Mittelschwaebische Nachrichten

Sie lieben ihn und sie hassen ihn

Warum Donald Trump als Ikone in Amerikas Popkultur eingehen wird – so oder so

- VON MICHAEL POHL

Der für seine Dokumentat­ionen berühmte US-Fernsehsen­der CBS steht gewöhnlich auf der Liste der Medien, die von Donald Trump als „Fake News“, als „Lügenpress­e“beschimpft werden. Und dennoch zählt der Sender zu den großen Profiteure­n der Ära Trump. „Es mag nicht gut für Amerika sein, aber es ist verdammt gut für CBS“, sagte Ex-Chef Leslie Moonves einige Monate nach Trumps Sieg über die stark steigenden Einschaltq­uoten. „Das Geld prasselt nur so herein.“

Auch die New York Times steigerte seit Trumps Amtsantrit­t die Zahl ihrer digitalen Abonnement­s um mehr als das Dreifache auf 5,7 Millionen und verdiente damit hunderte Millionen Dollar. Und die einst kriselnde Washington Post, die Buch über mehr als 20 000 halbe und ganze Lügen des Präsidente­n führt, schreibt dank des riesigen Leseintere­sses wieder Gewinn. Keine Frage, die Medien dürften Donald Trump vermissen, verlöre er die Wahl, selbst wenn er dann noch ewig weiter twittern würde.

Trump hat aus der realen Politik eine halbfiktiv­e Show aus „alternativ­en Fakten“gemacht, wie seine Kommunikat­ionsberate­rin Kellyanne Conway für jedermann offensicht­liche Lügen des Weißen Hauses beschönigt­e. Dem Reiz der TrumpShow erliegen aber nicht nur die Anhänger des sich hemmungslo­s nationalis­tischer Propaganda bedienende­n Selfmade-Populisten, sondern – Einschaltq­uoten und Abozahlen belegen es – auch seine Gegner. Denn Trump ist ein Popstar, der exakt den Zeitgeist der modernen Unterhaltu­ngsindustr­ie trifft, denn er entspricht perfekt dem aktuell erfolgreic­hsten Strickmust­er zahlloser Netflix- und HBO-Serien.

Im Grunde begann es mit der Mutter aller modernen Serien: „The Sopranos“. Statt mit aufrechten Polizisten oder Mafia-Jägern lassen die Serienmach­er seitdem das Publikum mit Schurken mitfiebern, die sie in einer zwiespälti­gen Widersprüc­hlichkeit als menschlich fasziniere­nd und zugleich Abgrund des Bösen inszeniere­n. Erfolgsser­ien von „Breaking Bad“bis „Haus des Geldes“funktionie­ren alle nach diesem Prinzip ambivalent­er Schurken.

Und natürlich „House of Cards“, der Durchbruch-Serie von Netflix, in der Kevin Spacey den allerübels­ten US-Politiker spielt, der es bis zum Präsidente­n bringt. Doch seit der realen Trump-Ära wirkt das zynisch bitterschw­arze „House of Cards“fast wie „Sesamstraß­e“für politikint­eressierte Erwachsene.

Trump bezog seine Medien-Ausbildung in der trashigen Realty-Soap „The Apprentice“(„Der Lehrling“). Dort entfaltete er ein gewaltiges Entertaine­r-Talent: Statt wie geplant für nur eine Staffel der JobBewerbe­r-Show wurde er für 14 Staffeln angeheuert. Trump wurde so sehr zur Marke, dass er alle Präsidents­chaftsbewe­rber der Republikan­er aus dem Rennen warf. Orange Gesichtsfa­rbe und gelbe Haare sind Kennzeiche­n der Ikone: Der Künstler Edel Rodriguez verewigte ihn als gesichtslo­ses Popart-Signet des Bösen auf dutzenden Titelbilde­rn vom Time-Magazin bis zum Spiegel. Spätestens als Karrikatur seiner selbst hat sich Trump als Teil der amerikanis­chen Popkultur verewigt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany