Neue Osnabrucker Zeitung - Wallenhorst
Türkei geht gegen deutsche Soldaten vor
Ankara spricht von „inakzeptabler“Durchsuchung eines Frachters vor Libyen
ISTANBUL Im östlichen Mittelmeer wachsen die Spannungen wegen eines Versuchs der Bundeswehr, einen türkischen Frachter auf dem Weg nach Libyen zu durchsuchen. Soldaten der deutschen Fregatte „Hamburg“wollten im Rahmen der europäischen Überwachungsmission Irini im Mittelmeer ein Containerschiff auf Waffen für Libyen überprüfen, mussten das Schiff nach einem Protest aus Ankara aber verlassen.
Sanktionen im Gespräch
Das Außenministerium in Ankara warf der EU ein „inakzeptables“Vorgehen vor. Es war das dritte Mal, dass die Türkei die Waffenkontrollen europäischer Staaten im Mittelmeer verhinderte. Die EU will im Dezember bei einem Gipfel über Sanktionen zur Bestrafung der aggressiven türkischen Politik im Mittelmeer entscheiden. Der neue Vorfall macht EU-Sanktionen wahrscheinlicher. Europa hatte die Türkei mehrmals aufgefordert, „Provokationen“im östlichen Mittelmeer zu unterlassen.
Welche Rüstungsgüter an Bord der „Rosaline A“vermutet wurden, blieb unklar. Der unabhängige Istanbuler Schiffsexperte Yörük Isik sagte unserer Redaktion, das Schiff gehöre zur angesehenen Reederei Arkas. Das Unternehmen würde aus seiner Sicht niemals illegale Güter an Bord eines ihrer Schiffe dulden, betonte er. Arkas ist seit 15 Jahren Partnerin der deutschen Bahn-Tochter DB Schenker. Isik bezweifelte zudem, dass die Türkei es noch nötig habe, Rüstungsgüter per Schiff nach Libyen zu bringen. Ankara schicke seit einiger Zeit viele Transportflugzeuge nach Libyen, sagte er. „Es gibt nichts mehr, was per Schiff transportiert werden müsste.“
Verdächtige Güter wurden auf dem 16000-TonnenFrachter nicht entdeckt. Dem türkischen Außenamt zufolge transportierte die „Rosaline A“humanitäre Hilfsgüter und Farbe aus Istanbul nach Libyen. Die Bundeswehrsoldaten hätten den Kapitän und Besatzungsmitglieder dennoch gewaltsam Leibesvisitationen unterzogen.
Die Türkei unterstützt im Libyen-Konflikt die Regierung in Tripolis im Krieg gegen den Rebellengeneral Khalifa Haftar. Türkische Militärberater und Kampfdrohnen hatten entscheidenden Anteil am Scheitern eines Großangriffs von Haftars Truppen auf die Hauptstadt. Haftar erhält Unterstützung aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, Ägypten und Russland; auch Frankreich steht aufseiten des Generals. Die ausländischen Unterstützer beider Konfliktparteien ignorieren ein UN-Waffenembargo für Libyen. Das türkische Außenamt warf Europa vor, sich mit Irini parteiisch zu verhalten. Die libysche Regierung werde bestraft, während Lieferungen für Haftar nicht überprüft würden.
Rüstungskooperation
Regierungstreue Kommentatoren in den türkischen Medien verlangten eine Entschuldigung von Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Im Sommer hatte die Besatzung eines türkischen Kriegsschiffes
nach französischen Angaben ihren Zielradar drohend auf eine französische Fregatte gerichtet und damit die Durchsuchung eines türkischen Frachters auf dem Weg nach Libyen verhindert. Türkische Kriegsschiffe hinderten zudem griechische Fregatten an der Durchsuchung eines Schiffes.
Gestern wurde zudem bekannt, dass die deutsche Rüstungsindustrie seit 2004 Kriegsschiffe oder Teile dafür im Wert von 1,5 Milliarden Euro in die Türkei exportiert hat. Solche Rüstungslieferungen sind inzwischen wegen des Konflikts der Nato-Partner Griechenland und Türkei um Erdgasvorkommen im Mittelmeer umstritten. Bisher unterbindet die Bundesregierung nur den Export von Rüstungsgütern an die Türkei, die im Syrien-Krieg eingesetzt werden können. Güter für den „maritimen Bereich“werden ausgeführt. Die Regierung Griechenlands hat Berlin aufgefordert, den Exportstopp auf Kriegsschiffe auszuweiten.