Klagerecht light für Tierschützer
Ohne Koalitionskompromiss kommt es zum Volksentscheid über Massentierhaltung
Nach dem erfolgreichen Volksbegehren gegen Massentierhaltung muss die rot-rote Koalition im Landtag einen akzeptablen Kompromiss vorlegen. Andernfalls kommt es zu einem Volksentscheid. Dem Vernehmen nach debattieren SPD und LINKE hinter verschlossenen Türen derzeit über das in dem mit rund 103 000 Unterschriften erfolgreichen Volksbegehren geforderte Verbandsklagerecht. Aus Sicht des Bündnisses Agrarwende muss Tierschutzverbänden ein Klagerecht gegen Genehmigungen von Anlagen und bei Missständen in der Tierhaltung eingeräumt werden. Während die SPD strikt vermeiden will, dass Tierschützer ein Klagerecht erhalten, könnten die LINKEN sich eine abgeschwächte Variante davon vorstellen.
»Ein umfassendes Verbandsklagerecht wird es mit der SPD-Landtagsfraktion nicht geben«, hatte dazu Fraktionschef Mike Bischoff unumwunden erklärt. Denn ein solches Recht würde es anerkannten Tierschutzverbänden gestatten, an der Debatte und den Genehmigungsverfahren um neue Stallanlagen rechts- gültig beteiligt zu werden. Im Raum stünden dann auch Klagen dieser Verbände gegen Zulassungsbehörden wegen aus ihrer Sicht fehlerhafter Bescheide.
Die LINKE hätte unter anderem auch deshalb weniger Probleme damit, weil sie sich im Landtag bereits für ein solches Verbandsklagerecht eingesetzt hatte. Derzeit werden lediglich Umweltverbände an den Genehmigungsverfahren beteiligt, keine Tierschützer. Linksfraktionschef Ralf Christoffers hält Politiker für »gut beraten«, die einen annehmbaren Kompromiss finden, um so eine Debatte nicht anzuheizen, welche die Bauern als gegen sich gerichtet betrachten müssten. »Man sollte gegenseitiges Vertrauen nicht weiter untergraben.«
Christoffers zufolge könnte ein solcher Kompromiss statt Tierschützern statt eines umfassenden ein eingeschränktes Klagerecht einräumen. In diesem Fall hätten Tierschützer das Recht, überprüfen zu lassen, ob Behörden akzeptabel gearbeitet haben. Eine verzögernde Wirkung für einzelne Bauvorhaben hätte das nicht. »Das hat auch etwas mit Transparenz zu tun. Es könnte der Weg sein«, sagte der Fraktionschef.
Jedoch: Selbst, wenn es in dieser Frage zu einer Einigung zwischen den Koalitionsfraktionen käme, ist es keineswegs sicher, dass diese auch den Initiatoren des Volksbegehrens gegen Massentierhaltung genügt.
Nach Aussage der Initiatoren haben in den vergangenen Jahren acht Bundesländer, die von der SPD regiert wurden oder werden, beziehungsweise, in denen die SPD an der Regierung beteiligt war oder ist. Nirgends habe das eine Klageflut gegen Stallprojekte nach sich gezogen.
In einer ersten Reaktion nach dem erfolgreichen Volksbegehren hatte sich SPD-Fraktionschef Mike Bischoff »schützend vor die Landwirte« gestellt. Wenngleich sich viele Brandenburger bei dem Wort Massentierhaltung gleich »etwas ganz Furchtbares« vorstellten, so sei doch Tatsache, dass die märkischen Bauern »heute schon bedeutende Standards erfüllen«. Wenn es zu Tierquälerei komme, dann handle es sich um Einzelfälle. Er verwies darauf, dass der Landtag vor rund einem Jahr ein Acht-Punkte-Programm verabschiedet habe, in dem ausdrücklich gefordert wird, dass das Tierwohl einen höheren Stellenwert erhalten müsse. Dinge die vertret- und ver- antwortbar seien, werde das Land im Bundesrat und in der Agrarministerkonferenz zu Gehör bringen. Das Land werde einen Tiefschutzbeauftragten installieren.
Laut dem Gesetz über Volksinitiativen muss der Landtag nach Lage der Dinge zur Vorbereitung eines Volksentscheids alternativ zum Anliegen der Initiatoren eine Gegenposition erarbeiten, auf deren Grundlage die Entscheidung fallen kann.
Es gibt allerdings auch die Möglichkeit, dass sich Initiatoren des Volksbegehrens und die Regierungsparteien auf einen Kompromiss verständigen, in dem keine Seite sich »Eins zu Eins« durchsetzen würde, wie Grünen-Fraktionschef Axel Vogel anmerkte. Dann müssten die Initiatoren darüber befinden, ob ihnen das Gegenangebot ausreicht oder ob sie es ablehnen. Die Verbandsklage ist dabei nur ein – wenn auch wichtiger – Punkt.
Der Volksentscheid beinhaltet für die Initiatoren aber auch das Risiko, mit ihrem Anliegen vollständig zu scheitern. In einem solchen Fall hätten sie gar nichts gewonnen. Die Landtagsmehrheit auf eine Kompromisslinie gezwungen zu haben, wäre mithin auch schon was.