Hochkonjunktur nur für Solidaritätsnetzwerke
Die griechische Wirtschaft schwächelt, die Verhandlungen mit den Gläubigern stocken, aber die Hilfsbereitschaft im Land ist ungebrochen
Griechenland steckt nun auch wieder offiziell in der Krise – das nationale Statistikamt Elstat bestätigte am Freitag den Rückfall in die Rezession. Doch die Menschen rücken weiter zusammen.
Mit vier prall gefüllten Plastiktüten bepackt wirbelt eine kleine Frau durch die Straßen hinein in das Stadtteilbüro von »Piräus Solidarity«. Drinnen diskutieren einige Leute am großen dunklen Holztisch, im Hintergrund läuft Musik. Kaiti Mendoni wird herzlich begrüßt, doch ohne Kommentar verlässt sie das Haus gleich wieder. Zwei Männer stehen auf, um mit ihr Kleiderspenden aus dem Auto zu holen. Bald ist alles im Lager der Initiative in der Gemeinde unweit der griechischen Hauptstadt Athen verstaut.
Lisandros Koyzilos und Kostas Korros planen die nächsten Essensausgaben, die zweimal wöchentlich auf dem Platz vor dem Büro stattfinden. Hinten in der kleinen Küche verstauen Frauen gerade Essensspenden im Tiefkühlschrank: vom Fischmarkt in Piräus durften sie 16 Tüten mit je zehn Kilogramm Fisch abholen.
Korros freut sich, dass auch dieser Markt nun mitzieht. Wegen der Krise seien viele Menschen bedürftig geworden und es dauere einfach, bis nötige Reformen der Regierung greifen. »Die Korruption kann man nicht in zwei Monaten bekämpfen«, so Korros. Die, die noch Arbeit haben, würden ihre Familien und Nachbarn unterstützen. Daher sind sich alle einig, dass der Kurs von SYRIZA, die mit Alexis Tsipras den Premier stellt, richtig ist und Löhne und Renten nicht gekürzt werden dürfen.
Da sich mittlerweile viele Märkte, Läden und Privatpersonen an den Spenden beteiligen, biegen sich die Regale im Lager von »Piräus Solidarity«. Lisandros Koyzilos betont, dass dies zwar wöchentlich 120 Familien versorge, doch eigentlich werde weit mehr Hilfe benötigt.
114 Solidaritätsinitiativen haben sich in den vergangenen Jahren allein im Ballungsraum von Athen gegründet, haben Büros in leerstehenden Räumen eröffnet und kämpfen gegen die Folgen der Wirtschafts- und sozialen Krise. Seit zweieinhalb Jahren besteht bereits »Piräus Solidarity« und unterstützt Menschen nicht nur mit lebensnotwendigen Dingen, sondern wird auch aktiv, wenn Zwangsräumungen anstehen oder organisiert Unterricht für Kinder.
Neun LehrerInnen sorgen dafür, dass der Nachwuchs aus ärmeren Familien mehr Chancen bekommt. »Ohne Nachhilfe ist es nahezu unmöglich, eine Universität zu besuchen. Die Zugangsnoten sind enorm hoch«, berichtet Kaiti Mendoni. In Deutschland sei das Bildungssystem besser. Sie selbst ist froh, dass ihre Tochter in diesem Jahr ein Physikstudium in Dänemark abgeschlossen hat und ihr Sohn dem Abschluss in Architektur an der Athener Universität immer näher kommt. Finanziell könne sie die beiden nur wenig unterstützen. »Von den 800 Euro, die ich als Rente bekomme, muss ich 500 zur Abbezahlung unseres Hauses an die Bank weitergeben«, sagt Mendoni.
Keiner hier glaubt, dass Griechenland von den internationalen Gläubigern fallen gelassen werde. Aber bis zu einer Einigung könnten noch ein oder zwei Jahre vergehen. Von einem »Grexit« will hier keiner etwas wissen, auch wenn nun sogar die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, das Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro nicht mehr ausschließt. »Der Austritt Griechenlands ist eine Möglichkeit«, sagte sie der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« vom Freitag.
Die laufenden Verhandlungen Griechenlands mit dem IWF und der EU dominierten das Treffen der Finanzminister und Notenbankchefs der G7-Gruppe in Dresden. Während der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis die Erwartung äußerte, dass sich beide Seiten bald auf ein »umfassendes und gutes Übereinkommen« verständigen würden, dementierte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble einen bevorstehenden Durchbruch. Die Bundesregierung ließ jedoch mitteilen, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel dabei bleibe, dass »wir daraufhin arbeiten wollen, dass Griechenland Teil des Euroraums bleibt«.
Auch Kaiti Mendoni, Kostas Korros und Lisandros Koyzilos glauben daran, dass man es schaffen muss, in Europa zusammenzustehen. Gegen halb acht abends kehrt etwas Unruhe in ihrem Büro ein, zwei Minister der SYRIZA-geführten Regierung werden auf einem Platz in einem der ärmsten Viertel der Gemeinde sprechen. Und die stellvertretende Ministerin für soziale Solidarität, Theano Fotiou, wollen sie sich nicht entgehen lassen.