Mittelschwaebische Nachrichten
Mehr Geld für Künstler, aber unzufriedene Theater
Das bayerische Kabinett hat ein 370-Millionen-Euro-Förderprogramm für die Kultur beschlossen. Gleichzeitig kritisieren bayerische Intendanten die 50-Personen-Obergrenze für Theaterveranstaltungen scharf
München Der Freistaat Bayern legt ein neues großflächiges Förderprogramm für die Kultur auf, besonders soloselbstständigen Künstlern und Kulturschaffenden soll damit geholfen werden. Außerdem wird ein großflächiges Stipendiensystem für junge Künstler ins Leben gerufen, zusätzlich wird das Unterstützungsprogramm für Spielstätten ausgeweitet und die Hilfen für bayerische Kinos verlängert und im Gesamtvolumen erhöht. Das haben gestern der bayerische Ministerpräsident Markus Söder und Kunststaatsminister Bernd Sibler nach einer Sitzung des bayerischen Kabinetts bekannt gegeben. Insgesamt hat das neue Förderprogramm für die Kultur ein Volumen von 370 Millionen Euro.
Seit Monaten klagen soloselbstständige Künstler darüber, dass sie bisher durch alle Raster im Rahmen der staatlichen Pandemie-Hilfen fallen. Bislang waren die bayerischen Hilfen für die freie Szene der Kultur darauf ausgelegt, Betriebskosten zu ersetzen. Soloselbstständige Künstler – etwa freie Schauspieler, Musiker, Künstler, die weder über ein Geschäftsauto noch über Geschäftsräume verfügten – konnten sehr oft so gut wie keine Betriebskosten geltend machen und mussten letztlich, wenn es keine Rücklagen gab, Hartz-4 als staatliche Unterstützung beantragen. Die Folge: Von 140 Millionen Euro, die der Freistaat als Hilfe vorgesehen hatte, wurden lediglich 20 Millionen Euro in den zurückliegenden Monaten abgerufen.
Die neue bayerische Förderung orientiert sich an derjenigen von Baden-Württemberg. Bald ist es auch im Freistaat möglich, einen Unternehmerlohn von bis zu 1180 Euro monatlich als staatliche Förderung zu beantragen. Dieses Hilfsprogramm läuft mit dem Stichtag 1. Oktober an, ist bis dorthin also rückwirkend zu beantragen und lässt sich mit der Überbrückungshilfe des Bundes kombinieren. Insgesamt umfasst es ein Volumen von 37,5 Millionen Euro. Allerdings ist dafür noch eine spezielle Software aufseiten des Freistaats nötig, sodass es noch nicht sofort zu beantragen ist. Den genauen Zeitpunkt konnte Kunststaatsminister Sibler nicht nennen.
Um junge Künstler in der An
ihrer Karriere zu unterstützen, legt der Freistaat ein Stipendienprogramm auf, das vorsieht, 5000 Künstler vom 1. Januar 2021 an mit Stipendien in Höhe von 5000 Euro zu fördern. Das Spielstättenprogramm wird bis zum 30. Juni 2021 verlängert und sieht vor, auch Kulturveranstalter, die über keine eigene Spielstätte verfügen, in den Kreis der Antragsberechtigten aufzunehmen. Aufgestockt werden die Hilfen für die bayerischen Kinos. Von den 12 Millionen Euro Unterstützung sind bereits acht Millionen Euro Förderung bewilligt worden. Das Programm soll ebenfalls bis zum 30. Juni laufen und wird noch einmal um 12 Millionen Euro aufgestockt.
Für Aufregung unter bayerischen Theatern sorgt weiterhin die Zuschauerobergrenze von 50 Personen in Gebieten, die auf der bayerischen Corona-Warnampel als dunkelrot ausgeflaggt sind. Seit diesem Wochenende ist auch München mit seinen großen Opern- und Theaterhäusern davon betroffen. In Augsburg griff diese Regelung bereits vor einer Woche, seitdem musste das Staatstheater Augsburg schon mehrere Veranstaltungen absagen. Intendant André Bücker hat für diese Maßnahme keinerlei Verständnis. „Das ist fast schon skandalös nach allem, was wir gemacht haben, um mit Hygienekonzepten vor und hinter der Bühne Publikum und Mitarbeiter zu schützen“, sagt er. Alle Regeln würden eingehalten, es musste noch keine Vorstellung wegen eines Corona-Falls unter den Mitarbeitern abgesagt werden, die Konzepte griffen also. „Unser Publikum fühlt sich sicher und es möchte weiterhin ins Theater kommen“, sagt Bücker. Die Kartennachfrage könne nicht befriedigt werden. „Diese Einschränkung der Freiheit ist nicht zu rechtfertigen“, so Bücker.
Kritik gibt es auch aus München. „Eine Begrenzung auf nur 50 Personen macht aus einem modernen, offenen Haus ein elitäres Bollwerk“, kritisierte die Bayerische Staatsoper in München, wo seit Montag verschärfte Corona-Regeln gelten. Den Häusern brechen nun wichtige Einnahmen weg, viele sehen sogar ihren Kulturauftrag in Gefahr. Trotzdem wollen die meisten weiterspielen, auch wenn statt 200 nur noch 50 Befangsphase sucher kommen dürfen. Einige Theater stellen den Spielbetrieb dagegen ganz oder teilweise ein, weil es für sie mit 50 zahlenden Gästen schlicht nicht mehr rentabel ist.
„Gerade haben wir die Planungen für eine Bespielung unseres Hauses fertig, die wir sowohl auf der Bühne umsetzen als auch vor 200 Gästen einigermaßen wirtschaftlich abbilden können. Diese Arbeit war umsonst, wenn die Regelung so bleibt“, hieß es vom Deutschen Theater in München. „Vor 50 Gästen wird es bei uns keine Vorstellungen geben, da dies wirtschaftlich nicht machbar ist.“
Das Mainfranken Theater, das sein Großes Haus gerade saniert, bespielt die Außenspielstätte „Theaterfabrik Blaue Halle“vorerst nicht mehr, nur im Ratssaal Würzburg soll es weitergehen. Christian Stückl will sein Münchner Volkstheater offen halten. „Wir wollen uns nicht zusperren lassen“, schreibt sein Theater. „Das ist nicht wirtschaftlich, aber unser Kulturauftrag.“Doch ein lohnender Betrieb sieht anders aus. Rund 300 Gäste wären im Volkstheater notwendig. Auch das Residenztheater erklärt, mit 50
Zuschauern könne man nicht mehr kostendeckend spielen. Das Haus hofft nun auf eine Sonderregelung für Theater nach dem Vorbild anderer Bundesländer.
Am Staatstheater Nürnberg sieht man die drohende Obergrenze auch mit Sorge. Intendant Jens-Daniel Herzog will aber weitermachen und digitale Formate stärker in den Blick nehmen. „Wir sind fest entschlossen, auch weiterhin gegen die Leere im Theater anzuspielen.“
Sein Münchner Kollege Nikolaus Bachler von der Staatsoper wollte zusammen mit dem Residenztheater und dem Staatstheater am Gärtnerplatz mit einem Antrag die Begrenzung der Zuschauerzahlen abwenden. Bachler hatte mit den Erfahrungen eines Pilotprojekts argumentiert, an dem die Staatsoper, die Münchner Philharmonie und die Meistersingerhalle in Nürnberg beteiligt waren. Statt 200 durften sie 500 Zuschauer einlassen. Der Versuch belege, dass es bei der Größe des Nationaltheaters und bei Einhaltung vorbeugender Maßnahmen
Von 140 Millionen Euro wurden nur 20 abgerufen
„Wir empfinden diesen Erlass als Willkür“
sehr gut möglich sei, vor 500 oder noch mehr Besuchern zu spielen, so Bachler. Doch das Kunstministerium beschied anders: „Ich habe Verständnis für das Anliegen der Branche und weiß, dass es momentan sehr schwierig ist“, sagte Kunstminister Bernd Sibler (CSU). Man müsse umsichtig und vorsichtig reagieren. Der Pilotversuch und damit die Erlaubnis einer maximalen Zuschauerzahl von 500 Personen gelte aber automatisch als ausgesetzt, sobald die andere Regelung greife. Sibler verwies auf den Kulturrettungsschirm und geplante KünstlerHilfsprogramme.
Ganz verstehen können das die Theater nicht: „Funktionierende Hygienekonzepte machen Theaterund Konzerträume derzeit zu den sichersten Orten in der Freizeitgestaltung“, ist die Leitung des Mainfranken Theaters in Würzburg überzeugt. Die Theatermacher hätten sich gewünscht, dass die Politik die jeweiligen Bedingungen vor Ort stärker berücksichtigt hätte. Eine Ansicht, die viele teilen: „Wir empfinden diesen Erlass als Willkür, da Kultureinrichtungen in den letzten Monaten bewiesen haben, dass sie gute Hygienekonzepte ausgearbeitet haben und sichere Orte sind“, heißt es auf der Internetseite der Münchner Kammerspiele.