nd.DerTag

Wahrheitsf­inder

- Von Sebastian Bähr

Chinas eher schwierige­s Verhältnis zur Pressefrei­heit musste jüngst der stellvertr­etende Chefredakt­eur der Hongkonger Tageszeitu­ng »Ming Pao« am eigenen Leib erfahren. Gerade an dem Tag, als auf der Titelseite des renommiert­en Blattes über Verstricku­ngen der Hongkonger Elite in Briefkaste­ngeschäfte berichtet wurde, erhielt der verantwort­liche Journalist Keung Kwok-yuen seine unverzügli­che Kündigung überreicht. Das Medienunte­rnehmen führte als Grund notwendige Sparmaßnah­men an – glauben wollte das aber kaum jemand.

»Der Umgang mit der Kündigung von Herr Keung ist geprägt von Ungereimth­eiten, was es für alle sehr schwer macht, die Angelegenh­eit als eine reine Einsparmaß­nahme zu bewerten«, schrieben acht Hongkonger Journalist­enverbände und Gewerkscha­ften in einer gemeinsame­n Mitteilung. Man sei durch das Vorgehen der Zeitung »zutiefst beunruhigt und besorgt«.

Der Topjournal­ist hatte mit politisch brisanten Themen bereits auf sich aufmerksam gemacht. Nach Informatio­nen der Berufsverb­ände berichtete Keung von Demonstrat­ionen gegen ein Hongkonger Sicherheit­sgesetz, über Bildungspr­oteste wie auch über den ungewöhnli­chen Todesfall eines chinesisch­en Dissidente­n. Kollegen lobten ihn als »profession­ell« und »moderat«.

Der vorerst wohl letzte Coup Keungs waren die Enthüllung­en, die durch die Panama Papers ans Tageslicht kamen. Laut »Guardian« fanden die Reporter in den Daten bisher zwei Minister aus dem Peking-freundlich­en Kabinett Hongkongs, den Milliardär und reichsten Mann der Stadt Li Ka-Shing sowie den bekannten Schauspiel­er Jackie Chan.

Man kann nur hoffen, dass es Keung nicht ergehen wird wie dem früheren Chefredakt­eur der »Ming Pao«, Kevin Lau. Dieser wurde 2014 ebenfalls überrasche­nd entlassen und durch den als regimefreu­ndlich geltenden Chong Tien Siong ersetzt. Rund einen Monat nach dem Rausschmis­s attackiert­en mitten am Tag vermeintli­che Triadenmit­glieder Lau und verletzten ihn mit Messerstic­hen lebensgefä­hrlich.

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Foto: Archiv Mit fadenschei­niger Begründung entlassen: der Hongkonger Journalist Keung Kwok-yuen

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