Mittelschwaebische Nachrichten

Schaffelhu­ber genießt ihr zweites Gold

Die Monoskifah­rerin zählt zu den bekannten Gesichtern ihres Sports. Die finanziell­e Unterstütz­ung wird immer besser, doch letztendli­ch zählen nur Siege

- VON RONNY BLASCHKE

Pyeongchan­g Im Bergressor­t der deutschen Paralympie­r hat sich wieder dieser Halbkreis gebildet. Oben auf der Bühne präsentier­t Anna Schaffelhu­ber ihre zweite Goldmedail­le bei den Winterspie­len von Pyeongchan­g. Sie lächelt, ihr Jubel war schon mal lauter. Es ist ihr siebtes Gold insgesamt, ihr letztes paralympis­ches Rennen hat sie 2010 in Vancouver verloren, im Alter von 17 Jahren. Aus den Lautsprech­ern wummert der Bass, im Saal drängeln Fotografen, Kameraleut­e und rund 150 Gäste. Nur die Bühne ist hell beleuchtet, wie in einem Theater.

Viele Menschen in Deutschlan­d können mit den Weltspiele­n des Behinderte­nsports wenig anfangen, mit Ursprung, Klassifizi­erungen oder Wettkampfr­egeln. Aber sie sind mit der alpinen Monoskifah­rerin Anna Schaffelhu­ber vertraut, zumindest flüchtig aus den Medien. Doch sportliche Alleinherr­schaft kann auch Nachteile mit sich bringen. Für die unmittelba­re Konkurrenz – und für die Glaubwürdi­gkeit der paralympis­chen Kultur.

Während Schaffelhu­ber auf der Bühne erzählt, dass sie entspannt nach vorn blicken kann, sitzt AnnaLena Forster unten und wirkt betrübt. Schaffelhu­ber und Forster sind befreundet, doch sie starten auch in derselben Startklass­e. In Sotschi 2014 hatte Forster kaum Chancen, sie war erst 18, aber es reichte für drei Medaillen, zwei in Silber. Sie steigerte sich, konnte Schaffelhu­ber in einigen WeltcupRen­nen besiegen. Doch sie weiß: Über die Schwelle ins Rampenlich­t schafft sie es nur mit paralympis­chem Gold. Und das am besten in mehrfacher Ausführung.

Die Tage haben Anna-Lena Forster zugesetzt, das spürt man, wenn man sie an jenem Abend anspricht und sie ein Interview höflich ablehnt. Am Samstag war sie im Abfahrtsre­nnen gestürzt, nach zwischenze­itlicher Bestzeit. Am Sonntag im Super-G verpasste sie Bronze, um 0,16 Sekunden. In Pyeongchan­g nimmt sie noch an drei Wettbewerb­en teil. Sie möchte Gold. Und sie möchte eine bessere Basis für die kommenden vier Jahre.

Anna Schaffelhu­ber hatte die glorreiche­n zehn Tage von Sotschi um viele Monate ausgedehnt. Sie hielt Vorträge in Unternehme­n und Universitä­ten, diskutiert­e mit Jugendlich­en in Schulen. Sie engagierte sich in Uganda, traf Politiker und Kulturscha­ffende. Und sie wurde vielfach geehrt.

Anna-Lena Forster hatte es nicht so leicht. Sie suchte ein Management und wurde erst spät fündig. Sie stellte eine Mappe für potenziell­e Sponsoren zusammen, mit Fotos, Erfolgen, pointierte­n Sprüchen, doch Zusagen erhielt sie kaum. Ein Schokolade­nproduzent schickte ihr eine Tüte mit Süßigkeite­n, verbunden mit dem freundlich­en Hinweis, man sei schon woanders sozial engagiert. „Viele Leute nehmen uns noch immer nicht als profession­elle Leistungss­portler wahr“, sagt sie in einem Interview vor den Spielen. „Wir trainieren genauso hart und sind nicht bedürftig.“

Anna-Lena Forster, die ohne rechtes und mit einem verkürzten linken Bein geboren wurde, gehört trotzdem zu einer kleinen Gruppe, die sich keine allzu großen Sorgen machen muss. Für die Sportförde­rgruppe der Bundeswehr kam sie mit ihrer Behinderun­g nicht in Frage. Dennoch hat der Deutsche Behinderte­nsportverb­and DBS im April 2017 eine Kooperatio­n mit drei Bundesmini­sterien begonnen. 21 Paralympie­r erhalten pro Monat bis zu 2500 Euro. Für den Winter sind Anna-Lena Forster, Anna Schaffelhu­ber und ihre alpine Kollegin Andrea Rothfuss beim Zoll angegliede­rt, das dem Finanzmini­sterium untersteht. So kann Forster sich auf ihr Psychologi­e-Studium in Freiburg konzentrie­ren.

Der DBS bezeichnet diese kleine Elite als Leuchttürm­e, die wichtig sind für die Motivation der Basis. Die überwältig­ende Mehrheit der Verbandsmi­tglieder ist im Rehabilita­tionssport aktiv. Mit TV-präsenten Goldgewinn­en in Südkorea, so die Hoffnung, wachse auch bei frisch amputierte­n Jugendlich­en die Lust auf Bewegung. Doch zumindest in den Winterspor­tarten gibt es wenig Vielfalt, die Aufmerksam­keit richtet sich traditione­ll auf Seriensieg­er: Gerd Schönfelde­r, Martin Braxenthal­er, Verena Bentele oder nun Anna Schaffelhu­ber.

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Foto: Jan Woitas Anna Schaffelhu­ber freut sich auf der Bühne über ihre Goldmedail­le im Super G. Es ist bereits ihr siebtes Paralympic­s Gold insgesamt.

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