Mittelschwaebische Nachrichten
Wie Volkswagen endlich wieder sauber fährt
Dass der Autobauer dauernd Skandale produziert, ist auf einen Konstruktionsfehler zurückzuführen. Warum das Kungel-Modell aufgebrochen gehört
Dass Volkswagen seit Jahrzehnten neben exzellenten und weltweit gefragten Autos auch Affären produziert, liegt nicht nur am Fehlverhalten Einzelner. Die Wurzel des Übels reicht tiefer. Die VW AG ist falsch konstruiert. Diese spezifische Volkswagen-Krankheit lässt sich mit drei Ks umschreiben: Kooperation, Kungelei und Kritiklosigkeit.
Dabei hat das erste K positive Seiten: Bei Volkswagen herrscht nicht der reine kalte Geist des Kapitals. In wenigen anderen Unternehmen haben Beschäftigte dank der bei VW extrem starken Gewerkschaft IG Metall und dem Land Niedersachsen als Großaktionär so viel Macht. Jeder Konzern-Boss muss es mit dem mächtigen Betriebsratschef können. Zudem besitzt das Land dank seines 20-Prozent-Stimmrechtsanteils ein Vetorecht in wichtigen Fragen. Ziehen Landesregierung und Gewerkschaft an einem Strang, können heimische Standorte nicht verlagert werden. So gilt die VW-Gleichung: SPD oder CDU + IG Metall + Patriarchen = sichere Arbeitsplätze.
Das System funktioniert aus Mitarbeitersicht bestens. Seine Blüte erreichte es in den 90er Jahren unter dem Duo Gerhard Schröder als niedersächsischem Ministerpräsidenten und dem Porsche-Enkel Ferdinand Piëch an der VW-Spitze. Da konnte der spätere Kanzler über den Patriarchen auch frotzeln: „Für ihn ist es Teamwork, wenn alle das tun, was er will.“
Doch Kooperation und Kungelei sind oft Brüder. Manchmal gesellt sich ein weiteres K-Wort hinzu, nämlich Korruption. So erkaufte sich Ex-VW-Personalvorstand Peter Hartz die Gunst des Betriebsratschefs Klaus Volkert mit fürstlichen Zahlungen. Da konnte letzterer locker eine brasilianische Geliebte finanzieren. Der gelernte Schmied Volkert zahlte ihm gewährte Wohltaten in seiner Währung zurück: Er schenkte VW-Oberen Loyalität und verhinderte ausufernde Streiks. Also alles bestens?
Natürlich nicht. Denn in den Kooperations-Kungelgeist schlich sich Kritiklosigkeit ein. Die Devise lautete bei VW zu lange: zusammenhalten, Vorwürfe zurückweisen, nur nichts zugeben! In der von Ingenieuren beherrschten Welt kommt auch noch enormes Selbstbewusstsein hinzu: Manche VWTechniker rümpften etwa über Hybridautos von Toyota die Nase. Dagegen setzten sie den deutschen Super-Diesel. Mit ihm sollte selbst Amerika erobert werden. Der Ausgang der Geschichte ist bekannt: Die Emissions-Vorgaben erfüllten die Wolfsburger nur mit Betrug.
Der Schaden ist immens. Ja, VW wurde zum Spott-Objekt, hat doch SPD-Ministerpräsident Stephan Weil seine Regierungserklärung dem Konzern zur Prüfung geschickt. Diese Praxis soll Weils Vorgänger, dem CDU-Mann David McAllister, nicht fremd gewesen sein. Um die VW-Demontage zu stoppen, darf es der Konzern nicht bei Reförmchen belassen. Das zu lange schon kungelnde Wolfsburger Kombinatskonstrukt gehört aufgebrochen. Dabei führt kein Weg an einer Privatisierung vorbei. Wenn überdies die VW-Familien Porsche und Piëch Macht abgeben und sich von einem Teil ihrer Aktien trennen, ist das Männer-Kartell entschärft. Es wäre Raum für drei andere Ks: Kritik, Kontrolle und Kreativität. Mitarbeiter könnten ohne Angst vor dem Jobverlust aufschreien, wenn wie im DieselSkandal Macht missbraucht wird.
Das kreative K schafft Raum für neue Ideen. VW muss mehr Kraft in die Entwicklung alternativer Antriebe stecken und Ökologie ernster nehmen: Es ist sonderbar, wenn der Konzern wie für den dicken Diesel-SUV Touareg mit 10 000 Euro die höchste „Umweltprämie“zahlt und es für verbrauchsund abgasärmere Autos wie den Polo nur 3000 Euro Bonus gibt.
Patriarchen, Politik und Gewerkschaft: Das läuft nicht rund