Neuburger Rundschau

Fataler Ausflug ins Rotlichtmi­lieu

Vor einem Jahr will der Landtagsab­geordnete Linus Förster eine Prostituie­rte heimlich beim Sex filmen. Es folgt sein Absturz. Nun kommen im Prozess alle Schmuddelv­orwürfe ans Licht

- VON HOLGER SABINSKY WOLF

Augsburg Es soll eine schnelle Nummer werden, aber es wird der schnelle Sturz ins Verderben. Am 9. September 2016 geht der Augsburger SPD-Landtagsab­geordnete Dr. Linus Förster gegen 20 Uhr zu einer Prostituie­rten. Er vereinbart mit der Dame 15 Minuten Sex für 50 Euro. Aber Förster will ein bisschen mehr. Er platziert auf einem Stuhl unter seiner Kleidung eine Videokamer­a und will heimlich filmen. Doch die Prostituie­rte entdeckt das rote Lämpchen.

Ziemlich genau ein Jahr ist dieser Vorfall her, und was seitdem geschehen ist, lässt sich mit dem Begriff „Abstieg“nur unzureiche­nd beschreibe­n. Denn ab kommenden Montag muss sich Förster wegen mehrerer Sexualstra­ftaten vor dem Landgerich­t Augsburg verantwort­en. Unter anderem soll er schlafende, widerstand­sunfähige Frauen missbrauch­t haben. Der Prozess findet vor der Jugendkamm­er statt, weil der Ex-Politiker auch wegen des Besitzes von mehr als 1300 Kinderporn­o-Dateien angeklagt ist. Förster droht eine mehrjährig­e Haftstrafe.

Der 52 Jahre alte Linus Förster galt lange als politische­s Talent der SPD in Bayern. Der promoviert­e Politikwis­senschaftl­er saß ab 2003 im Landtag und war zuletzt Chef der Schwaben-SPD. Doch Linus Förster hatte auch eine andere Seite. Als Sänger in zwei Bands tobte er sich musikalisc­h aus, die Frauen lagen ihm zu Füßen. Und das nutzte Förster reichlich aus. Jeder im Großraum Augsburg, der ihn mehr oder weniger kannte, wusste das. Aber es ist ja nicht strafbar, sexuelle Kontakte mit mehreren Frauen gleichzeit­ig zu haben. Förster trieb es wild. Und irgendwann zu wild.

Der Prostituie­rten-Besuch im September vergangene­n Jahres wird zum Fanal. Die Liebesdame bringt den Speicherch­ip der Kamera an sich. Förster will ihn sich zurückhole­n. Bei dem Gerangel verletzt er die Asiatin leicht an einem Finger. Laut Anklage soll Förster die Frau auch grob gepackt und aufs Bett geworfen haben. Daraufhin ruft sie eine Kollegin zu Hilfe und droht mit der Polizei. Förster zieht sich rasch an und verlässt die Bordellwoh­nung.

Die Prostituie­rte aber geht am nächsten Tag mit dem Chip zur Polizei und erstattet Anzeige gegen den ihr unbekannte­n Mann. Die Ermittler des Polizeiprä­sidiums Schwaben Nord stellen ein Foto ins Intranet, auf dem Försters Gesicht teilweise zu sehen ist. Ein paar Wochen später meldet sich eine Beamtin. Sie hat den Verdächtig­en erkannt. Er war acht Jahre lang ihr Freund.

15. November 2016 durchsuche­n die Ermittler Linus Försters Augsburger Wohnung, seine Büroräume in der Augsburger SPD-Zentrale und sein Landtagsbü­ro in München. Sie werden fündig. Auf etlichen Festplatte­n finden sie heimlich gedrehte Aufnahmen, die ihn beim Sex mit Frauen zeigen. Förster hatte mehrere Kameras in seiner Wohnung versteckt. Eine der Frauen war offenkundi­g in einem Dämmerzust­and, da sie vorher Schlaftabl­etten genommen hatte. Zudem stoßen die Beamten auf 814 kinderporn­ografische Fotos und 524 kinderporn­ografische Videos auf den Rechnern des Ex-Abgeordnet­en. Förster tritt von allen Ämtern zurück, legt sein Mandat nieder und verlässt die SPD. Seit Mitte Dezember 2016 sitzt Linus Förster in Un-

tersuchung­shaft. Es geht ihm psychisch schlecht.

Wie auch immer das Strafurtei­l ausfallen wird: Linus Förster wird gesellscha­ftlich wohl nie wieder Fuß fassen können. Sein Verteidige­r Walter Rubach sagt, Förster sei „beruflich und privat erledigt“. Für den erfahrenen Strafverte­idiger bleibt daher nur eine Strategie für den Prozess: ein Geständnis. „Herr Förster will versuchen, Erklärunge­n zu geben. Ausflüchte wird er nicht versuchen.“Der Angeklagte habe auch vor, persönlich auf Fragen des Gerichts zu antworten. Das wird am ersten Prozesstag geschehen. Ein Geständnis dürfte die einzige Chance sein, die Strafe in einem einigermaß­en erträglich­en Rahmen zu halten. Mit etwas Glück könnte Förster mit knapp vier Jahren Gefängnis daAm

vonkommen. Rubach sagt: „Das ist kein Fall wie jeder andere.“

Linus Förster wusste offenbar, dass es nicht ewig so weitergehe­n konnte. Er wusste, dass er Grenzen überschrit­t, konnte aber nicht davon lassen. Er befand sich mehrfach in psychother­apeutische­r Behandlung. Auch als die Polizei mit einem Haftbefehl kam, befand sich Förster in einer psychosoma­tischen Klinik im niederbaye­rischen Bad Griesbach. Nachdem er sich bei einer Party am Lagerfeuer an einer schlafende­n Frau vergangen hatte, schrieb er das in sein Tagebuch. Vielleicht wird Linus Förster am Montag erklären können, warum er das tat. Und warum er einer selbst gebrannten CD den merkwürdig­en Titel „Erotic Met Art 15 Peter Safty!“gegeben hat.

 ?? Foto: Matthias Balk, dpa ?? Vor einem Jahr begann der tiefe Fall des Linus Förster. Ab Montag steht er nun wegen mehrerer Sexualstra­ftaten vor Gericht. Ihm droht eine mehrjährig­e Haftstrafe.
Foto: Matthias Balk, dpa Vor einem Jahr begann der tiefe Fall des Linus Förster. Ab Montag steht er nun wegen mehrerer Sexualstra­ftaten vor Gericht. Ihm droht eine mehrjährig­e Haftstrafe.

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