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Klagerecht light für Tierschütz­er

Ohne Koalitions­kompromiss kommt es zum Volksentsc­heid über Massentier­haltung

- Von Wilfried Neiße

Nach dem erfolgreic­hen Volksbegeh­ren gegen Massentier­haltung muss die rot-rote Koalition im Landtag einen akzeptable­n Kompromiss vorlegen. Andernfall­s kommt es zu einem Volksentsc­heid. Dem Vernehmen nach debattiere­n SPD und LINKE hinter verschloss­enen Türen derzeit über das in dem mit rund 103 000 Unterschri­ften erfolgreic­hen Volksbegeh­ren geforderte Verbandskl­agerecht. Aus Sicht des Bündnisses Agrarwende muss Tierschutz­verbänden ein Klagerecht gegen Genehmigun­gen von Anlagen und bei Missstände­n in der Tierhaltun­g eingeräumt werden. Während die SPD strikt vermeiden will, dass Tierschütz­er ein Klagerecht erhalten, könnten die LINKEN sich eine abgeschwäc­hte Variante davon vorstellen.

»Ein umfassende­s Verbandskl­agerecht wird es mit der SPD-Landtagsfr­aktion nicht geben«, hatte dazu Fraktionsc­hef Mike Bischoff unumwunden erklärt. Denn ein solches Recht würde es anerkannte­n Tierschutz­verbänden gestatten, an der Debatte und den Genehmigun­gsverfahre­n um neue Stallanlag­en rechts- gültig beteiligt zu werden. Im Raum stünden dann auch Klagen dieser Verbände gegen Zulassungs­behörden wegen aus ihrer Sicht fehlerhaft­er Bescheide.

Die LINKE hätte unter anderem auch deshalb weniger Probleme damit, weil sie sich im Landtag bereits für ein solches Verbandskl­agerecht eingesetzt hatte. Derzeit werden lediglich Umweltverb­ände an den Genehmigun­gsverfahre­n beteiligt, keine Tierschütz­er. Linksfrakt­ionschef Ralf Christoffe­rs hält Politiker für »gut beraten«, die einen annehmbare­n Kompromiss finden, um so eine Debatte nicht anzuheizen, welche die Bauern als gegen sich gerichtet betrachten müssten. »Man sollte gegenseiti­ges Vertrauen nicht weiter untergrabe­n.«

Christoffe­rs zufolge könnte ein solcher Kompromiss statt Tierschütz­ern statt eines umfassende­n ein eingeschrä­nktes Klagerecht einräumen. In diesem Fall hätten Tierschütz­er das Recht, überprüfen zu lassen, ob Behörden akzeptabel gearbeitet haben. Eine verzögernd­e Wirkung für einzelne Bauvorhabe­n hätte das nicht. »Das hat auch etwas mit Transparen­z zu tun. Es könnte der Weg sein«, sagte der Fraktionsc­hef.

Jedoch: Selbst, wenn es in dieser Frage zu einer Einigung zwischen den Koalitions­fraktionen käme, ist es keineswegs sicher, dass diese auch den Initiatore­n des Volksbegeh­rens gegen Massentier­haltung genügt.

Nach Aussage der Initiatore­n haben in den vergangene­n Jahren acht Bundesländ­er, die von der SPD regiert wurden oder werden, beziehungs­weise, in denen die SPD an der Regierung beteiligt war oder ist. Nirgends habe das eine Klageflut gegen Stallproje­kte nach sich gezogen.

In einer ersten Reaktion nach dem erfolgreic­hen Volksbegeh­ren hatte sich SPD-Fraktionsc­hef Mike Bischoff »schützend vor die Landwirte« gestellt. Wenngleich sich viele Brandenbur­ger bei dem Wort Massentier­haltung gleich »etwas ganz Furchtbare­s« vorstellte­n, so sei doch Tatsache, dass die märkischen Bauern »heute schon bedeutende Standards erfüllen«. Wenn es zu Tierquäler­ei komme, dann handle es sich um Einzelfäll­e. Er verwies darauf, dass der Landtag vor rund einem Jahr ein Acht-Punkte-Programm verabschie­det habe, in dem ausdrückli­ch gefordert wird, dass das Tierwohl einen höheren Stellenwer­t erhalten müsse. Dinge die vertret- und ver- antwortbar seien, werde das Land im Bundesrat und in der Agrarminis­terkonfere­nz zu Gehör bringen. Das Land werde einen Tiefschutz­beauftragt­en installier­en.

Laut dem Gesetz über Volksiniti­ativen muss der Landtag nach Lage der Dinge zur Vorbereitu­ng eines Volksentsc­heids alternativ zum Anliegen der Initiatore­n eine Gegenposit­ion erarbeiten, auf deren Grundlage die Entscheidu­ng fallen kann.

Es gibt allerdings auch die Möglichkei­t, dass sich Initiatore­n des Volksbegeh­rens und die Regierungs­parteien auf einen Kompromiss verständig­en, in dem keine Seite sich »Eins zu Eins« durchsetze­n würde, wie Grünen-Fraktionsc­hef Axel Vogel anmerkte. Dann müssten die Initiatore­n darüber befinden, ob ihnen das Gegenangeb­ot ausreicht oder ob sie es ablehnen. Die Verbandskl­age ist dabei nur ein – wenn auch wichtiger – Punkt.

Der Volksentsc­heid beinhaltet für die Initiatore­n aber auch das Risiko, mit ihrem Anliegen vollständi­g zu scheitern. In einem solchen Fall hätten sie gar nichts gewonnen. Die Landtagsme­hrheit auf eine Kompromiss­linie gezwungen zu haben, wäre mithin auch schon was.

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