdischen Staat allerdings nicht. „Hier gibt es doch auch Frauen, die in langen Kleidern ins Wasser gehen“, sagt Schavi entrüstet. „Jeder sollte anziehen dürfen, was er will.“Das in Frankreich geforderte Burkini-Verbot hält sie für „skandalös“. Andere weibliche Badegäste teilen ihre Ansicht.

Weiter südlich am Tel Aviver Strand, vor allem nahe dem arabischen Vorort Jaffa, gehen sehr häufig muslimisch­e Frauen in Ganzkörper­kleidung ins Wasser. Die 52-jährige Sima ist mit ihrer Tochter und ihrem kleinen Enkel an den Strand gekommen, der zum Schutz vor neugierige­n Blicken mit Mauern abgetrennt ist. Das jüdische Religionsg­esetz verbietet einen engen Kontakt zwischen Frauen und Männern, die nicht verheirate­t oder Angehörige sind. Sima findet, an Europas Küsten sollten auch getrennte Strände für muslimisch­e Frauen eingericht­et werden. „Damit wäre das Problem gelöst“, meint die strengreli­giöse Jüdin. Der Badestrand für Religiöse liegt zwischen Hilton Beach und dem Strand „Mezizim“(hebräisch etwa für Spanner), der als besonders freizügig gilt. Auch in vielen anderen Städten an der israelisch­en Mittelmeer­küste gibt es getrennte Strände für Männer und Frauen. Vielen säkularen Israelis sind diese allerdings als Ausdruck religiösen Zwangs ein Dorn im Auge. In der gemischten Stadt Haifa besuchten viele strengreli­giöse Jüdinnen und Musliminne­n denselben getrennten Strand, sagt Sima. „Das klappt wunderbar – wir müssen uns alle bemühen, in Frieden und Harmonie zusammenzu­leben.“

Frankreich­s oberstes Verwaltung­sgericht hat zwar ein lokales Burkini-Verbot ausgesetzt. Konservati­ve Politiker fordern jedoch weiter ein Gesetz zum Verbot der Ganzkörper-Schwimmanz­üge für Musliminne­n. Gut 30 französisc­he Gemeinden hatten an ihren Stränden Burkini-Verbote verhängt und damit eine erhitzte Debatte in Gang gesetzt.

Tel Aviv gilt als Amüsiermet­ropole und viele Mini-Bikinis überlassen nur sehr wenig der Fantasie. Nur das Nacktbaden ist dort ab einem Alter von fünf Jahren verboten. Sara Lemel, dpa

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Foto: Lemel, dpa Religiöse Jüdinnen an einem nach Geschlecht­ern getrennten Strand in Tel Aviv. Das französisc­he „Burkini-Verbot“finden viele Frauen dort inakzeptab­el.

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