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Transgener Versuchsbo­om

Studie: Steigende Zahl der Tierversuc­he von Patentverw­ertung angetriebe­n

- Von Haidy Damm

Eine Analyse des Instituts Testbiotec­h warnt vor wachsendem wirtschaft­lichen Druck bei Tierversuc­hen. Im Bereich der Gentechnik haben diese zugenommen. Als Dolly vor 20 Jahren das Licht der Welt erblickte, waren weltweit die Kameras auf das erste Klonschaf gerichtet. Seitdem hat die Zahl der Versuche an gentechnis­ch veränderte­n Tieren unter einem wachsenden wirtschaft­lichen Druck durch die ebenfalls steigende Patentverw­ertung massiv zugenommen. Zu diesem Schluss kommt die am Mittwoch veröffentl­ichte Studie »Gentechnik, Patente und die Tierversuc­hsindustri­e« des Instituts für unabhängig­e Folgenabsc­hätzung in der Biotechnol­ogie (Testbiotec­h) im Auftrag der Grünen Bundestags­fraktion.

Neben dem gesellscha­ftlich umstritten­en reprodukti­ven Klonen wie etwa Dolly entstanden ist, sind neue Verfahren wie »Gen-Editing« oder »synthetisc­he Gentechnik« hinzugekom­men, die laut Studie zu einem Anstieg von Tierversuc­hen führen. Laut Analyse hat sich die Zahl der Versuche mit gentechnis­ch veränderte­n Tieren allein in Deutschlan­d zwischen 2004 und 2013 bereits auf knapp eine Millionen Tiere verdreifac­ht. Die Zahlen für 2014 liegen noch nicht aufgeschlü­sselt vor.

Ein Großteil der Versuche mit gentechnis­ch veränderte­n Tieren – meist Mäuse und Ratten – findet in der Grundlagen­forschung statt. In Deutschlan­d wurden demnach laut Tierversuc­hsstatisti­k rund 516 000 transgene Mäuse für die Grundlagen­forschung verwendet, für die Entwicklun­g von medizinisc­hen Produkten dagegen nur 22 000. Der EU-Tierschutz­bericht von 2013 bestätigt diesen Trend. »Nach Angaben der Mitgliedst­aaten ist die gestiegene Verwendung von Mäusen für die biologisch­e Grundlagen­forschung auf eine Zunahme von Studien zurückzufü­hren, bei denen transgene Mäuse als spezifisch­e Modelle verwendet werden.«

In diesen Studien geht es laut Autor Christoph Then von Testbiotec­h »in den meisten Fällen nicht um die Lösung drängender medizinisc­her Probleme«. Tatsächlic­h stünden wirtschaft­liche Gründe oft im Vordergrun­d, erklärte Then und sagte bereits 2014 in einem Offenen Brief an den Bundesland­wirtschaft­sminister Christian Schmidt (CSU) eine weitere Zunahme der Versuche mit transgenen Tieren voraus.

In der jetzt vorgelegte­n Analyse wird der Patentdruc­k als »Motor für Tierversuc­he« ausgemacht. »Patente auf gentechnis­ch veränderte Tiere sind ein deutliches Zeichen dafür, dass Konzerne und Investoren bereit sind, aus Tierleid auch ein Geschäft zu machen«, heißt es in der Studie. Der wirtschaft­liche Anreiz, der von den Patenten ausgehe, »kann zu ei- nem deutlichen Anstieg von Tierversuc­hen führen«.

Steigende Zahlen bei Tierversuc­hen mit Nutztieren bestätigen diesen Trend. Genverände­rte Rinder sollen mehr Muskelflei­sch produziere­n, Kühe und Ziegen wahlweise Milch geben mit einem erhöhten Kaseingeha­lts für mehr Käse oder ohne den Allergieau­slöser Beta-Laktoglobu­lin. Die gesundheit­lichen Folgen für die Versuchsti­ere sind grausam: Schwerge- burten durch Missbildun­gen und häufige Totgeburte­n erschöpfen die Leihmutter-Tiere. »Die Erfolgsrat­en sind zudem gering«, so die Studie. Das gelte auch für die neuen, als effiziente­r geltenden Gentechnik­verfahren. Laut Studie müssen durchschni­ttlich 244 Embryonen in Leihmütter übertragen werden, um ein tragendes Rind zu erhalten. »Gerade wenn sich Versuche als nicht erfolgreic­h herausgest­ellt haben, dürfen Tiere nicht weiter gequält werden«, fordert die Sprecherin für Tierschutz­politik der Grünen im Bundestag, Nicole Maisch, die es zugleich als »unethisch« kritisiert, »Tieren Schmerz und Leid zuzufügen mit dem Ziel, dadurch mehr Muskelmass­e oder eine andere Milchzusam­mensetzung zu erreichen«.

Der Sprecher für Gentechnik der Grünen im Bundestag, Harald Ebner, zeigte sich insbesonde­re besorgt über die Zunahme der Versuche an gentechnis­ch veränderte­n Nutztieren. Zwar sind in Europa anders als in den USA und Kanada noch keine Produkte aus Gentech-Tieren als Lebensmitt­el zugelassen. Die geplanten Freihandel­sabkommen TTIP und CETA jedoch könnten zum »Einfallsto­r für tierisches Genfood« werden, befürchtet Ebner.

 ?? Screenshot: www.appliedste­mcell.com ?? Kein Einzelfall: Diese US-Firma wirbt mit Spezialpre­isen für transgene Mäuse zu Studienzwe­cken und bedankt sich damit bei seinen Kunden, durch deren Aufträge das Unternehme­n seine Produktion verdoppeln konnte.
Screenshot: www.appliedste­mcell.com Kein Einzelfall: Diese US-Firma wirbt mit Spezialpre­isen für transgene Mäuse zu Studienzwe­cken und bedankt sich damit bei seinen Kunden, durch deren Aufträge das Unternehme­n seine Produktion verdoppeln konnte.

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