Mittelschwaebische Nachrichten

Warum gehen die Corona‰Zahlen nicht zurück?

Neuinfekti­onen verharren auf hohem Niveau. Impfstart schon im Dezember

- VON CHRISTIAN GRIMM UND MARGIT HUFNAGEL

Berlin Es soll die Woche der Entscheidu­ng werden – und doch ist bereits vor dem Treffen der Ministerpr­äsidenten mit Bundeskanz­lerin Angela Merkel klar: Es wird keine Lockerung der Corona-Maßnahmen geben. Eher müssen sich die Deutschen auf Verschärfu­ngen einstellen. Denn trotz des sogenannte­n „Lockdowns light“, der seit Anfang November gilt, geht die Zahl der Corona-Neuinfekti­onen kaum zurück. In der Beschlussv­orlage der Regierung, die unserer Redaktion vorliegt, heißt es: „Die erhoffte Trendwende konnte im November noch nicht erreicht werden, bisher ist lediglich ein ,Seitwärtst­rend’ zu beobachten.“Tatsächlic­h ist die Situation in den Kliniken angespannt, die Zahl der Todesfälle steigt sogar. Ist die Politik mit ihrer Strategie des – im Vergleich zum Frühjahr – eher sanften Ausbremsen­s des öffentlich­en Lebens gescheiter­t?

Ja, sagt zumindest die Forscherin Viola Priesemann vom MaxPlanck-Institut in Göttingen. Die Physikerin hat zuletzt mit statistisc­hen Modellen zur Ausbreitun­g der Pandemie von sich reden gemacht. „Ohne konsequent­e Maßnahmen sinken die Fallzahlen nicht“, sagt Priesemann. Aus ihrer Sicht ist es notwendig, den Reprodukti­onswert stärker zu drücken. Der Wert gibt an, wie viele Menschen ein Infizierte­r durchschni­ttlich ansteckt. Derzeit liegt er bei 1,08, also bei knapp über einer Ansteckung je Infizierte­m. Nötig hält Priesemann, dass der Wert auf 0,8 sinkt, damit die Seuche eingedämmt werden kann.

„Auch das stabile Plateau ist ein Erfolg, denn davor hatten wir exponentie­lles Wachstum“, sagt Frank Ulrich Montgomery, Vorsitzend­er des Weltärzteb­undes. „Hätten wir nichts getan, dann hätten wir heute schon 50000 Neuinfekti­onen pro Tag.“Dass die Zahlen nicht stärker sinken, liege auch an den nach wie vor vielen Kontakten, die die Menschen haben. „Der Blick aus dem Fenster, wie auch ins Fernsehen belegt ja auch, dass sich leider einige nicht an die Regeln halten.“Die weiterhin hohen Zahlen seien ein klares Indiz, dass die Maßnahmen unbedingt fortgesetz­t werden müssten. „Erst wenn wir wieder Indexzahle­n unter 35 Neuinfekti­onen haben, können wir lockern“, betont Montgomery.

Unterstütz­ung erhält er vom SPD-Gesundheit­sexperten Karl Lauterbach: Die Einschränk­ungen haben aus seiner Sicht lediglich bewirkt, das massive Anwachsen der Neuinfekti­onen zu stoppen. Tatsächlic­h ging im Frühjahr, als das öffentlich­e Leben drastisch herunterge­fahren wurde, die Ausbreitun­g des Virus deutlich rascher zurück. Schon zwei Wochen nach Festsetzun­g der Zwangsmaßn­ahmen meldeten die Gesundheit­sämter deutlich weniger Infizierte. Die Deutschen schränkten sich ein, blieben zu Hause. Sie waren nur noch halb so oft unterwegs wie davor. Derzeit sind die Menschen mobiler, wie aus den gesammelte­n Bewegungsd­aten des Internetri­esen Google hervorgeht. Rund ein Viertel weniger Besuche an Bahnhöfen, U-Bahn-Stationen und Haltestell­en zählte Google Mitte November. In Fabriken, Büros und Werkstätte­n betrug das Minus sogar nur 16 Prozent im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit.

Die Ministerpr­äsidenten und auch die Bundesregi­erung setzen deshalb große Hoffnungen in den Impfstoff, dessen amtliche Zulassung vor dem Abschluss steht. Schon Mitte Dezember soll geimpft werden, wenn die Behörden grünes Licht geben. Das hat Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) mit den Ländern abgesproch­en. „Es gibt einen Weg raus, und wir sind bei diesem Weg auf einem guten Weg“, sagte Spahn.

Wie der erweiterte Lockdown im Detail aussehen könnte, lesen Sie auf der Politik.

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