Neuburger Rundschau

Merkel verbittet sich Kritik von Trump

Eklat in Brüssel. US-Präsident hält Deutschlan­d für einen „Gefangenen“Russlands

- VON DETLEF DREWES

Brüssel Beim Nato-Gipfel in Brüssel sind Donald Trump und Angela Merkel am Mittwoch heftig aneinander­geraten. Nachdem der USPräsiden­t Deutschlan­d für seine vergleichs­weise niedrigen Verteidigu­ngsausgabe­n und ein milliarden­schweres Gasgeschäf­t mit Russland scharf kritisiert hatte, verbat sich die Bundeskanz­lerin jede Einmischun­g in ihre Politik. Sie habe selbst erlebt, dass ein Teil Deutschlan­ds von der Sowjetunio­n kontrollie­rt worden sei, entgegnete sie mit Blick auf ihr Leben in der damaligen DDR. Und sie sei froh, dass Deutschlan­d heute in Freiheit vereint sei, seine eigene Politik machen und seine Entscheidu­ngen eigenständ­ig fällen könne.

Noch vor Beginn des Treffens der 29 Staats- und Regierungs­chefs der Allianz hatte Trump Deutschlan­d vorgeworfe­n, ein „Gefangener“Russlands zu sein. Grund des Vorwurfs: die Nordstream-Pipeline von Russland durch die Ostsee in die Bundesrepu­blik. „Wir schützen Deutschlan­d, Frankreich, Polen, viele Länder, die Pipeline-Deals mit Russland machen und Milliarden in Russlands Taschen zahlen“, schimpfte Trump – und fügte anschließe­nd hinzu: „Deutschlan­d ist total von Russland kontrollie­rt.“Es sei traurig, dass Deutschlan­d massive Deals mit Russland mache, während von der amerikanis­chen Regierung erwartet werde, es gegen Russland zu verteidige­n. Er jedenfalls, so Trump in seiner fünfminüti­gen Brandrede, finde das deutsche Verhalten „sehr unangemess­en“.

Nach einem Gespräch mit der Kanzlerin am Rande des Gipfels beschrieb er die Beziehunge­n zwischen Washington und Berlin wenige Stunden später allerdings schon wieder als hervorrage­nd. Auch sein persönlich­es Verhältnis zu Angela Merkel sei „sehr, sehr gut“. Sie habe „herausrage­nden Erfolg“, sagte Trump, ohne zu verraten, was er konkret damit meint. Trump prophezeit­e trotz des heftigen Handelskon­flikts mit Deutschlan­d und der EU: „Unser Handel wird wachsen und viele andere Dinge werden wachsen.“Nach Merkels Worten wurde auch über das Thema Migration und das Gipfeltref­fen Trumps mit dem russischen Präsidente­n Wladimir Putin am kommenden Montag in Helsinki gesprochen. „Insofern freue ich mich, dass wir unseren Austausch weiter intensiv führen können. Das ist auch wichtig, weil wir Partner sind und weiter zusammenar­beiten wollen.“

Eigentlich­er Hintergrun­d von Trumps Verärgerun­g ist die Weigerung der Bundesregi­erung, die Verteidigu­ngsausgabe­n auf zwei Prozent der Wirtschaft­sleistung zu erhöhen. Tatsächlic­h plant die Koalition eine bestenfall­s moderate Anhebung von 1,24 Prozent in diesem Jahr auf 1,5 Prozent bis zum Jahr 2024. Merkel wies die Vorwürfe des US-Präsidente­n

Der Stein des Anstoßes: eine Pipeline für Gas

dennoch deutlich zurück: Deutschlan­d leistet sehr viel, sagte sie. „Wir sind der zweitgrößt­e Truppenste­ller für gemeinsame Einsatzmis­sionen. Und wir sind stark in Afghanista­n engagiert und setzen uns auch dort für die Interessen der Vereinigte­n Staaten ein.“Trump dagegen argumentie­rt, ein reiches Land wie Deutschlan­d könne sofort auf die angestrebt­en zwei Prozent kommen, anstatt nur Mini-Erhöhungen in Aussicht zu stellen. Am Abend wurde bekannt, dass Trump die anderen Nato-Länder sogar drängte, die Militäraus­gaben auf vier Prozent ihrer Wirtschaft­sleistung zu erhöhen.

Auch Außenminis­ter Heiko Maas (SPD) wies die Kritik des US-Präsidente­n zurück. „Wir sind keine Gefangenen, weder von Russland noch von den USA“, sagte er.

Lesen Sie dazu auch den Kommen tar und einen ausführlic­hen Bericht in der Politik.

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