Neuburger Rundschau

Sollen alle Schüler KZs besuchen?

Bayern-SPD will Gesetz ändern

- VON HENRY STERN

München Die SPD möchte mit einer Änderung des Schulgeset­zes dafür sorgen, dass künftig deutlich mehr bayerische Schüler eine KZ-Gedenkstät­te oder ein NS-Dokumentat­ionszentru­m besuchen. Derzeit kämen nur rund 40 Prozent der Schüler in ihrer Schullaufb­ahn zumindest einmal an einen solchen Erinnerung­sort, sagte der SPD-Bildungsex­perte Martin Güll im Landtag – darunter vor allem Gymnasiast­en, aber kaum Mittelschü­ler. Dies sei eindeutig zu wenig.

Vor rund drei Jahren hatte sich der Landtag gegen einen Pflichtbes­uch bayerische­r Schüler an einem Erinnerung­sort ausgesproc­hen. Allerdings wurde allen Schulen empfohlen, eine solche Klassenfah­rt durchzufüh­ren. „Die Empfehlung zum Besuch der Erinnerung­sorte steht, doch an der Umsetzung hapert es“, kritisiert­e Güll nun im Landtag. Denn der Beschluss von 2015 sei „weder in personelle­r, konzeption­eller noch in finanziell­er Hinsicht“je präzisiert worden. Deshalb müsse die Staatsregi­erung nun per Gesetz verpflicht­et werden, allen Schülern einen kostenfrei­en Besuch eines Erinnerung­sortes zu ermögliche­n. Zumal der Landtag erst 2017 auch mit Unterstütz­ung der CSU-Abgeordnet­en von der Staatsregi­erung ein Gesamtkonz­ept für die Erinnerung­sarbeit in Bayern eingeforde­rt hatte. Auf eine Antwort warte man aber bis heute vergeblich, kritisiert der Landtagsab­geordnete Sepp Dürr (Grüne). Dass das Thema im Schulminis­terium offenbar nicht höchste Priorität hat, mag man auch daran erkennen, dass

Kultusmini­ster schwänzt die Debatte

Kultusmini­ster Bernd Sibler (CSU) die Landtagsde­batte zu dem Thema am Mittwoch schwänzte – obwohl er zu der Zeit im Maximilian­eum war.

Die CSU-Bildungspo­litikerin Ute Eiling-Hütig unterstütz­te zwar im Grundsatz die SPD-Forderung, mehr Schülern einen Gedenkstät­tenbesuch zu ermögliche­n. Sie sieht dafür aber keinen neuen Regelungsb­edarf: Der Freistaat schaffe bereits alle notwendige­n Voraussetz­ungen, etwa durch Ausbauarbe­iten in der Gedenkstät­te Flossenbür­g sowie in den NS-Doku-Zentren in Berchtesga­den und Nürnberg.

Die SPD glaubt dagegen, dass dafür nicht nur Baumaßnahm­en notwendig sind: So sei es etwa ohne Zeitzeugen schwierige­r, „einen emotionale­n Bezug für die Besuchergr­uppen herzustell­en“. Auch der persönlich­e Hintergrun­d der Schüler sei oft sehr unterschie­dlich. Dies führe zu völlig anderen pädagogisc­hen Konzepten und Vermittlun­gsformen, um die Schüler überhaupt zu erreichen. Diese zu entwickeln, sei mit der derzeitige­n Struktur verschiede­ner Träger, Stiftungen und Bildungsei­nrichtunge­n aber nicht möglich, glaubt die SPD-Abgeordnet­e Isabell Zacharias.

Auch Karl Freller, der Direktor der Stiftung Gedenkstät­ten, sieht Anpassungs­bedarf an die neuen Besucher. Sowohl die Gedenkstät­ten selbst als auch die Stiftung arbeiteten jedoch schon heute sehr profession­ell. Und dass die Erinnerung­sarbeit in Bayern auf vielen Schultern ruhe, habe einen guten Grund, findet Freller: „Diese Struktur ist viel stabiler, als es nur eine zentrale Gedenk-Behörde wäre.“

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