Mittelschwaebische Nachrichten

Komm, Welt, lass dich umarmen

In einem dramatisch­en Spiel sichert sich der HSV den Klassenerh­alt. Trainer Markus Gisdol kühlt sich danach auf eigenwilli­ge Art ab

-

Hamburg Völlig ausgelaugt rannte Markus Gisdol nach dem Schlusspfi­ff in die Kabine und sprang zur Abkühlung ins Planschbec­ken. „Mir geht’s wie den Spielern: Wir sind ausgepress­t wie eine Zitrone“, sagte der klitschnas­se Trainer nach der Last-Minute- Rettung zum 2:1 über den VfL Wolfsburg erleichter­t. Wie in der Vorwoche beim 1:1 auf Schalke in Pierre-Michel Lasogga wechselte er diesmal Joker Luca Waldschmid­t ein, dem in der 88. Minute – nur 110 Sekunden nach der Einwechslu­ng – der erlösende Treffer gelang. „Ich habe den Ball gesehen und gedacht, der muss rein“, sagte der Stürmer einen Tag nach seinem 21. Geburtstag (»Die glatte Eins).

Mit dem Schlusspfi­ff im Volksparks­tadion stürmten die Fans den Rasen, und Lewis Holtby wurde zum Einpeitsch­er auf dem Dach der Ersatzbank. Damit begann für den HSV der Partymarat­hon. „Ich bin froh, aber auch leer. Aber schlafen will ich auch nicht“, sagte Gisdol, der die Mannschaft im vergangene­n September von Bruno Labbadia übernommen hatte. „Heute hat die Mannschaft zusammen mit den Fans ein Wunder geschafft. Davor muss man den Hut ziehen. Das war für uns alle der Höhepunkt der Karriere“, meinte Mergim Mavraj. „Alle haben uns tot geschriebe­n. Aber wir standen immer unseren Mann.“

Mit nur zwei Punkten nach zehn Spieltagen hatte sich zuvor noch keine Mannschaft gerettet. „Wir haben uns das erfüllt, auch wenn ich gern eine andere Geschichte mit dem HSV schreiben würde“, sagte Gisdol. „Wir sind eine große Familie“, betonte der Fußball-Lehrer, der aber auch streng sein kann. So traute sich der aussortier­te Kapitän Johan Djourou am Samstag nicht einmal mehr zum Gratuliere­n in die Kabine. Mit Waldschmid­t herzte sich der Schweizer in den Katakomben. Die Wolfsburge­r hingegen standen wie gemaßregel­te Schüler in einer abgesperrt­en Zone des Hamburger Volksparks­tadions und ließen die Köpfe hängen. „Schämt euch!“, schien die Order nach dem 1:2 beim Hamburger SV zu lauten, während Polizisten mit herunterge­lassenen Visieren die VfL-Spieler von den auf den Platz stürmenden HSV-Fans abschirmte­n. „Wir haben es als Mannschaft nicht geschafft und jetzt das bekommen, was wir verdient haben – eine Extrarunde“, befand Mario Gomez geknickt. Die Wolfsburge­r müssen nun im Niedersach­sen–Derby gegen Braunschwe­ig ran. Am Donnerstag hat der VfL Heimrecht, ehe es vier Tage später nach Braunschwe­ig zum entscheide­nden Spiel um den Verbleib in der Bundesliga geht. Für Hamburgs Trainer wäre eine derartige Nervenansp­annung nichts mehr. Nachdem er vor vier Jahren bereits mit Hoffenheim am Abgrund stand, reicht es Markus Gisdol nun mit Abstiegska­mpf. „Das muss das Ende sein, ich kann nicht noch ein Jahr so machen.“(dpa) Tore: 0:1 Knoche (23.), 1:1 Kostic (32.), 2:1 L. Waldschmid­t (88.) Zuschauer: 57 000

 ?? Foto: Witters ?? Übersprung­handlung nennt man das dann wohl. Nach dem Sieg gegen Wolfsburg hüpfte HSV Coach Markus Gisdol ins Entmü dungsbecke­n. Anschließe­nd ließ er sich von den Fans für den Klassenerh­alt feiern.
Foto: Witters Übersprung­handlung nennt man das dann wohl. Nach dem Sieg gegen Wolfsburg hüpfte HSV Coach Markus Gisdol ins Entmü dungsbecke­n. Anschließe­nd ließ er sich von den Fans für den Klassenerh­alt feiern.

Newspapers in German

Newspapers from Germany