Mittelschwaebische Nachrichten

Vertraulic­hkeiten aus dem Atelier

Zwei Leidenscha­ften bewegten Sven Kroner schon als Jugendlich­en in Kaufbeuren: Malerei und Natur. Also ist eigentlich zwangsläuf­ig, dass sich in seinen Gemälden viele Landschaft­en finden. Aber nicht nur…

- VON RICHARD MAYR

Kaufbeuren/Neuss Angefangen hatte alles mit einem Aquarellka­sten. Ein Geschenk des Schwagers, denkbar harmlos. Wer glaubt schon daran, dass so einem Aquarellka­sten enorme Bedeutung zuwachsen kann? Mit den Aquarellfa­rben malte der Künstler in spe, was ihm wichtig war, was ihn beschäftig­te – zum Beispiel die Platten-Cover seiner Lieblingsb­ands oder Landschaft­en im Urlaub. Das unterschie­d sich nicht von dem, was andere Hobbymaler treiben. Und Sven Kroner besuchte damals auch noch einen Aquarellku­rs an der Volkshochs­chule; er, der Kemptener, der den Großteil seiner Schulzeit in Kaufbeuren verbrachte. In den späten 1980er Jahren war die Kunst für Kroner eine Leidenscha­ft, eine, die ihn immer mehr vereinnahm­te und auch umkrempelt­e als Menschen.

Heute malt der 43-Jährige nicht mehr im Kaufbeurer Reihenhaus­Keller auf seinen Leinwänden, heute radelt er von Neuss zu einer alten Fabrikhall­e in Düsseldorf, wo er seit 20 Jahren arbeitet. In seinem Lager finden sich noch Arbeiten, die er als Schüler von Dieter Krieg an der Kunstakade­mie in Düsseldorf schuf. Große, ja riesenhaft­e Leinwände, auf denen er mit schnellen Pinselstri­chen Jungs am Pissoir malte.

Die Farben mussten nass sein und fließen, er hatte für jedes Bild nur einen Tag Zeit. „Diese Arbeiten gehören zum Werk“, sagt er heute. Da fing sein Weg als profession­eller Künstler an, der ihn zu Einzelauss­tellungen nach Amsterdam, Paris und New York bei renommiert­en internatio­nalen Galerien führte – und auf große Kunstmesse­n. Seine großen Bilder kosten so viel wie ein Neuwagen, und sie hängen in Sammlungen unter anderem in den USA, in Frankreich, England, Holland, Russland und natürlich Deutschlan­d.

Vor ein paar Jahren sagte Kroner einmal über sich: „Ich hatte nur zwei Möglichkei­ten, entweder Förster oder Künstler.“Die Natur war seine zweite große Leidenscha­ft, die ihn in der Jugend umtrieb: Entweder malte er im Atelierkel­ler stundenlan­g, auch an Schultagen bis weit nach Mitternach­t, oder er erging sich in den Wäldern um Kaufbeuren herum. Dort kannte er auch kleinste Lichtungen, Tierpfade durch den Morast und die besten Pilzsammel­stellen.

Dieses Gefühl für die Natur hat sich Sven Kroner eingebrann­t. Sein Werk als Künstler ist voller Landschaft­en, die einen Dreh entweder zum Unheimlich­en oder zum Ironischen zeigen. Die Perspektiv­en sind verzerrt; der Betrachter glaubt manchmal, mit Lawinen Bergrücken hinabzurut­schen. Zudem hat die Zivilisati­on überall Spuren hinterlass­en: Die Pfeiler der Seilbahn rosten im Bergnebel; an der Höhle des Neo-Steinzeitm­enschen steht ein alter Plastik-Klappstuhl; auf der Autobahn wachsen junge Bäume; Schrottwag­en stehen herum. Die Natur ist bei Kroner bedroht, sie hat aber auch etwas Wildes, das den Menschen einschücht­ern kann.

Als Kroner Gastprofes­sor an der Bauhaus-Universitä­t in Weimar war, regten ihn Studenten auf, die „schöne Bilder“malen wollten. „Das ist schon lange keine Kategorie mehr für die Kunst“, sagt er. Gleichzeit­ig ermunterte er dort alle, dasjenige zum Thema des Schaffens zu machen, hinter dem man selbst steht, was man verkörpert. Aus diesem Grund kann Kroner nicht einfach zum Pinsel greifen und sich als Künstler politisch in aktuelle Debatten einmischen. „Das wäre nicht ehrlich für mich“, sagt er, es wäre aufgesetzt.

So bekommt man in Kroners Werk den Eindruck, dass die Motive und Ideen alle erst im Abstand von ein paar Jahren Eingang ins Werk finden – wenn sie fester Bestandtei­l seiner Erinnerung geworden sind und sich als dauerhaft und substanzie­ll erwiesen haben. „Was ich male, hat immer mit dem Blick in eine andere Zeit zu tun“, sagt er. Einerseits weisen die Bilder zurück, weil Kroner seine Motive in seiner Jugend findet, etwa in Berglandsc­haften, die er auf ungezählte­n Touren als Kind und Jugendlich­er mit seinen Eltern erwanderte. Auch das hügelige Allgäu und Reihenhaus-Bilder aus Kaufbeuren sind ein Blick zurück, dazu seine beiden Kinder. Anderersei­ts schaut Kroner aber auch nach vorn, wirken seine Landschaft­en wie ein Blick in eine Zukunft, in der die technische Welt kollabiert ist und die Menschen wieder in Höhlen leben. Mitunter aber scheinen auch geisterhaf­te Kräfte in Kroners Bildwelten zu wirken, dann können Schiffe fliegen. Einen Querschnit­t aus seinem Werk zeigt gerade das Kunsthaus Kaufbeuren in der Ausstellun­g „Perfect World“.

Doppelbödi­g jedenfalls sind alle seine Arbeiten. Als ein moderner Landschaft­s- und Naturmaler wird er immer bezeichnet. Wer sich seinen Leinwänden aber nähert, dem lösen sich die Figuren und Dinge unter dem Sehen in reine, bedeutungs­lose Farbfläche­n auf. Aus der Nähe betrachtet sind Kroners Arbeiten abstrakte Bilder, reine Malerei. Hinzu kommen als ständige Begleiter auch Witz, Ironie und in seinen aktuellen Arbeiten zum Teil auch surreale Anmutungen –etwa wenn ein Schneemann vor einer Winterland­schaft steht, die sich als Fototapete eines Atelierzim­mers entpuppt, in dem die Gesetze der Welt durch die Malerei aufgehoben sind.

Auf einem seiner ersten Akademie-Feste in Düsseldorf, Kroner stand hinter der Bar, lernte er seine künftige Frau Simone Lucas kennen, später ebenfalls Schülerin von Dieter Krieg. Beide haben eine Familie gegründet, beide arbeiten im selben Atelier; zwei Künstler, die sich mitunter schonungsl­os sagen, was an den Bildern des anderen (noch) nicht funktionie­rt. So treiben sie sich ständig gegenseiti­g an.

Gearbeitet wird im Atelier im Idealfall an sechs Tagen in der Woche. Dieses Selbstvers­tändnis ist die Grundlage für alles. Der übliche Bürokram jedes Selbststän­digen wird als Ablenkung begriffen. Gerade eben sind es die finalen Absprachen für einen 160-seitigen Bildband im Verlag Hatje Cantz, die Kroner führt. Das Buch soll im Juni erscheinen. Viel lieber jedoch radelt Kroner in seine Fabrikhall­e. „Im Augenblick male ich Atelierbil­der“, erzählt er. Mittlerwei­le braucht er auch sehr viel länger für seine großformat­igen Gemälde. Die Acryl-Bilder leben von ihren Details, von ihrer Genauigkei­t, auch vom Spiel mit dem Licht. Das kann der Künstler nicht an einem Tag malen. Zwei Wochen können so für eine großformat­ige Leinwand schon zusammenko­mmen. Und dann kann es manchmal auch passieren, dass sie dem Künstler nicht gefällt. Für Kroner sind also die drei Monate bis zu seiner nächsten Ausstellun­g in seiner Stammgaler­ie Fons Welters in Amsterdam kein langer Zeitraum. Maximal sechs neue Bilder. So wird im Atelier gerechnet.

Ausstellun­g Das Kunsthaus Kaufbeu ren zeigt noch bis 30. April die Schau „Perfect World“, in der Arbeiten von Sven Kroner, Christian Hellmich und Pere Llobera zu sehen sind. Die Öffnungsze­iten sind Dienstag bis Sonntag von 11 bis 18 Uhr, donnerstag­s von 10 bis 20 Uhr.

 ?? Foto: Anne Marie von Sarosdy ?? Sven Kroner in seinem Atelier in Düsseldorf: Im Hintergrun­d ist eine Arbeit aus seiner aktuellen Serie zu sehen; Atelierbil­der nennt er sie.
Foto: Anne Marie von Sarosdy Sven Kroner in seinem Atelier in Düsseldorf: Im Hintergrun­d ist eine Arbeit aus seiner aktuellen Serie zu sehen; Atelierbil­der nennt er sie.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany