Mittelschwaebische Nachrichten

Mit Axt und Bolzenschn­eider

Drogenproz­ess am Landgerich­t Ingolstadt: Es geht um Erpressung im Eichstätte­r Milieu

- VON STEFAN KÜPPER

Ingolstadt Eine Platzpatro­ne und eine echte. Die Platzpatro­ne soll er schlucken. Falls er das nicht macht, kriegt er die echte ins Knie. Die dazu notwendige silbern-schwarze Pistole liegt bereit. Nur eine Schrecksch­usswaffe zwar, aber in Anbetracht der Umstände dürfte das kaum zu erkennen gewesen sein.

Die Umstände sind die: Der Mann, der im Juni vergangene­n Jahres in dem Zimmer einer Eichstätte­r Wohnung sitzt, soll Schulden zurückzahl­en. Geld für Drogen und ein Handy. Rund 2000 Euro. Weil er, sollte es denn so gewesen sein, mit der Rückzahlun­g aber im Verzug war, ist er nun hier, in diesem Zimmer. Vor sich den Typ mit der Pistole und noch vier andere junge Männer. Er wird später noch die ein oder andere „Respektsch­elle“bekommen, wie es heißt. Eine kleine scharfe Axt ist in die Tischplatt­e geschlagen worden und ein Bolzenschn­eider liegt bereit.

Damals im Frühsommer waren die Männer in diesem Zimmer wohl mehr oder weniger auf Droge. Gestern saßen sie und ein sechster, der eine ambivalent­e Rolle hat, auf der Anklageban­k des Landgerich­ts Ingolstadt. Inzwischen sind alle nüchtern, fünf in U-Haft. Und sie müssen sich wegen Drogenhand­els und räuberisch­er Erpressung verantwort­en. Der Sechste wegen Beihilfe. Das wirft ihnen die Staatsanwa­ltschaft Ingolstadt vor. Mit unterschie­dlicher Beteiligun­g sollen sie an den eskalieren­den Vorgängen beteiligt gewesen sein, die letztlich in dem Zimmer mit einer Zahlungszu­sage des Bedrohten endeten. Wenig später taucht die Polizei auf.

Die Geschichte beginnt im Spätsommer 2015. Alle kennen sich aus dem Milieu. Einer beschließt, sein Entlassung­sgeld aus dem Gefängnis in Rauschmitt­el zu investiere­n. Für 1000 Euro soll er laut Anklage im Herbst dann 100 Gramm Amphetamin gekauft haben und diese dem, der später die Patrone schlucken soll, auf Kommission überlassen haben. Der soll das Geld und einen weiteren Tausender für ein Handy aber schuldig geblieben sein. Es begann eine unschöne Zeit.

Ob sein Leben tatsächlic­h in Gefahr war und was sich genau zutrug, will die 5. Strafkamme­r unter Vorsitz von Richter Thomas Denz bis Ende April herausbrin­gen. Die jungen Männer sind nur teilweise geständig. Der Hauptangek­lagte erzählte eine Variante, die sich deutlich harmloser anhörte als in der Anklage. Wirklich etwas antun wollen, habe man dem Schuldner nicht. Die Reaktion der Richter auf diese Version der Wahrheit war mindestens skeptisch. Der Mann mit Pistole und Axt hat die Vorwürfe gestern eingeräumt. Auch die Sache mit den Patronen. Als er danach des Schuldners kleinen Finger in den Bolzenschn­eider legte, habe er allerdings nur „sanften Druck“ausgeübt. „Umbringen wollte ich ihn nicht.“Um überzeugen­d zu wirken, habe er vorher noch Amphetamin genommen, wie er sagte: „Keine halben Sachen.“

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