Mittelschwaebische Nachrichten

Wie Volkswagen endlich wieder sauber fährt

Dass der Autobauer dauernd Skandale produziert, ist auf einen Konstrukti­onsfehler zurückzufü­hren. Warum das Kungel-Modell aufgebroch­en gehört

- VON STEFAN STAHL sts@augsburger allgemeine.de

Dass Volkswagen seit Jahrzehnte­n neben exzellente­n und weltweit gefragten Autos auch Affären produziert, liegt nicht nur am Fehlverhal­ten Einzelner. Die Wurzel des Übels reicht tiefer. Die VW AG ist falsch konstruier­t. Diese spezifisch­e Volkswagen-Krankheit lässt sich mit drei Ks umschreibe­n: Kooperatio­n, Kungelei und Kritiklosi­gkeit.

Dabei hat das erste K positive Seiten: Bei Volkswagen herrscht nicht der reine kalte Geist des Kapitals. In wenigen anderen Unternehme­n haben Beschäftig­te dank der bei VW extrem starken Gewerkscha­ft IG Metall und dem Land Niedersach­sen als Großaktion­är so viel Macht. Jeder Konzern-Boss muss es mit dem mächtigen Betriebsra­tschef können. Zudem besitzt das Land dank seines 20-Prozent-Stimmrecht­santeils ein Vetorecht in wichtigen Fragen. Ziehen Landesregi­erung und Gewerkscha­ft an einem Strang, können heimische Standorte nicht verlagert werden. So gilt die VW-Gleichung: SPD oder CDU + IG Metall + Patriarche­n = sichere Arbeitsplä­tze.

Das System funktionie­rt aus Mitarbeite­rsicht bestens. Seine Blüte erreichte es in den 90er Jahren unter dem Duo Gerhard Schröder als niedersäch­sischem Ministerpr­äsidenten und dem Porsche-Enkel Ferdinand Piëch an der VW-Spitze. Da konnte der spätere Kanzler über den Patriarche­n auch frotzeln: „Für ihn ist es Teamwork, wenn alle das tun, was er will.“

Doch Kooperatio­n und Kungelei sind oft Brüder. Manchmal gesellt sich ein weiteres K-Wort hinzu, nämlich Korruption. So erkaufte sich Ex-VW-Personalvo­rstand Peter Hartz die Gunst des Betriebsra­tschefs Klaus Volkert mit fürstliche­n Zahlungen. Da konnte letzterer locker eine brasiliani­sche Geliebte finanziere­n. Der gelernte Schmied Volkert zahlte ihm gewährte Wohltaten in seiner Währung zurück: Er schenkte VW-Oberen Loyalität und verhindert­e ausufernde Streiks. Also alles bestens?

Natürlich nicht. Denn in den Kooperatio­ns-Kungelgeis­t schlich sich Kritiklosi­gkeit ein. Die Devise lautete bei VW zu lange: zusammenha­lten, Vorwürfe zurückweis­en, nur nichts zugeben! In der von Ingenieure­n beherrscht­en Welt kommt auch noch enormes Selbstbewu­sstsein hinzu: Manche VWTechnike­r rümpften etwa über Hybridauto­s von Toyota die Nase. Dagegen setzten sie den deutschen Super-Diesel. Mit ihm sollte selbst Amerika erobert werden. Der Ausgang der Geschichte ist bekannt: Die Emissions-Vorgaben erfüllten die Wolfsburge­r nur mit Betrug.

Der Schaden ist immens. Ja, VW wurde zum Spott-Objekt, hat doch SPD-Ministerpr­äsident Stephan Weil seine Regierungs­erklärung dem Konzern zur Prüfung geschickt. Diese Praxis soll Weils Vorgänger, dem CDU-Mann David McAllister, nicht fremd gewesen sein. Um die VW-Demontage zu stoppen, darf es der Konzern nicht bei Reförmchen belassen. Das zu lange schon kungelnde Wolfsburge­r Kombinatsk­onstrukt gehört aufgebroch­en. Dabei führt kein Weg an einer Privatisie­rung vorbei. Wenn überdies die VW-Familien Porsche und Piëch Macht abgeben und sich von einem Teil ihrer Aktien trennen, ist das Männer-Kartell entschärft. Es wäre Raum für drei andere Ks: Kritik, Kontrolle und Kreativitä­t. Mitarbeite­r könnten ohne Angst vor dem Jobverlust aufschreie­n, wenn wie im DieselSkan­dal Macht missbrauch­t wird.

Das kreative K schafft Raum für neue Ideen. VW muss mehr Kraft in die Entwicklun­g alternativ­er Antriebe stecken und Ökologie ernster nehmen: Es ist sonderbar, wenn der Konzern wie für den dicken Diesel-SUV Touareg mit 10 000 Euro die höchste „Umweltpräm­ie“zahlt und es für verbrauchs­und abgasärmer­e Autos wie den Polo nur 3000 Euro Bonus gibt.

Patriarche­n, Politik und Gewerkscha­ft: Das läuft nicht rund

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