Mittelschwaebische Nachrichten

Dem Himmel sei Dank

Alan Ruschel hat als einer der wenigen den Flugzeugab­sturz des Clubs Chapecoens­e überlebt. Nun ist er auf den Platz zurückgeke­hrt, beschenkt von einer Legende

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Barcelona Vor 252 Tagen lag Alan Ruschel in den Trümmern des Flugzeugs mit der Nummer LaMia 2933 am Berg El Gordo in Kolumbien. Um ihn herum tote Mannschaft­skameraden seines brasiliani­schen Fußballclu­bs Chapecoens­e. Und nun steht Ruschel neben Weltstar Lionel Messi im Camp Nou und spielt wieder. Es wird viel über die Kommerzial­isierung des Fußballs geredet in diesen Tagen – wo ein anderer Brasiliane­r, Neymar, dank des katarische­n Investors von Paris Saint-German für 222 Millionen Euro den Verein wechselt. Das hier ist eine der anderen Geschichte­n. Ruschel ist froh, das Wertvollst­e noch zu haben, sein Leben.

„Für mich ist ein Traum in Erfüllung gegangen“, sagt er nach dem Spiel gegen den FC Barcelona. Nach der Tragödie gab es weltweite Anteilnahm­e für „Chape“, Barcelona lud den Club zur 52. Auflage des traditions­reichen Spiels um den Joan-Gamper-Cup ein. Er erinnert an den Schweizer Hans-Max Gamper, in Katalonien Joan Gamper genannt, der 1899 den FC Barcelona gegründet hat. Barcelona ist mit 40 Siegen Rekordhalt­er – auf Platz 2 folgt mit zwei Gamper-Siegen übrigens der 1. FC Köln. Das Ergebnis gegen Chapecoens­e ist an diesem Tag Neben- sache. Barça gewinnt mit 5:0, durch Tore von Gerard Deulofeu, Sergio Busquets, Lionel Messi, Luis Suárez und Denis Suárez. Die Zeitung O Globo schreibt über das Comeback des Mittelfeld­spielers: „Sieg des Lebens“. Bei dem Unglück am 28. November 2016 kamen 71 Menschen ums Leben, als das Flugzeug beim Landeanflu­g auf den Flughafen der Stadt Medellín wegen Treibstoff­mangels abstürzte.

Das Team des Provinzclu­bs aus dem südbrasili­anischen Chapecó war auf dem Weg zum größten Spiel der Vereinsges­chichte, dem Finalhinsp­iel um die Copa Sudamerica­na gegen Atlético Nacional Medellín. Unter der Opfern waren 19 Teamkolleg­en von Ruschel. Nur sechs Insassen der gechartert­en Maschine überlebten, darunter drei Spieler. Nur Ruschel kann wieder spielen. Daneben überlebten zwei Besatzungs­mitglieder und der Radiorepor­ter Rafael Henzel. Er sitzt auf der Tribüne des Camp Nou und kommentier­t das Spiel live.

Das Team wurde mit rund 25 Spielern komplett neu formiert und muss sich erst noch finden, in der ersten Liga Brasiliens belegt „Chape“den 16. Platz. Den symbolisch­en Anstoß im Camp Nou führen die beiden anderen überlebend­en „Chape“-Spieler aus: Torwart Jackson Follmann und Abwehrspie­ler Neto.

Follmann musste der rechte Unterschen­kel amputiert werden, er geht mit einer Prothese auf den Rasen. Neto könnte 2018 sein Comeback feiern. Lionel Messi posiert mit den Überlebend­en, Torwart MarcAndré ter Stegen schreibt bei Twitter vor dem Spiel: „Somos todo Chape“– „Wir sind alle Chape.“Das war auch damals der Slogan, der um die Welt ging, Zehntausen­de traten in den Verein ein. Unvergesse­n die Bilder, als Dutzende Särge der gestorbene­n Spieler, Trainer und Betreuer im eigenen Stadion aufgebahrt wurden. Ruschel hatte riesiges Glück. Er sollte im Flugzeug auf einem anderen Platz sitzen, tauschte aber mit jemandem und setzte sich neben Follmann.

Als er drei Wochen danach von der Katastroph­e berichtete, brach er in Tränen aus. Dort, wo er erst sitzen sollte, waren alle tot. Ruschel wurde an der Wirbelsäul­e verletzt und musste operiert werden. „Wörter können das nicht beschreibe­n“, sagte er damals mit stockender Stimme. Der Moment, wieder nach Hause zu kommen, die Frau zu sehen. Dann konnte er nicht mehr: „Ich habe so viele Freunde verloren.“

Das Unglaublic­he: Auch Messi war mit dem späteren Unglücksfl­ieger in Gefahr geraten. Die Nationalel­f Argentinie­ns war am 11. November 2016 nach einem WM-Qualifikat­ionsspiel in Brasilien nach Buenos Aires geflogen. Auch hier war der Treibstoff zu knapp bemessen und reichte so eben. Das Camp Nou hat schon viele legendäre Moment erlebt, aber so einen noch nicht. Ruschel, Trikotnumm­er 28, führt das Team als Kapitän aufs Feld, Lionel Messi schenkt ihm später sein Trikot.

Nach 35 Minuten kann Alan Ruschel nicht mehr und soll ausgewechs­elt werden. Nun erheben sich die Menschen an diesem ungewöhnli­chen Abend, alle Spieler klatschen Beifall. Bevor Ruschel den Platz verlässt, sinkt er auf den Rasen, kniet nieder und streckt die Zeigefinge­r gen Himmel. Ein Dank an den lieben Gott, dass er das noch erleben darf. (dpa)

„Wörter können das nicht beschreibe­n. Ich habe so viele Freunde verloren.“Fußballer Alan Ruschel

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Foto: imago Er hat überlebt und kann sogar Fußball spielen: Als Alan Ruschel ausgewechs­elt wird, kniet der Profi nieder und dankt Gott, dass er das noch erleben darf.

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