Die Jäger im Landkreis schlagen Alarm
Um den stark wachsenden Bestand an Schwarzwild auch angesichts der Schweinepest in den Griff zu bekommen, fehlt Jägern die Erlaubnis, technische Hilfsmittel zu verwenden. Der Kreis reagiert nun als einer der letzten in der Region
NeuburgSchrobenhausen Es gärt unter den Jägern. Wildschweine finden heuer optimale Lebensbedingungen, was sich in einer deutlichen Zunahme der Schwarzwildpopulation ausdrücken wird. Angesichts der in Sachsen und Brandenburg bereits aufgetretenen Afrikanischen Schweinepest (ASP) wird diese Entwicklung natürlich sehr kritisch gesehen.
Die Landwirte werden es möglicherweise nicht nur auf ihren Äckern zu spüren bekommen, sondern es drohen weitere Schweinefleisch-Exportverbote – wie bereits von China verhängt – und möglicherweise die Keulung ganzer Hausschweinebestände, falls die ASP eingeschleppt wird. Daher ist es wichtig, die Schwarzwildpopulation in erträglichem Rahmen zu halten. Dazu aber fehlen den Jägern Nachtsichtgeräte, die mit dem Zielhilfsmittel des Gewehrs zu verwenden sind. Genauer gesagt, es fehlt die dafür erforderliche Allgemeinverfügung, die es gestattet, diese notwendigen Hilfsmittel zu verwenden. Der Landkreis ist in der Region das Schlusslicht. „Eichstätt, Pfaffenhofen, Ingolstadt, Weißenburg – in drei Vierteln der bayerischen Landkreise haben die Unteren Jagdbehörden eine Allgemeinverfügung erlassen, viele schon im Frühjahr mit Blick auf die ASP“, zählt Christine Liepelt, Vorsitzende des Jagdschutzvereins Neuburg auf, „sogar in Landkreisen, wo sie nur zwei bis fünf Stück Schwarzwild im Jahr erlegen.“Zum Vergleich: In Neuburg-Schrobenhausen sind es mehr als 600 jedes Jahr. Die früher von Februar bis Juni bestehende Schonzeit wurde aufgrund der hohen Bestände in Bayern im Februar 2018 abgeschafft.
Während es in den Landkreisen mit Allgemeinverfügung grundsätzlich gestattet ist, Nachtsichtgeräte zu Hilfe zu nehmen, müssen die hiesigen Jäger kostenpflichtige Einzelanträge stellen, bislang wurden 30 von der Unteren Jagdbehörde genehmigt. Nachdem den Jägern, die sich auch an Landrat Peter von der Grün persönlich gewandt hatten, bereits seit Mitte Oktober versprochen wurde, die Verfügung sei auf dem Weg, wurden keine weiteren Einzelanträge mehr gestellt, obwohl die Jagdsaison bereits in vollem Gang ist. „Rund zwei Drittel unserer 110 Revierinhaber stehen in den Startlöchern“, ist sich Christine Liepelt sicher. Ohne Nachtsichtgeräte hätten die Jäger keine Chance, den großen Bestand zu regulieren, „denn wir können nicht auf den Mond warten“. Zudem seien die Tiere schlau, bei Vollmond blieben sie meist in Deckung. Anfüttern – der Jäger spricht von „Kirren“– funktioniert heuer auch nicht, weil der Wald mehr als genug Nahrung bereithält, Liepelt spricht von einer Buchenmast. „Wir schöpfen selbstverständlich alle Möglichkeiten der strikten Bejagung von Schwarzwild aus“, sagt die Jagdschutzvereinsvorsitzende, „doch sollte man uns Jägern auch alle Möglichkeiten zur Verfügung stellen.“
Erschwert wird die Wildschweinjagd heuer auch durch Corona. Denn Drückjagden sind untersagt oder nur
Genehmigung und nur mit maximal 50 Personen einschließlich der Hundeführer und Treiber erlaubt. Weshalb die Wittelsbacher gleich darauf verzichteten. „Das ist praxisfern“, sagt Tobias Gensberger, aktiver Jäger, Revierinhaber der Gemeinschaftsjagd Irgertsheim und als Bürgermeister der Gemeinde Bergheim auch deren Jagdvorsteher.
Eine Gemeinschaftsjagd mache vor allem Sinn, wenn ein Jäger zum Beispiel anhand der Spuren bei Neuschnee eine Sauenrotte in einem Waldstück ausgemacht habe. „Dann trommeln wir spontan 15 oder 20 Leute zusammen, um die Rotte zu kreisen“, sagt er, „das geht jetzt nicht, weil wir so schnell oder am Wochenende keine Genehmigung bekommen.“Also seien die Jäger auf sich gestellt. „In besonderen Zeiten wie jetzt mit einem hohen Bestand, eingeschränkter Drückjagd und drohender ASP sind Nachtsichtgeräte ein probates Mittel“, sagt Förster und Kreisrat Alfred Hornung, „aber begrenzt auf Schwarzwild und besondere Zeiten, danach sollte man zurückkehren zu altbewährter waidgerechter Tradition ohne technische Hilfsmittel.“
Veterinäramtsleiter Johannes Riedl verweist auf das Maßnahmenpaket des Landwirtschaftsministeriums zur nachhaltigen Reduktion des Schwarzwildes und den Rahmenplan ASP des Umweltministeriums, in dem der Einsatz der Nachtsichtgeräte vorgeschlagen wird. „Eine Reduktion der Wildschweinbestände ist notwendig, um die Wahrscheinlichnach keit eines ASP-Ausbruchs zu senken“, sagt er. „Die Allgemeinverfügung liegt im Entwurf vor“, sagt Landratsamtssprecherin Sabine Gooss, jedoch sollten noch zwei Eingaben der Jagdberater eingearbeitet werden, weshalb Kontakt mit der Regierung von Oberbayern aufgenommen worden war. „Eine Beantwortung an das Landratsamt erfolgt im Laufe des heutigen Tages“, teilt Wolfgang Rupp, Pressesprecher der Regierung auf Anfrage mit. Es gebe ein unverbindliches Muster der Regierung von Niederbayern für die Allgemeinverfügung zur Verwendung von Nachtsichtgeräten, das aber – wie jedes Muster – nicht einfach blind übernommen werden kann, eine Beratung durch die Regierung sei daher „nicht unüblich“.