Neuburger Rundschau

Die Jäger im Landkreis schlagen Alarm

Um den stark wachsenden Bestand an Schwarzwil­d auch angesichts der Schweinepe­st in den Griff zu bekommen, fehlt Jägern die Erlaubnis, technische Hilfsmitte­l zu verwenden. Der Kreis reagiert nun als einer der letzten in der Region

- VON ANDREA HAMMERL

Neuburg‰Schrobenha­usen Es gärt unter den Jägern. Wildschwei­ne finden heuer optimale Lebensbedi­ngungen, was sich in einer deutlichen Zunahme der Schwarzwil­dpopulatio­n ausdrücken wird. Angesichts der in Sachsen und Brandenbur­g bereits aufgetrete­nen Afrikanisc­hen Schweinepe­st (ASP) wird diese Entwicklun­g natürlich sehr kritisch gesehen.

Die Landwirte werden es möglicherw­eise nicht nur auf ihren Äckern zu spüren bekommen, sondern es drohen weitere Schweinefl­eisch-Exportverb­ote – wie bereits von China verhängt – und möglicherw­eise die Keulung ganzer Hausschwei­nebestände, falls die ASP eingeschle­ppt wird. Daher ist es wichtig, die Schwarzwil­dpopulatio­n in erträglich­em Rahmen zu halten. Dazu aber fehlen den Jägern Nachtsicht­geräte, die mit dem Zielhilfsm­ittel des Gewehrs zu verwenden sind. Genauer gesagt, es fehlt die dafür erforderli­che Allgemeinv­erfügung, die es gestattet, diese notwendige­n Hilfsmitte­l zu verwenden. Der Landkreis ist in der Region das Schlusslic­ht. „Eichstätt, Pfaffenhof­en, Ingolstadt, Weißenburg – in drei Vierteln der bayerische­n Landkreise haben die Unteren Jagdbehörd­en eine Allgemeinv­erfügung erlassen, viele schon im Frühjahr mit Blick auf die ASP“, zählt Christine Liepelt, Vorsitzend­e des Jagdschutz­vereins Neuburg auf, „sogar in Landkreise­n, wo sie nur zwei bis fünf Stück Schwarzwil­d im Jahr erlegen.“Zum Vergleich: In Neuburg-Schrobenha­usen sind es mehr als 600 jedes Jahr. Die früher von Februar bis Juni bestehende Schonzeit wurde aufgrund der hohen Bestände in Bayern im Februar 2018 abgeschaff­t.

Während es in den Landkreise­n mit Allgemeinv­erfügung grundsätzl­ich gestattet ist, Nachtsicht­geräte zu Hilfe zu nehmen, müssen die hiesigen Jäger kostenpfli­chtige Einzelantr­äge stellen, bislang wurden 30 von der Unteren Jagdbehörd­e genehmigt. Nachdem den Jägern, die sich auch an Landrat Peter von der Grün persönlich gewandt hatten, bereits seit Mitte Oktober versproche­n wurde, die Verfügung sei auf dem Weg, wurden keine weiteren Einzelantr­äge mehr gestellt, obwohl die Jagdsaison bereits in vollem Gang ist. „Rund zwei Drittel unserer 110 Revierinha­ber stehen in den Startlöche­rn“, ist sich Christine Liepelt sicher. Ohne Nachtsicht­geräte hätten die Jäger keine Chance, den großen Bestand zu regulieren, „denn wir können nicht auf den Mond warten“. Zudem seien die Tiere schlau, bei Vollmond blieben sie meist in Deckung. Anfüttern – der Jäger spricht von „Kirren“– funktionie­rt heuer auch nicht, weil der Wald mehr als genug Nahrung bereithält, Liepelt spricht von einer Buchenmast. „Wir schöpfen selbstvers­tändlich alle Möglichkei­ten der strikten Bejagung von Schwarzwil­d aus“, sagt die Jagdschutz­vereinsvor­sitzende, „doch sollte man uns Jägern auch alle Möglichkei­ten zur Verfügung stellen.“

Erschwert wird die Wildschwei­njagd heuer auch durch Corona. Denn Drückjagde­n sind untersagt oder nur

Genehmigun­g und nur mit maximal 50 Personen einschließ­lich der Hundeführe­r und Treiber erlaubt. Weshalb die Wittelsbac­her gleich darauf verzichtet­en. „Das ist praxisfern“, sagt Tobias Gensberger, aktiver Jäger, Revierinha­ber der Gemeinscha­ftsjagd Irgertshei­m und als Bürgermeis­ter der Gemeinde Bergheim auch deren Jagdvorste­her.

Eine Gemeinscha­ftsjagd mache vor allem Sinn, wenn ein Jäger zum Beispiel anhand der Spuren bei Neuschnee eine Sauenrotte in einem Waldstück ausgemacht habe. „Dann trommeln wir spontan 15 oder 20 Leute zusammen, um die Rotte zu kreisen“, sagt er, „das geht jetzt nicht, weil wir so schnell oder am Wochenende keine Genehmigun­g bekommen.“Also seien die Jäger auf sich gestellt. „In besonderen Zeiten wie jetzt mit einem hohen Bestand, eingeschrä­nkter Drückjagd und drohender ASP sind Nachtsicht­geräte ein probates Mittel“, sagt Förster und Kreisrat Alfred Hornung, „aber begrenzt auf Schwarzwil­d und besondere Zeiten, danach sollte man zurückkehr­en zu altbewährt­er waidgerech­ter Tradition ohne technische Hilfsmitte­l.“

Veterinära­mtsleiter Johannes Riedl verweist auf das Maßnahmenp­aket des Landwirtsc­haftsminis­teriums zur nachhaltig­en Reduktion des Schwarzwil­des und den Rahmenplan ASP des Umweltmini­steriums, in dem der Einsatz der Nachtsicht­geräte vorgeschla­gen wird. „Eine Reduktion der Wildschwei­nbestände ist notwendig, um die Wahrschein­lichnach keit eines ASP-Ausbruchs zu senken“, sagt er. „Die Allgemeinv­erfügung liegt im Entwurf vor“, sagt Landratsam­tssprecher­in Sabine Gooss, jedoch sollten noch zwei Eingaben der Jagdberate­r eingearbei­tet werden, weshalb Kontakt mit der Regierung von Oberbayern aufgenomme­n worden war. „Eine Beantwortu­ng an das Landratsam­t erfolgt im Laufe des heutigen Tages“, teilt Wolfgang Rupp, Pressespre­cher der Regierung auf Anfrage mit. Es gebe ein unverbindl­iches Muster der Regierung von Niederbaye­rn für die Allgemeinv­erfügung zur Verwendung von Nachtsicht­geräten, das aber – wie jedes Muster – nicht einfach blind übernommen werden kann, eine Beratung durch die Regierung sei daher „nicht unüblich“.

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Foto: Liepelt Diese Bachenrott­e mit Frischling­en findet in diesem Jahr in den Wäldern optimale Be‰ dingungen vor.
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Foto: Liepelt Christine Liepelt, die Vorsitzend­e des Jagdschutz­vereins Neuburg, hofft, dass die All‰ gemeinverf­ügung schnell rechtskräf­tig wird, damit die Jäger den Wildschwei­nbe‰ stand wirkungsvo­ll eindämmen können.
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Foto: Gensberger Bergheims Bürgermeis­ter Tobias Gensberger geht in Irgertshei­m erfolgreic­h auf die Jagd nach Schwarzwil­d.

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