Neue Osnabrucker Zeitung - Wallenhorst
Schwieriger Spagat
Hamburger Kultursenator Carsten Brosda ist neuer Präsident des Bühnenvereins
HAMBURG Hamburg hat kulturell einiges zu bieten, zumindest in normalen, pandemiefreien Zeiten: Elbphilharmonie, Kunsthalle, Deichtorhallen, Staatsoper, Schauspielhaus und Thalia Theater, um nur einige der größeren Institutionen zu nennen.
Und Hamburg hat jetzt mit Carsten Brosda (SPD) einen Kultursenator, der seit einigen Tagen auch gewählter Präsident des Deutschen Bühnenvereins ist. Diese Personalie ist eine, bei der man, obwohl Brosda nicht der erste politische Vertreter in dieser Funktion ist, schon einmal aufmerken kann. Denn Brosda sitzt jetzt auf zwei Stühlen, zwischen die er auch schnell mal geraten kann: Nämlich dann, wenn der Interessensvertreter der deutschen Bühnen und Orchester, Carsten Brosda, mit dem Politiker Carsten Brosda um die Verteilung der öffentlichen Mittel – oder noch unangenehmer: um mögliche Kürzungen dergleichen – innerhalb der Hamburger Kultur ringen muss. Das ist natürlich nur eine theoretische Konstellation, denn Brosda wird dann schon wissen, auf wessen Seite er steht.
Ein Interessenskonflikt, der umso bedeutsamer wird, je länger der Lockdown, in dem sich die Hamburger Bühnen unfreiwillig und mit einigem öffentlich vernehmbaren Zähneknirschen befinden, dauert.
Wie soll sich der Kultursenator über eine nicht unwahrscheinliche Verlängerung der Schließung aller städtischen Bühnen über den November hinaus objektiv artikulieren, wenn seine
Carsten Brosda zweite Funktion ihm kaum die Freiheit lässt, gegen die Interessen der Theater zu argumentieren?
Zumal schon die Verteilungskämpfe in der Hansestadt selbst oft genug den ganzen Senator erfordern. Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Bühnen genau beobachten, wo der liebe Herr Brosda denn öfter in der ersten Reihe sitzt und wer bei der nächsten Verhandlung der öffentlichen Zuschüsse mehr Mittel erhält als die anderen.
Als vor Jahren Karin Beier als gefeierte Intendantin des Kölner Schauspielhauses ans Hamburger Schauspielhaus gelockt wurde, war der Beifall für diese Personalie außerhalb der Hansestadt wesentlich lauter als innerhalb – weil jedem Hamburger Kulturverantwortlichen klar war, dass mit der Wunschkandidatin auch über die finanzielle Ausstattung ihrer Bühne verhandelt worden war.
Carsten Brosda kennt diese Themen, und er weiß, dass er als zuständiger Senator auch immer ein Anwalt der Interessen der gesamten Kultur in Hamburg sein muss. Diese Erwartung umfasst aber alle Bereiche und nicht nur die Theater. Man darf gespannt sein, wie der neue Bühnenvereinspräsident Carsten Brosda diesen Spagat hinbekommen wird.