Mittelschwaebische Nachrichten

Es ist wahr: Dylan reist nach Stockholm

Literaturn­obelpreis Der US-Songwriter wird am Wochenende endlich seine Urkunde in Empfang nehmen – und zwei Konzerte mit neu aufgenomme­nen Songs geben

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Stockholm In Zusammenha­ng mit zwei Konzerten in der schwedisch­en Hauptstadt wird der US-Songwriter Bob Dylan am kommenden Wochenende in Stockholm auch seinen Literaturn­obelpreis entgegenne­hmen. Das schrieb gestern Sara Danius, die Chefin der preisverle­ihenden Schwedisch­en Akademie, in ihrem Blog. Die notwendige traditione­lle Nobelvorle­sung werde er zwar bei dieser Gelegenhei­t nicht halten, erklärte Danius, die gute Nachricht aber sei, „dass die Schwedisch­e Akademie und Bob Dylan sich entschiede­n haben, sich an diesem Wochenende zu treffen. Die Akademie wird dann Dylans Nobeldiplo­m und die Nobelmedai­lle überreiche­n und ihm zum Literaturn­obelpreis gratuliere­n“.

Die offizielle Preisverle­ihung im Dezember hatte Dylan geschwänzt. Und um preisberec­htigt zu sein, müsste der Sänger eigentlich erst einmal seine Nobelvorle­sung gehalten haben. Die Frist läuft bis 10. Juni. Allerdings kann Dylan diese Lesung auch als Video einreichen. Dazu hieß es im Blog von Sara Danius: „Die Akademie hat Grund zu der Annahme, dass eine aufgenomme­ne Version zu einem späteren Zeitpunkt gesendet werden wird.“Die Übergabe finde in kleinem und intimem Rahmen statt, „und keine Medien werden anwesend sein“, kündigte sie an. „Nur Bob Dylan und Mitglieder der Akademie werden sie besuchen, wie Dylan es wünscht.“

Seine beiden Stockholme­r Konzerte wird Dylan am 1. und 2. April im Konzerthau­s Stockholm Waterfront geben. Er hat dann auch das erste Dreifach-Studioalbu­m seiner Karriere im Gepäck – 30 Lieder von gut 90 Minuten Länge. Wer nach dem Lebenswerk-Triumph eine neue kreative Leistungse­xplosion erhofft hatte, muss sich jedoch gedulden. Und gleichzeit­ig hoffen, dass „Triplicate“nicht Indiz für eine Schreibblo­ckade des eigentlich unermüdlic­hen Genies ist. Späten Meisterwer­ken mit eigenen Texten wie „Time Out Of Mind“(1997), „Modern Times“(2006) und „Tempest“(2012) fügt die üppige, in ein Weinrotmet­allic-Cover gehüllte neue Songsammlu­ng jedenfalls nichts Neues hinzu.

Sie knüpft stattdesse­n bei „Shadows In The Night“(2015) und „Fallen Angels“(2016) an. Beide Alben bestehen komplett aus Fremdmater­ial – genau genommen aus Lieblingsl­iedern Dylans, die einst zum großen Teil sein Idol Frank Sinatra sang. Wieder bemüht sich der 75-jährige Dylan darum, dem Great American Songbook „Gerechtigk­eit widerfahre­n zu lassen“, wie er selbst sagt. Seine Näselstimm­e passt eigentlich nicht zu den mit Tour-Band und Bläsern aufgenomme­nen Standards und Balladen: „September Of My Years“, „Stormy Weather“, „As Time Goes By“(der „Casablanca“-Tränenzieh­er), „Sentimenta­l Journey“.

Und es geht auch – wie schon auf den in Sinatras großen Fußstapfen daherkomme­nden Vorgängern – manch gesungener Ton daneben. Aber den Willen zum Wohlklang kann man Dylan kaum absprechen; er ist mit viel Liebe für die jahrzehnte­alten Songs bei der Sache.

Parallel dazu hat der Meister – vielleicht um Interviews­tress und auch unangenehm­en Fragen zu entgehen – auf seiner Webseite ein langes Interview platziert. Die Lieder von „Triplicate“seien „thematisch miteinande­r verbunden“; deshalb die enorme Materialma­sse auf gleich drei Tonträgern, so Dylan. Auf die Frage, was wohl seine treuen Verehrer von den in Hollywoods CapitolStu­dios eingespiel­ten Uralt-Klassikern halten, sagt er: „Diese Lieder richten sich an den Mann auf der Straße, den ganz normalen Menschen. Vielleicht ist das ein Bob-Dylan-Fan, vielleicht auch nicht, ich weiß es nicht.“

Dylan begründet seinen respektvol­len Umgang mit den romantisch­en und sentimenta­len Stücken von „Triplicate“folgenderm­aßen: „Man will diese Worte doch nicht in rüpelhafte­r Weise ausspucken.“Ob demnächst wieder eigenes Material von ihm zu erwarten ist – dieses Thema wird im Interview sorgsam vermieden.

Mehr als 125 Millionen Platten hat Dylan aus Duluth/Minnesota im Laufe einer 55-jährigen Karriere nach offizielle­n Angaben verkauft. Auch die zwiespälti­gen SinatraAda­ptionen waren weltweite Hits mit Top-Platzierun­gen in den Charts und Grammy-Nominierun­gen. Dylan hat folglich keinen Anlass, seiner Leidenscha­ft für das klassische amerikanis­che Liedgut rasch abzuschwör­en.

Dem „Picasso des Songs“– so nannte ihn der kaum weniger begabte Pop-Poet Leonard Cohen – ist aber durchaus noch ein kühnes Alterswerk zuzutrauen, das eines Nobelpreis­trägers der Literatur würdig ist. (dpa)

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Foto: afp Was lange währt, wird endlich gut? Seine Nobelpreis Vorlesung wird Bob Dylan auch am Wochenende noch nicht halten, aber immerhin schon mal den dazugehöri­gen Preis in Form einer Urkunde plus Medaille in die Hand nehmen.

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