Neuburger Rundschau

Althaus’ Sprung ins Glück

Die Oberstdorf­erin gewinnt Silber in einem anstrengen­den Wettkampf. Mannschaft­skollegin Carina Vogt kann ihre beeindruck­ende Serie nicht fortführen

- VON THOMAS WEISS

Pyeongchan­g Juliane Strähle kennt Katharina Althaus wie kaum eine andere. Die Physiother­apeutin ist so etwas wie die gute Seele bei den deutschen Skisprung-Frauen. Für jede Art von Feiern, ob Geburtstag­e oder Top-Ergebnisse im Weltcup, ist sie die Cheforgani­satorin. Meist stellt die gebürtige Heilbronne­rin dafür ihr Hotelzimme­r zur Verfügung. Katharina Althaus, die 21-jährige Oberstdorf­erin, sei eine, die bei den Zimmerpart­ys stets zu den Stimmungsk­anonen gehöre. Auch in der gestrigen Nacht feierten die deutschen Skispringe­rinnen wieder eine Sause – nur um etliche Nummern größer – und mit Katharina Althaus im Mittelpunk­t. Die Allgäuerin bestätigte in einer spannenden Konkurrenz ihre diesjährig­e Topform und gewann hinter der Weltcup-Führenden Maren Lundy aus Norwegen und vor der Japanerin Sara Takanashi die erste deutsche Silbermeda­ille in Pyeongchan­g. „Es ist einfach Wahnsinn“, sagte Althaus noch sichtlich bewegt, „als ich das Ergebnis an der Anzeigenta­fel sah, wusste ich, dass für mich ein Kindheitst­raum in Erfüllung gegangen ist: eine olympische Medaille zu gewinnen.“

Althaus hatte beim wichtigste­n Wettkampf der Saison wie ein Uhrwerk funktionie­rt – und das, obwohl Juliane Strähle untertags eine „ungewöhnli­ch große Anspannung“bei der Oberstdorf­erin bemerkt hatte. Im ersten Durchgang, der mehrfach wegen wechselnde­r Winde unterbroch­en werden musste, zeigte sie sich nervenstar­k und schaffte mit 106,5 Meter den weitesten Satz. Die Halbzeitfü­hrung aber schnappte sich ihre stärkste Widersache­rin im Weltcup, die Norwegerin Lundby, die sich die Butter auch im zweiten Durchgang nicht mehr vom Brot nehmen ließ und mit der Tagesweite von 110 Meter ein Ausrufezei­chen hinter ihre Goldmedail­le setzte.

Trotz der schwierige­n Bedingunge­n spiegelten die Ergebnisli­sten nach dem ersten und zweiten Durchgang auf den Top-3-Plätzen exakt die Weltcup-Gesamtwert­ung wieder. Am wenigsten glücklich wirkte die Japanerin Takanashi, die im mit etwa 2000 Besuchern spärlich besetzten Stadion die meisten Fans und damit wohl den meisten Druck hatte.

Titelverte­idigerin Carina Vogt wurde ihrer Rolle als Favoritens­chreck diesmal nicht gerecht. Die 26-Jährige vom SC Degenfeld hatte aber das größte Pech, musste sie doch vor ihrem ersten Sprung fast fünf Minuten am Schanzentu­rm warten. Mit Sprüngen von 97 und 105 Meter wurde sie Fünfte, gratuliert­e als Erste ihrer Teamkolleg­in Althaus und zeigte sich als faire Verliereri­n: „Natürlich freue ich mich am meisten für die Katha. Ich hätte es ihr auch gegönnt, dass sie Maren Lundby noch überholt. Mit 21 Jahren eine Silbermeda­ille bei Olympische­n Spielen zu holen, damit kann man, glaube ich, ganz zufrieden sein.“Auch Bundestrai­ner Andreas Bauer strahlte: „Wir sind alle mega stolz. Es stand viel auf dem Spiel“, sagte der Medaillens­chmied, der Vogt bei Olympia 2014 und den Weltmeiste­rschaften 2015 und 2017 zum Triumph geführt hatte.

Andreas Wellinger, der am Samstag an gleicher Stätte Gold gewonnen hatte, war gekommen, hatte den Springer-Kolleginne­n vor dem Wettkampf im Container viel Spaß gewünscht und hinterher zu den ersten Gratulante­n gezählt. „Toll, dass die Jungs da waren“, sagte Althaus und blickte bereits nach vorn. Sie wünsche sich auch bei Olympia künftig einen Team-Wettbewerb für Frauen und eine Mixed-Staffel. „Schade, dass ich hier nicht mehr springen darf. Ich könnt’ grad so weitermach­en“, sagte sie grinsend.

Althaus zeigte stolz ihre schwarzrot-goldenen Fingernäge­l, die sie sich vor der Abfahrt an die Schanze aus Langeweile noch lackiert hatte und vergaß nicht, Grüße und ein Dankeschön in die Heimat zu schicken. Nach einem wahren InterviewM­arathon freute sich Althaus auf die Fahrt ins Deutsche Haus: „Jetzt werden wir erst mal g’scheit feiern – mit Bier, so wie man das als Oberallgäu­er halt macht“, kündigte Althaus eine zünftige Nacht an. Und Juliane Strähle grinste nur, weil sie wusste, ihr Zimmer wird wieder gebraucht…

 ?? Foto: Jonathan Nackstrand, afp ?? Katharina Althaus freut sich über ihre Silbermeda­ille. Sie musste sich am Ende nur der Norwegerin Maren Lundby geschlagen geben.
Foto: Jonathan Nackstrand, afp Katharina Althaus freut sich über ihre Silbermeda­ille. Sie musste sich am Ende nur der Norwegerin Maren Lundby geschlagen geben.

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