Mittelschwaebische Nachrichten

Darmkrebs kann auch über das Blut streuen

Mit Gentests können Forscher nun zeigen, ob ein Tumor von einem anderen Organ abstammt oder sich neu gebildet hat

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Boston Darmkrebs kann auch an Lymphknote­n vorbei in Organe hineinstre­uen. Einen Beleg dafür haben US-Forscher mit einem genetische­n Stammbaum der Metastasen erbracht. So könne dieser Krebs über die Blutbahn vor allem in die Leber gelangen, schreiben Kamila Naxerova von der Harvard Medical School in Boston und Kollegen im Fachjourna­l Science. „Das ist wissenscha­ftlich ein großer Durchbruch“, sagte Hellmut Augustin vom Deutschen Krebsforsc­hungszentr­um in Heidelberg.

Die Forscher nutzen ein bereits früher entwickelt­es Verfahren: Im Erbgut gibt es besonders leicht mutierende Aneinander­reihungen des Bausteins Guanin, die kein Bauplan für ein Protein sind und sich selbst innerhalb eines Tumors unterschei­den. Das Team untersucht­e von 17 Patienten mit Krebs im Dickdarm oder Mastdarm 213 Gewebeprob­en aus drei Regionen: aus dem Primärtumo­r, aus Metastasen in Lymphknote­n und aus weiter entfernten Metastasen. Bei elf Patienten (65 Prozent) fanden die Forscher genetische Unterschie­de zwischen den Metastasen im Lymphknote­n und den weiter entfernten Metastasen.

Das sei ein starker Beleg für eine unabhängig­e Entstehung­sgeschicht­e beider Typen: Sie könnten aus verschiede­nen Tumor-Regionen stammen. Zudem könnten weiter entfernte Metastasen an den Lymphknote­n vorbei in andere Körperteil­e gelangt sein, etwa über die Blutbahn. Bei sechs Patienten (35 Prozent) gab es kaum einen Unterschie­d zwischen Metastasen im Lymphknote­n und weiter entfernten.

Mit dem genutzten Verfahren lasse sich zwar nicht unterschei­den, ob sich diese Metastasen beide aus derselben Tumorregio­n heraus entwickelt haben oder ob die fernen Metastasen von denen im Lymphknote­n abstammen, schreiben die Autoren. Es gebe bei diesen Patienten jedoch viele Hinweise für eine Abspaltung der fernen Metastasen aus solchen im Lymphknote­n. Bereits früher haben Forscher laut Augustin gezeigt, dass Tumore sowohl über Lymphgefäß­e als auch Blutgefäße streuen können. „Es ist bei weitem nicht so, dass Metastasen­bildung immer über Lymphknote­n verläuft. Man konnte dies bislang aber nicht so gut zeigen. Zum definitive­n Nachweis hat es an Techniken gefehlt.“Lymphknote­n-Metastasen gäben aber nach wie vor wichtige Hinweise auf einen streuenden Tumor, gerade der Wächterlym­phknoten, so Augustin. „Hat man dort Metastasen nachgewies­en, weiß man, dass der Tumor angefangen hat zu metastasie­ren.“Trotzdem sei noch nicht klar, ob der Wächterkno­ten nur diagnostis­che Bedeutung hat oder aus ihm auch Metastasen folgen können. „Die Studie zeigt, dass beide Wege möglich sind, jedoch die meisten Metastasen über die Blutbahn verteilt werden“, sagt Augustin.

Es sei fraglich, ob die 17 Patienten wirklich repräsenta­tiv seien. Dennoch habe die Studie großen Wert: „Es ist eine Methode aufgezeigt worden, die die Diagnostik deutlich verbessert.“So kann man nun auch unterschei­den, ob ein Tumor von einem anderen Organ abstammt oder sich völlig neu gebildet hat. Mit einer besseren Kartierung der Tumore könnten Ärzte künftig auch einmal besser maßgeschne­iderte Medikament­e einsetzen, hofft Augustin. Bei der Therapie werde sich praktisch erst mal nichts ändern. „Es ist bei dieser Krebsart üblich, auch die betroffene­n Lymphknote­n zu entfernen.“Auf andere Krebsarten ließe die Studie nicht unbedingt schließen. Der Darm sei über die Pfortader sehr eng mit der Leber verbunden. Über die Pfortader gelangen etwa Nährstoffe vom Darm in die Leber. Und in der Studie fanden sich vor allem Lebermetas­tasen.

Darmkrebs kann – früh erkannt – gut behandelt werden. Ab dem Alter von 50 Jahren kann hierzuland­e jeder jährlich ein Mal den Stuhl kostenfrei auf Blut testen lassen.

Simone Humml, dpa

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Illustrati­on: Henning Riediger/Fotolia.com Darmkrebs kann über das Blut streuen.

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