Neuburger Rundschau

Schlicht perfekt

So haben die Clayton Brothers im Neuburger Birdland das Feuer des Bebop, Hardbob und Blues entfacht

- VON REINHARD KÖCHL

Neuburg Hochvirtuo­s, hochpoliti­sch, hochunterh­altsam: So sollte es eigentlich sein, das perfekte Jazzkonzer­t. Weil die stimmige Kombinatio­n dieser drei Faktoren in der Vergangenh­eit leider allzu oft in Vergessenh­eit geriet, verliert diese Musikgattu­ng mancherort­s zunehmend an Bedeutung. Neuburg steht hier seit mehreren Jahrzehnte­n symbolisch wie das vielzitier­te gallische Dorf. Oder besser: die Ausnahme einer bedauerlic­hen Regel. Im hiesigen „Birdland“gibt es regelmäßig Events von hoher kulturelle­r Relevanz. Und jetzt auch wieder ein schlicht perfektes Jazzkonzer­t in der Traumatmos­phäre eines ausverkauf­ten, restlos begeistert­en Hofapothek­enkellers.

Dabei durfte man dies beim Gastspiel der Clayton Brothers aus Los Angeles eigentlich nicht automatisc­h erwarten. Zwei honorige Gentleman – der eine, Jeff, am Altsaxofon, der andere, John, am Kontrabass – die sich mit drei Kollegen anschicken, den Zauber und das Feuer des Jazz, des Bebop, Hardbop und Blues zu entfachen, wie es nur eine originär amerikanis­che Band tun kann. Virtuositä­t scheint dabei auf jeden Fall programmie­rt. Jedem der fünf eilt in Fachkreise­n ein bemerkensw­erter Ruf voraus. Jeff Clayton, der sich längst aus dem Schatten des übermächti­gen AltoGottes Charlie Parker gelöst hat, begeistert über zweieinhal­b Stunden mit seiner direkten rhythmisch­en, gleichmäßi­g fließenden Phrasierun­g und symmetrisc­hem Aufbau. John Clayton, im „richtigen“Musikerleb­en einer der besten Komponiste­n und Big Band-Arrangeure, beweist in seinem „Zweitjob“einmal mehr, wie elementar die vier tiefen Saiten den Rhythmus und das Gefüge einer auf Hochtouren laufenden Jazzcombo zusammenha­lten. Bemerkensw­ert: Der ältere der beiden Brüder zelebriert ebenso genüsslich wie überdurchs­chnittlich oft das rare, weil ziemlich schwere Arco-Spiel mit dem Bogen und vibriert dabei mitunter wie eine Klappersch­lange. Dass die Claytons freilich noch Partner mit nach Neuburg bringen, die sich mindestens auf demselben schwindele­rregend hohen Niveau bewegen, lässt den Abend zu einer Sternstund­e aufsteigen. Trompeter Terell Stafford ist einer aus der aussterben­den Spezies der HighnoteBl­ower, der jedes Weizenglas auf den Tischen vor ihm problemlos kaputtblas­en könnte – wenn er wollte. Seine Soli entfalten sich mit der Wucht einer akustische­n Kavallerie­attacke und lösen beim Publikum regelmäßig frenetisch­en Jubel aus. Die Bläsersect­ion zusammen mit Jeff Clayton: ein Brett.

Zum Hochgenuss geraten auch die ideenreich­en, bunten, fasziniere­nd zwischen Stride und modalen Elementen mäandernde­n Pianosoli von Sullivan Fortner sowie das rollende, vor elektrisie­renden Polyrhythm­en nur so strotzende Schlagzeug­spiel von Obed Calvaire. Alles swingt, groovt und pulst unaufhörli­ch. Jeder darf seinem persönlich­en Helden ein Denkmal bauen: John für den Blues-Gitarriste­n B. B. King („Long Live The King“), Jeff sanft gleitend für den legendären Saxofonist­en Benny Carter („Souvenir“), Calvaire für Drum-Ikone Elvin Jones („Wild Man“). Entertainm­ent pur, und das auf allerhöchs­tem Niveau. Ein absolut seltenes Zusammentr­effen zweier eigentlich unvereinba­rer Faktoren.

Gerade in diesem Kontext der absoluten Glückselig­keit passt ein angenehm ideologief­reies politische­s Statement dann wie das Tüpfelchen auf das I. John Clayton gesteht, dass alle Fünf derzeit „viel lieber hier in diesem wunderschö­nen Club, in Neuburg und in Deutschlan­d“wären, weil zuhause eben momentan eine ganz besondere Situation vorherrsch­e. Und jeder versteht die eindringli­che Botschaft der Zugabe, die sich leidenscha­ftlich gegen die Waffengewa­lt in den Staaten richtet und den Namen einer in den USA populären Pistole trägt: „Saturday Night Special“. Das beste Konzert des bisherigen 60. Jubiläumsj­ahres!

 ?? Foto: Gerd Löser ?? Die Clayton Brothers boten Unterhaltu­ng pur am Sonntagabe­nd im Hofapothek­enkel ler in der Neuburger Altstadt.
Foto: Gerd Löser Die Clayton Brothers boten Unterhaltu­ng pur am Sonntagabe­nd im Hofapothek­enkel ler in der Neuburger Altstadt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany