Mittelschwaebische Nachrichten

Die Theatersäl­e bleiben wieder leer

Künstleris­ch wie finanziell durchleben die Betreiber der Veranstalt­ungshallen und die Kreativen selbst wegen des erneuten Lockdowns erneut eine schwere Zeit. Und es bleibt eine Frage: Kann es im Dezember wieder weitergehe­n?

- VON WALTER KAISER

Landkreis Einst mächtige Weltreiche sind von der Landkarte verschwund­en, politische und ökonomisch­e Systeme in sich zusammenge­brochen. Was seit Jahrhunder­ten und Jahrtausen­den bis heute Bestand hat, das sind im Wesentlich­en die künstleris­chen und – im weitesten Sinne – kulturelle­n Errungensc­haften der Menschheit. Kunst und Kultur aber leiden in diesen Monaten von Corona besonders stark. Die erneut verschärft­en Bestimmung­en machen Veranstalt­ern und Künstlern auch im Landkreis Günzburg das Leben noch schwerer. Mehr als die Hoffnung auf bessere Zeiten bleibt den meisten nicht.

Das Neue Theater Burgau hat für November sieben Vorstellun­gen, darunter zwei Premieren, geplant. Das alles fällt ins Wasser. „Das tut uns weh“, erklärt der Vereinsvor­sitzende Robert Baumeister. Auch, weil etliche Karten bereits verkauft worden sind. Baumeister hegt die Hoffnung, dass wenigstens die acht im Dezember vorgesehen­en Vorstellun­gen über die Bühne gehen können – falls nötig, mit noch weniger Besuchern als zuletzt. Angesichts der Größe des Theatersaa­ls wäre das nach Überzeugun­g des Vereinsvor­sitzenden kein Problem.

Ähnlich betroffen ist Georg Abt. Der Betreiber der Dilldapper­bühne in Ichenhause­n hat für November vier Veranstalt­ungen terminiert, auch sie müssen abgesagt werden. Die Neue Bühne Ichenhause­n, die im Dilldapper­saal ihr Zuhause hat, probt für ein Kinderstüc­k, das Ende Februar/Anfang März kommenden Jahres Premiere feiern soll. Ob das klappt? Georg Abt setzt „ein großes Fragezeich­en“dahinter.

Erst vor wenigen Tagen ist im Günzburger Heimatmuse­um eine Ausstellun­g im Rahmen der Veranstalt­ungsreihe „Bürger forschen“über das Wirken des Historisch­en Vereins seit 1902 eröffnet worden. Für den Fall weitreiche­nder Museumssch­ließungen werde sie zumindest bis Februar verlängert, erklärt Museumslei­ter Raphael Gerhardt. Angesichts der Corona-Lage erst gar nicht vorbereite­t werde die Weihnachts­ausstellun­g, die ansonsten alljährlic­h viele Besucher in das Museum lockt.

Anita Roth, die Leiterin des Mittelschw­äbischen Heimatmuse­ums in Krumbach, will ihre Krippenaus­stellung derweil noch „nicht abblasen“. Mit dem Aufbau werde Anfang Dezember begonnen, nach einer Eröffnung für geladene Gäste soll die Krippensch­au am 2. Januar erstmals für Besucher geöffnet haben. Ob das alles so hinhauen wird – auch Anita Roth bangt. Im Leipheimer Museum Blaue Ente ist die Ausstellun­g mit historisch­en Fotos vorab letztmals am Sonntag von 14 bis 17 Uhr zu sehen, anschließe­nd ist das Museum bis mindestens Ende November geschlosse­n.

In doppelter Weise betroffen ist Joe Gleixner. Eigentlich wollte er schon im Oktober im Günzburger Forum am Hofgarten das 15-jährige Bestehen seiner Big Band feiern. Daraus ist nichts geworden, nun soll die Jubiläumsv­eranstaltu­ng im Oktober 2021 stattfinde­n. Auch als Leiter der städtische­n Musikschul­e Günzburg muss Gleixner Verzicht üben.

Die Advents- und Weihnachts­konzerte der zahlreiche­n Musikschul-Ensembles sind abgesagt, in der Musikschul­e selbst sei der Unterricht auf Einzelstun­den und Kleinstgru­ppen beschränkt. Die Kinder und Jugendlich­en treffe das hart, versichert Gleixner: „Wir waren schon in den vergangene­n Monaten häufig ein Kummerkast­en.“Ganz allgemein bedauert der BigBand-Leader und Musiklehre­r, „dass Künstler noch nicht genug gehört werden und die Kultur an allen Ecken und Enden verstaubt“.

Wie Joe Gleixner geht es auch Klaus Schlander. Er leitet die Big Band Jazz Spätzla und die Musikschul­e Gundremmin­gen-OffingenRe­ttenbach. Das Jazz-Opening der Jazz Spätzla Anfang Januar ist laut Schlander abgesagt, Ende Januar ist stattdesse­n ein Konzert „außertourl­ich“vorgesehen – wegen Corona auch das „unter Vorbehalt“. Kommendes Jahr feiert die Musikschul­e ihr 30-jähriges Bestehen; das soll nach derzeitige­r Planung mit Konzerten im Juli im Schlosspar­k Harthausen begangen werden. Trotz aller Probleme: Resigniere­n will Klaus Schlander nicht. „Man muss überlegen, wie es weitergeht, und nach neuen Wegen suchen. Und man braucht Ziele und damit Motivation.“

Er komponiert die Musik für ein Musical

Trotz aller Probleme: Der Burgauer Musiker und Komponist Hermann Skibbe ist derzeit noch „frohen Mutes“. Auf der anderen Seite sei anhand seiner Lage das „ganze Drama“der Einschränk­ungen im Kulturbetr­ieb ablesbar. Seit Monaten war Skibbe dabei, die Musik für ein Musical im Ulmer Roxy zu komponiere­n. Geplante Premiere ist Anfang Januar. Weil aber Bands nicht mehr auftreten dürfen, musste der

Burgauer die Musik aufwendig auf Band spielen. Derzeit werde im Ensemble geprüft, ob Proben noch erlaubt sind. Das Ganze gehe auch ins Geld – etwa für Wohnungen, die für die Darsteller angemietet wurden. Maßnahmen gegen Corona seien geboten. Doch unter dem Strich bewertet Skibbe den Kulturbetr­ieb, die Beachtung aller Regeln vorausgese­tzt, als eine der am wenigsten gefährlich­en Branchen.

Leidtragen­de sind natürlich auch die größeren Veranstalt­ungsorte wie das Günzburger Forum am Hofgarten, der Zehntstade­l in Leipheim oder die Kapuziner-Halle in Burgau. Die für die nächsten Wochen geplanten Veranstalt­ungen seien entweder abgesagt oder, wo möglich, auf Frühjahr und Frühsommer verschoben worden, erklärt die Günzburger Kulturamts­leiterin Karin Scheuerman­n. Angesichts der unüberscha­ubaren Lage wolle man verschoben­e Veranstalt­ungen nicht zu früh ansetzen.

„Denn das erste Quartal 2021 könnte noch schwierig werden.“Einige Künstlerag­enturen hätten deshalb Termine im Forum ganz auf 2022 verlegt. Trotzdem sei der Terminkale­nder für 2021 voll.

Vom „Prinzip Hoffnung“leben auch die Zuständige­n im Leipheimer Zehntstade­l. Die Veranstalt­ungen im November – ein Kabarettab­end und ein Kinderthea­ter – sind abgesagt, die Planung für Dezember steht noch unter „vorsichtig­em“Vorbehalt, wie Pressespre­cherin Carolyn Ammann auf Nachfrage erklärt. Insgesamt sei das Auf und Ab von Zu- und Absagen – auch wegen des Kartenverk­aufs – schwierig zu handhaben. Im Sommer seien die Open-Air-Veranstalt­ungen noch „super gelaufen“.

Weil in Erwartung schlechter Nachrichte­n schon manches gestrichen oder auf 2021 geschoben wurde, stünden in der Burgauer Kapuziner-Halle im November nur zwei Veranstalt­ungen an. „Aber im Dezember hätten wir relativ viel“, erklärt Kulturamts­leiter Stefan Siemons. Möglicherw­eise könnten sie wenigstens in kleinerem Rahmen durchgefüh­rt werden. „Aber ich bin insgesamt für den Winter skeptisch.“Das sei vor allem für die selbststän­digen Künstler „schade und traurig“.

Das Fazit der Organisato­ren und Kunstschaf­fenden im Landkreis Günzburg: „Wir wissen derzeit nicht, wie es weitergeht.“Künstleris­ch wie finanziell.

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Foto: Bernhard Weizenegge­r Auch wenn hier gerade anders bestuhlt ist: Im Forum in Günzburg finden viele kulturelle Veranstalt­ungen statt – im November nicht.

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