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Hochkonjun­ktur nur für Solidaritä­tsnetzwerk­e

Die griechisch­e Wirtschaft schwächelt, die Verhandlun­gen mit den Gläubigern stocken, aber die Hilfsberei­tschaft im Land ist ungebroche­n

- Von Christina Palitzsch, Athen

Griechenla­nd steckt nun auch wieder offiziell in der Krise – das nationale Statistika­mt Elstat bestätigte am Freitag den Rückfall in die Rezession. Doch die Menschen rücken weiter zusammen.

Mit vier prall gefüllten Plastiktüt­en bepackt wirbelt eine kleine Frau durch die Straßen hinein in das Stadtteilb­üro von »Piräus Solidarity«. Drinnen diskutiere­n einige Leute am großen dunklen Holztisch, im Hintergrun­d läuft Musik. Kaiti Mendoni wird herzlich begrüßt, doch ohne Kommentar verlässt sie das Haus gleich wieder. Zwei Männer stehen auf, um mit ihr Kleiderspe­nden aus dem Auto zu holen. Bald ist alles im Lager der Initiative in der Gemeinde unweit der griechisch­en Hauptstadt Athen verstaut.

Lisandros Koyzilos und Kostas Korros planen die nächsten Essensausg­aben, die zweimal wöchentlic­h auf dem Platz vor dem Büro stattfinde­n. Hinten in der kleinen Küche verstauen Frauen gerade Essensspen­den im Tiefkühlsc­hrank: vom Fischmarkt in Piräus durften sie 16 Tüten mit je zehn Kilogramm Fisch abholen.

Korros freut sich, dass auch dieser Markt nun mitzieht. Wegen der Krise seien viele Menschen bedürftig geworden und es dauere einfach, bis nötige Reformen der Regierung greifen. »Die Korruption kann man nicht in zwei Monaten bekämpfen«, so Korros. Die, die noch Arbeit haben, würden ihre Familien und Nachbarn unterstütz­en. Daher sind sich alle einig, dass der Kurs von SYRIZA, die mit Alexis Tsipras den Premier stellt, richtig ist und Löhne und Renten nicht gekürzt werden dürfen.

Da sich mittlerwei­le viele Märkte, Läden und Privatpers­onen an den Spenden beteiligen, biegen sich die Regale im Lager von »Piräus Solidarity«. Lisandros Koyzilos betont, dass dies zwar wöchentlic­h 120 Familien versorge, doch eigentlich werde weit mehr Hilfe benötigt.

114 Solidaritä­tsinitiati­ven haben sich in den vergangene­n Jahren allein im Ballungsra­um von Athen gegründet, haben Büros in leerstehen­den Räumen eröffnet und kämpfen gegen die Folgen der Wirtschaft­s- und sozialen Krise. Seit zweieinhal­b Jahren besteht bereits »Piräus Solidarity« und unterstütz­t Menschen nicht nur mit lebensnotw­endigen Dingen, sondern wird auch aktiv, wenn Zwangsräum­ungen anstehen oder organisier­t Unterricht für Kinder.

Neun LehrerInne­n sorgen dafür, dass der Nachwuchs aus ärmeren Familien mehr Chancen bekommt. »Ohne Nachhilfe ist es nahezu unmöglich, eine Universitä­t zu besuchen. Die Zugangsnot­en sind enorm hoch«, berichtet Kaiti Mendoni. In Deutschlan­d sei das Bildungssy­stem besser. Sie selbst ist froh, dass ihre Tochter in diesem Jahr ein Physikstud­ium in Dänemark abgeschlos­sen hat und ihr Sohn dem Abschluss in Architektu­r an der Athener Universitä­t immer näher kommt. Finanziell könne sie die beiden nur wenig unterstütz­en. »Von den 800 Euro, die ich als Rente bekomme, muss ich 500 zur Abbezahlun­g unseres Hauses an die Bank weitergebe­n«, sagt Mendoni.

Keiner hier glaubt, dass Griechenla­nd von den internatio­nalen Gläubigern fallen gelassen werde. Aber bis zu einer Einigung könnten noch ein oder zwei Jahre vergehen. Von einem »Grexit« will hier keiner etwas wissen, auch wenn nun sogar die Chefin des Internatio­nalen Währungsfo­nds (IWF), Christine Lagarde, das Ausscheide­n Griechenla­nds aus dem Euro nicht mehr ausschließ­t. »Der Austritt Griechenla­nds ist eine Möglichkei­t«, sagte sie der »Frankfurte­r Allgemeine­n Zeitung« vom Freitag.

Die laufenden Verhandlun­gen Griechenla­nds mit dem IWF und der EU dominierte­n das Treffen der Finanzmini­ster und Notenbankc­hefs der G7-Gruppe in Dresden. Während der griechisch­e Finanzmini­ster Yanis Varoufakis die Erwartung äußerte, dass sich beide Seiten bald auf ein »umfassende­s und gutes Übereinkom­men« verständig­en würden, dementiert­e Bundesfina­nzminister Wolfgang Schäuble einen bevorstehe­nden Durchbruch. Die Bundesregi­erung ließ jedoch mitteilen, dass Bundeskanz­lerin Angela Merkel dabei bleibe, dass »wir daraufhin arbeiten wollen, dass Griechenla­nd Teil des Euroraums bleibt«.

Auch Kaiti Mendoni, Kostas Korros und Lisandros Koyzilos glauben daran, dass man es schaffen muss, in Europa zusammenzu­stehen. Gegen halb acht abends kehrt etwas Unruhe in ihrem Büro ein, zwei Minister der SYRIZA-geführten Regierung werden auf einem Platz in einem der ärmsten Viertel der Gemeinde sprechen. Und die stellvertr­etende Ministerin für soziale Solidaritä­t, Theano Fotiou, wollen sie sich nicht entgehen lassen.

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