Mittelschwaebische Nachrichten
Der große Coup des kleinen Mannes
Motorsport Viele Jahre war Bernie Ecclestone der starke Mann in der Formel 1. Er regierte wie ein Alleinherrscher. Am Mittwoch feiert er 90. Geburtstag – und will weitere Kinder
Augsburg Es könnte genug sein. Vier Kinder hat Bernie Ecclestone bereits . Ecclestone aber sagte im Sommer: „Ich weiß noch nicht, ob wir hier aufhören.“89 Jahre war er alt, als im Juli der kleine Ace auf die Welt kam. Er ist das erste gemeinsame Kind mit seiner jetzigen Ehefrau Fabiana Flosi. Aus seinen beiden früheren Ehen hat Ecclestone bereits drei erwachsene Kinder. „Vielleicht sollte er noch einen kleinen Bruder oder eine kleine Schwester haben“, verkündete er tatendurstig. An diesem Mittwoch wird Ecclestone 90 Jahre alt.
Ecclestone ist ein streitbarer Mensch. Einer, der sich seinen Weg erkämpft hat. Von früher Jugend an, als er als Händler von gebrauchten Motorrädern ins Geschäftsleben einstieg. Mit 16 Jahren hatte er die Schule im englischen Bexleyheath im Großraum Londons abgebrochen. Er hätte auf die schiefe Bahn geraten können. Ecclestone aber ging immer den geraden Weg. Der führte ihn direkt in den Motorsport. Weil er schnelle, schicke Fahrzeuge schon immer liebte. Allerdings war sein Talent als Rennfahrer überschaubar. Also wurde Ecclestone Manager. Er betreute unter anderem Jochen Rindt, einen der besten und gefragtesten Fahrer seiner Zeit. Als Rindt 1970 tödlich verunglückte, machte das Ecclestone lange zu schaffen. Aber auch dieses Tief überwand er.
Ende der 1970er Jahre kaufte der Brite die Vermarktungs- und TVRechte an der Formel 1. Es war der große Coup des nur 1,60 Meter kleinen Mannes. Es war der Startschuss für die Formel 1 in ihrer jetzigen Form. Ecclestone formte sie zur Königsklasse des Motorsports. Und Ecclestone wurde durch die Formel 1 reich. Er ist Milliardär, könnte entspannt der Zukunft entgegensehen. Ecclestone aber ist kein Mann der leisen Worte. Keiner, der sich gerne aus der Öffentlichkeit zurückzieht. Deshalb war der Januar 2017 ein Tiefschlag. Die neuen Eigentümer der Formel 1 setzten ihn als Geschäftsführer ab. Die US-Amerikaner um Chase Carey hatten keine Verwendung mehr für den Mann, der jahrzehntelang in den Schlagzeilen stand. Von heute auf morgen war Ecclestone raus aus seiner geliebten Formel 1. Aus seinem Geschäft, das er wie ein Alleinherrscher geführt hatte. „Wir sind nicht so etwas wie die Mafia, sondern wir sind die Mafia“, sagte er über das Zusammenspiel zwischen ihm und Max Mosley, der lange Zeit Chef des Automobilweltverbandes Fia war.
Skrupel kannte und kennt Ecclestone nicht. Geld verdienen, darum ging es ihm. Er eroberte immer mehr Märkte mit seiner Formel 1. Manchmal in Ländern, die politisch mehr als umstritten sind. Die Formel 1 fährt in Aserbaidschan, mit Russlands Wladimir Putin zeigte sich Ecclestone gerne beim Rennen in Sotschi, auch Bahrain steht im Kalender. Dort, wo es das große Geld zu verdienen gibt, lässt Ecclestone seinen Rennzirkus fahren. Ob andernorts die Tradition größer ist, die Fans zu den Strecken strömen, spielt für ihn nicht die entscheidende Rolle. So mussten immer mehr ältere Strecken aus dem Kalender gestrichen werden. Weil dort die Veranstalter nicht in der Lage sind, die Antrittsgebühren für die Formel 1 zu zahlen.
Ruhig war es um Ecclestone nie. Immer wieder gab es Machtkämpfe oder Skandale. 2014 stand er in einem Betrugsprozess in München vor Gericht. Dabei ging es um Anteile an der Formel 1, die den Besitzer 2006 gewechselt hatten. Es soll Geld an einen Banker geflossen sein, damit der dafür sorge, dass die Bank den Verkauf der Anteile an Ecclestones Wunsch-Investor CVC durchsetze. Der deutsche Banker war deshalb zu achteinhalb Jahren Gefängnis verurteilt worden. Ecclestone dagegen bot dem Gericht 100 Millionen Dollar an – er ging dadurch straffrei aus. Es wurde gemunkelt, Ecclestone habe sich den Freispruch erkauft. Davon aber wollte sein Anwalt nichts wissen. Ecclestone meinte mit dem ihm eigenen Humor: „Der Richter hat einen guten Job gemacht, dass ich so viel zahlen musste.“
Mittlerweile taucht der Brite kaum mehr bei Rennen der Formel 1 auf. Als er noch Chef war, ließ er
Schiefe Bahn? Ecclestone nimmt den geraden Weg
Stilecht ließ er sich in der dunklen Limousine vorfahren
sich immer in einer dunklen Limousine ins Fahrerlager kutschieren. Er hatte seinen eigenen Rückzugsraum, in dem er Gäste empfing. Alles dort musste picobello sein. Die Blumen vor dem Eingang mussten an der richtigen Stelle stehen, der grüne Teppich immer sauber sein. Lief Ecclestone durchs Fahrerlager, folgten ihm etliche Kameras. Hatte er was zu sagen, versammelten sich die Journalisten so zahlreich um ihn, als würde er gleich Hunderteuroscheine in die Luft werfen. Ecclestone genoss die Aufmerksamkeit. Sebastian Vettel liebte es, mit dem Briten Backgammon zu spielen. Das änderte nichts daran, dass auch der viermalige Weltmeister sein Fett abbekam. Er sei bei Ferrari kein Leader wie Michael Schumacher, befand Ecclestone.
Zu seinem 80. Geburtstag hatte Vettel ihm einen Rollator geschenkt. Aufgemotzt, natürlich. Es geht um die Formel 1. Es bleibt spannend, was sich Vettel am Mittwoch einfallen lässt.