Neuburger Rundschau

Das Gesetz leidet unter einem Geburtsfeh­ler

- VON ANDREAS KORNES ako@augsburger‰allgemeine.de

Die Illusion eines sauberen Spitzenspo­rts lebt davon, dass nicht allzu oft hinter die Kulissen geleuchtet wird. Am besten gar nicht. Wer sich allerdings anhört, was in dem Prozess gegen den Dopingarzt Mark S. von Zeugen und Beteiligte­n berichtet wird, der fällt schnell vom Glauben ab, so er ihn noch hat. Doping wirkt dort wie etwas ganz Alltäglich­es im Leben eines Spitzenspo­rtlers. Vielleicht auch deshalb ist das Unrechtsbe­wusstsein vieler überführte­r Dopingsünd­er so mangelhaft ausgeprägt. Sie sehen sich nicht als Betrüger, schließlic­h dopen doch alle.

In dieser Absoluthei­t stimmt das vermutlich nicht. Es gibt ihn sicherlich: Den sauberen Sportler, der es mit Talent und Training nach oben geschafft hat. Trotzdem passen die Aussagen und Eindrücke aus dem Prozess nicht zu dem, was im Antidoping­kampf tatsächlic­h gefunden wird. Verschwind­end gering ist die Zahl derer, die bei Dopingkont­rollen auffliegen.

Und so zeigt der Prozess einmal mehr, wie wertvoll das Antidoping­gesetz ist, das es in Deutschlan­d seit 2015 gibt. Lange hatte sich der Sport dagegen gewehrt und auf seine Selbstrein­igungskräf­te verwiesen. Das ist aber Augenwisch­erei, was übrigens nicht nur für den Sport gilt. Warum sollte sich ein Geschäftsm­odell selbst maßregeln, das für die Mehrheit der Beteiligte­n prima funktionie­rt? Dem modernen Profisport schadet es erst einmal, wenn zu viele Dopingfäll­e bekannt werden. Hin und wieder einer ist okay und gilt als Beleg für den erfolgreic­hen Kampf gegen den Betrug. Systematis­ches Doping allerdings würde das Vertrauen in die Sauberkeit der gezeigten Leistungen grundlegen­d erschütter­n. Eine solche Krise hat der Radsport erlebt, der in Deutschlan­d seit dem Dopingskan­dal rund um das Team Telekom lange nur noch ein Nischendas­ein fristete.

Langfristi­g kann nur ein ernsthafte­r Antidoping­kampf die Glaubwürdi­gkeit des Sports sichern. Da hilft es sehr, wenn Staatsanwä­lte auf die Jagd nach Dopingsünd­ern gehen. Denn sie verfügen über ein großes Repertoire an Möglichkei­ten, auch an die Hintermänn­er heranzukom­men – zu beobachten ist das beim Prozess in München.

Allerdings leidet das Antidoping­gesetz nach wie vor unter einem Geburtsfeh­ler: Es fehlt eine Kronzeugen­regelung – und damit ein entscheide­nder Anreiz für Insider, ihr Wissen preiszugeb­en. Bislang würden sie sich damit nur selbst in Schwierigk­eiten bringen. Zwar scheint der politische Wille vorhanden, das Gesetz zu ändern. Noch aber ist es nicht so weit. Und solange das so ist, wird eben nur sehr selten hinter die Kulissen eines Geschäftsm­odells geleuchtet, in dem Betrug viele Vorteile bietet.

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Foto: dpa Doping scheint im Spitzenspo­rt weitver‰ breitet zu sein.
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