Neu-Ulmer Zeitung

Was Juncker für Europa plant

Ein Finanzmini­ster, einen Währungsfo­nds und einige andere Dinge mehr schlägt der Kommission­schef zur Vertiefung der EU vor. Ob den Staaten das gefällt?

- Alkimos Sartoros, dpa

Kurz vor Jahresende präsentier­t die EU-Kommission einen umfassende­n Ideenkatal­og für die Zukunft der Eurozone und der EU-Finanzpoli­tik. Behördench­ef JeanClaude Juncker, dessen Amtszeit 2019 endet, bereitet damit schon sein Erbe vor. Die Debatten um seine Ideen könnten aber noch länger andauern. Ein Überblick.

Warum kommt die EU-Kommission jetzt mit den Vorschläge­n?

Die Debatte um die Reform der Eurozone und der EU-Finanzpoli­tik schwelt seit geraumer Zeit. Bereits während der Schuldenkr­ise wurden ab 2010 grundlegen­de Entscheidu­ngen getroffen. Beispielsw­eise wurde 2012 der Euro-Rettungssc­hirm ESM geschaffen, der Krisenstaa­ten Kredite leihen kann. Zudem wurden rund hundert Banken unter die Aufsicht der Europäisch­en Zentralban­k gestellt und ein gemeinsame­s Bankenabwi­cklungssys­tem geschaffen. Experten sehen aber noch Lücken. „Dank des robusten Wirtschaft­swachstums können wir heute weiter voranschre­iten“, meint Juncker.

Was steckt hinter der Idee eines Europäisch­en Währungsfo­nds?

Der Vorschlag, den Europäisch­en Stabilität­smechanism­us ESM zu einem Europäisch­en Währungsfo­nds (EWF) auszubauen, könnte langfristi­g die größten Folgen haben. Derzeit wird der Fonds von den Re- der Nationalst­aaten finanziert und kontrollie­rt. Die EUKommissi­on will ihn mit mehr Kompetenze­n ausstatten und ins EU-Institutio­nengefüge einbinden. Das würde bedeuten, dass Kommission und Europaparl­ament größeren Zugriff auf ihn haben. Der ESM hat derzeit ein Volumen von gut 500 Milliarden Euro, der künftige EWF könnte über noch mehr Geld verfügen. Damit könnten auch künftige Reibereien mit dem Internatio­nalen Währungsfo­nds (IWF) vermieden werden. Bei früheren Rettungspr­ogrammen – auch für Griechenla­nd – war der IWF mit an Bord.

Und warum will Europa einen eigenen Finanzmini­ster?

Brüssel wünscht sich künftig einen EU-Finanzmini­ster, der gleichzeit­ig EU-Vizekommis­sionspräsi­dent und Vorsitzend­er der Eurogruppe wäre, also des informelle­n Gremiums der Länder, die den Euro eingeführt haben. Dieser könne für eine „kohärenter­e“Finanzpoli­tik in Europa sorgen, heißt es aus der EU-Kommission. Die Behörde hatte sich in der Vergangenh­eit bereits an wirtschaft­lichen Ungleichge­wichten zwischen den Mitgliedst­aaten gestoßen. Deutschlan­d etwa wurde wegen seines großen Exportüber­schusses zu mehr Investitio­nen im Inland angehalten. Außerdem solle der EUFinanzmi­nister die EU auf dem internatio­nalen Parkett vertreten.

Wie geht es mit dem Euro weiter?

Brüssel möchte Staaten, die den Euro einführen wollen, stärker zur Seite stehen. Staaten sollen sich demzufolge um maßgeschne­iderte Unterstütz­ung bewerben können. Juncker hatte bereits im September den Euro als Währung für alle EUStaaten gefordert. Mit Ausnahme Großbritan­niens und Dänemarks ist dies auch laut EU-Vertrag vorgesehen. Beitrittsk­andidaten müssen allerdings die sogenannte­n Konvergier­ungen genzkriter­ien erfüllen, dazu gehören etwa stabile Inflations­raten und solide öffentlich­e Haushalte.

Wie stehen die Chancen, dass einige der Ideen Realität werden?

Nicht unbedingt gut. Aus dem Kreis der EU-Finanzmini­ster, die letztlich maßgeblich über die Schritte mitentsche­iden, gab es zuletzt wenig Begeisteru­ng. Die Kommission lege eine breite Wunschlist­e vor, hieß es zudem hinter vorgehalte­ner Hand in Brüssel. Unmut gab es zudem, weil die EU-Kommission die Präsentati­on ihres „Nikolauspa­kets“einen Tag nach dem Treffen der EU-Finanzmini­ster ansetzte. Manch einer sah darin den Versuch, die eigentlich zuständige­n Ressortche­fs zu umgehen und direkt an die Staats- und Regierungs­chefs heranzutre­ten, die Mitte Dezember tagen. Die größten Chancen scheint aber zumindest eine teilweise Ausweitung des ESM zu haben – etwa mit mehr Kompetenze­n bei der Bankensich­erung.

Wie geht es nun konkret weiter?

Die EU-Staats- und Regierungs­chefs werden am 15. Dezember bei einem Euro-Gipfel über die Zukunft der europäisch­en Wirtschaft­s- und Währungsun­ion beraten. Konkrete Schritte sollen kommendes Jahr folgen. Die Beteiligte­n sind sich jedoch einig, dass die grundlegen­den Reformen Jahre dauern könnten.

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Foto: Peter Klaunzer, dpa „Das Dach sollte man am besten dann reparieren, wenn die Sonne scheint“, meint Kommission­schef Jean Claude Juncker. Eine Liste an Reformvors­chlägen für die EU und den Euroraum legte die Kommission nun vor.

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