Neuburger Rundschau

„Bloß nicht den Helden spielen“

Olympia-Arzt Wolfarth über die Folgen der extremen Kälte für die Sportler und wie sie sich schützen

- Interview: Milan Sako

Pyeongchan­g Der koreanisch­e Winter hat die Athleten und Zuschauer bei Olympia in Pyeongchan­g fest im Griff. Nicht ungewöhnli­ch, schließlic­h sind es Winterspie­le. Doch Temperatur­en bis zu minus 25 Grad und ein schneidend­er Wind sorgten bereits für Verschiebu­ngen. Olympia-Arzt Prof. Dr. Bernd Wolfarth kennt die Probleme und weiß, was zu tun ist.

Wo liegen die Probleme für die Sportler durch die niedrigen Minustempe­raturen, die durch den starken Wind noch verstärkt werden?

Wolfarth: Bei den Temperatur­en wird es kritisch. Man muss schon unterschei­den, ab wann es gesundheit­sgefährden­d wird. Es gibt von den Fachverbän­den Vorgaben, ab wann der Start erfolgen darf und wann nicht. Das Hauptprobl­em ist die Vorbereitu­ng auf den Wettkampf und das Verhalten danach. Im Wettkampf selbst haben die Athleten die wenigsten Sorgen. Nach dem Wettkampf müssen sich die Sportler so schnell wie möglich vor der Kälte schützen, um zu vermeiden, dass es zu Infekten kommt.

Ab wann sollte man keinen Sport mehr in der Kälte betreiben?

Wolfahrt: Im Biathlon ist es ab minus 20 Grad. Die alpinen Skifahrer haben meines Wissens keine Grenzwerte, da entscheide­t man in der Situation. Die Grenzwerte liegen im Langlauf auch bei minus 20 Grad.

Warum gefährdet die Kälte die Gesundheit?

Wolfarth: Wenn die Lunge überempfin­dlich ist und die kalte Luft auf die Schleimhau­t trifft, dann kommt es zu einer leichten Entzündung­sreaktion. Dann schwillt die Schleimhau­t an und die Lunge wird etwas enger. Die Athleten haben Probleme, genügend Luft zu bekommen. Das klassische Kälte-Asthma tritt auf. Wenn die Schleimhau­t stark gereizt ist, bekommen sie einen Reizhusten.

Was kann man dagegen tun? Wolfarth: Die Sportler müssen mit Kochsalzlö­sung inhalieren, die Atemwege befeuchten und müssen möglichst warme Feuchtigke­it an die Atemwege bringen, um die Schleimhäu­te zu schützen.

Sollte man die Wettbewerb­e wie das Skispringe­n, das zuletzt bis Mitternach­t dauerte, vorverlege­n? Wolfarth: Grundsätzl­ich macht es einen großen Unterschie­d, ob tagsüber die Sonne noch da ist. Aber wir reden nicht um eine Vorverlegu­ng um eine halbe, sondern um fünf bis sechs Stunden. Das wäre etwas angenehmer, noch sind wir in Bereichen, wo durchaus ein Start möglich ist. Aktuell ist der Wind das größere Problem. Wenn es noch fünf bis zehn Grad kälter wäre, müsste man sich überlegen, wie man es in den Griff bekommt.

Wie können sich die Zuschauer gegen die Kälte schützen?

Wolfarth: Ausreichen­d viel anziehen und das Zwiebelsch­alen-Prinzip hilft weiter. Man muss vermeiden, dass es zu eine Unterkühlu­ng kommt. Wenn man merkt, dass man unterkühlt ist, sollte man schauen, dass man in warme Räume kommt. Bloß nicht den Helden spielen wollen und möglichst lange in der Kälte aushalten. Die Warnsignal­e des Körpers muss man wahrnehmen.

Das Norovirus ist ebenfalls ein Thema in Pyeongchan­g. Wie ist der aktuelle Stand?

Wolfarth: Vorneweg ein großes Lob an die koreanisch­en Behörden, weil sie sehr konsequent mit der Situation umgehen. Wir haben hier, Stand heute, 177 Infektione­n im Umfeld. Aber keine einzige in der Mannschaft. Es waren Sicherheit­skräfte und freiwillig­e Helfer betroffen. Sobald ein Fall aufgetauch­t ist, wurde eine umfänglich­e Quarantäne­Situation gemacht. Wenn man bedenkt, wie viele Menschen hier in der Olympia-Region gerade sind, dann ist das ein überschaub­arer Zuwachs. Wir sensibilis­ieren die Athleten, aber wir dürfen auch keine Panik schüren. Die Athleten sollen sich weiter auf den Sport konzentrie­ren. Wie kann man sich vor dem Norovirus schützen?

Wolfarth: Fangen wir beim einfachste­n an, das ist das Händewasch­en. Und wir haben Hand-Desinfekti­onsmittel ausgegeben. Man muss Desinfekti­onsmittel überall verfügbar machen. Wir beobachten genau unsere Athleten, ob jemand über Übelkeit berichtet. Wenn ein Fall auftritt, würden wir extrem schnell mit Quarantäne beginnen.

Was löst das Noro-Virus aus? Wolfarth: Es ist ein klassische­r Brech-Durchfall, der zwar nicht lange anhält, aber intensiv abläuft und keine schönen Erfahrunge­n hinterläss­t.

Bernd Wolfarth, 52, ist inzwischen seit vielen Jahren deutscher Olym pia Arzt. Der Freibur ger leitet hauptberuf­lich die Sportmediz­in der Berliner Charité.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany