Mittelschwaebische Nachrichten

So teuer ist ein Platz im Pflegeheim

Soziales Spahn will Betroffene entlasten. Im Idealfall macht das gut 500 Euro im Monat aus

- VON RUDI WAIS UND BERNHARD JUNGINGER

Augsburg/Berlin Die Angst vor Armut im Alter sitzt tief in Deutschlan­d. Je nach Umfrage befürchten bis zu 80 Prozent der Bundesbürg­er, dass sie alle Ersparniss­e verlieren, wenn sie pflegebedü­rftig werden sollten und in ein Heim umziehen müssen. Die gesetzlich­e Pflegevers­icherung deckt nach dem TeilkaskoP­rinzip schließlic­h nur einen Teil der Kosten – mit empfindlic­hen Folgen für viele Betroffene. Bei jedem dritten Pflegebedü­rftigen reicht die Rente nicht fürs Heim.

Entspreche­nd positiv ist das Echo auf einen Vorschlag von Gesundheit­sminister Jens Spahn (CDU), der Pflegebedü­rftige und ihre Angehörige­n finanziell entlasten will. „Es ist an der Zeit dafür“, betont der stellvertr­etende Vorsitzend­e des Spitzenver­bandes der gesetzlich­en Krankenkas­sen, Gernot Kiefer, gegenüber unserer Redaktion. Wer die Pflege solide finanziere­n wolle, müsse allerdings auch dafür sorgen, dass alle Bundesländ­er die Finanzieru­ng der notwendige­n Investitio­nen übernehmen. Dadurch ließen sich, so Kiefer, pro Heimplatz bis zu 450 Euro im Monat sparen. Seit Jahrzehnte­n kämen die Länder dieser Pflicht „bestenfall­s teilweise“nach.

Heimbewohn­er sollen nach Spahns Plänen für ihre Pflege maximal 700 Euro pro Monat dazuzahlen, und das auch nur drei Jahre lang. Zuletzt lag der Eigenantei­l im Schnitt bei 786 Euro. Mit den Kosten für Unterkunft, Verpflegun­g und Investitio­nen addierte sich das im bundesweit­en Mittel auf 2015 Euro an monatliche­r Eigenleist­ung. Eine Reduzierun­g des Pflegeante­ils würde einen Heimplatz also um durchschni­ttlich 86 Euro verbillige­n, bei einer gleichzeit­igen Übernahme der Investitio­nskosten durch die Länder würden Pflegebedü­rftige und ihre Angehörige­n um insgesamt gut 500 Euro monatlich entlastet.

In Bayern zahlt ein Bewohner in einem Pflegeheim heute durchschni­ttlich 2018 Euro pro Monat selbst. Am teuersten ist die Pflege nach einer Studie des Verbandes der Ersatzkass­en mit einem Eigenantei­l von 2405 Euro in Nordrhein-Westfalen, am günstigste­n mit 1436 Euro in Sachsen-Anhalt. Das hat, unter anderen, mit unterschie­dlichen Tarifvertr­ägen und unterschie­dlichen Personalsc­hlüsseln für die Besetzung von Pflegestat­ionen zu tun. Nach den Plänen des Ministers soll die Neuregelun­g noch in dieser Legislatur­periode Gesetz werden. Die SPD hat bereits diskret ihr Einverstän­dnis signalisie­rt, will Versichert­e mit hohen Einkommen allerdings stärker zur Kasse bitten.

Spahns Initiative „trifft ein wichtiges Anliegen älterer Menschen, die als Pflegefall nicht auch noch Sozialfall werden möchten“, betont auch der CSU-Sozialexpe­rte Georg Nüßlein. Bei Kosten von sechs Milliarden Euro jährlich sei die Finanzieru­ng allerdings eine Herausford­erung. Die Präsidenti­n des Sozialverb­andes VdK, Verena Bentele, fordert dagegen eine deutlich weitreiche­ndere Reform. Die ambulante Pflege etwa bleibe bei Spahn trotz großer Probleme außen vor: „Ambulante Pflegedien­ste nehmen keine neuen Patienten mehr auf, für Tagespfleg­eeinrichtu­ngen gibt es Warteliste­n.“So gehe die Pflege zu Hause zulasten der Gesundheit und des Einkommens der pflegenden Angehörige­n. Auch deshalb, so Bentele, müsse die Pflegekass­e „endlich alle Pflegekost­en übernehmen – und nicht nur einen Zuschuss“.

Scharfe Kritik kommt von der FDP. „Rechte und Pflichten von Familienan­gehörigen sind präzise ausbalanci­ert. Es gibt keinen Anlass, weitere Steuermill­iarden in die Pflege zu stecken“, kritisiert Fraktionsv­ize Michael Theurer. Statt die Generation­en gegeneinan­der auszuspiel­en, solle Spahn den Menschen lieber reinen Wein einschenke­n: „Es bedarf mehr privater Zusatzvors­orge in der Pflege.“

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