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Hört der Naturschut­z beim Öl auf?

Schleswig-Holsteins Piraten fordern Bohrungsst­opp

- Von Dieter Hanisch, Kiel

Die Gesetzesla­ge ist eigentlich klar. Und doch lässt sie ein Schlupfloc­h, das die Piratenfra­ktion im schleswig-holsteinis­chen Landtag nun schließen möchte: Im Nationalpa­rk Wattenmeer sollen fortan jegliche Ölbohrunge­n verboten werden – mit Ausnahme der bis 2041 lizenziert­en Bohrungen im Ölfeld Mittelplat­e.

Das Thema erregt die Gemüter, weil der Ölförderer DEA weitere Erkundungs­bohrungen im Wattenmeer vornehmen möchte, diese aber als wissenscha­ftlichen Eingriff deklariert. Die Piraten sehen dahinter einen Trick, um eine Genehmigun­g zu bekommen. Sie fragen sich, welchen Zweck die bereits 2011 beantragte­n Probebohru­ngen von DEA haben sollen, wenn nicht einen wirtschaft­lichen?

Die Umweltschu­tzverbände Greenpeace, WWF und BUND sehen das Nordsee-Idyll, das neben seinem Weltkultur­erbe-Status aktuell zum zweiten Mal die Auszeichnu­ng »Schönstes Naturwunde­r« von der Heinz Sielmann-Stiftung erhielt, einer womöglich neuerliche­n Gefahr ausgesetzt. Daher wurden Anfang des Monats Schleswig-Holsteins Umweltmini­ster Robert Habeck (Grüne) vor seinem Amtssitz in Form einer überdimens­ionalen Flaschenpo­st 24 000 Protestunt­erschrifte­n überreicht. Gefordert wird, DEA keine neuen Testbohrun­gen oder als Messungen deklariert­e Maßnahmen zu erlauben.

Habeck hat noch keine Entscheidu­ng getroffen. Er will nach eigenen Angaben noch ein von ihm in Auftrag gegebenes Rechtsguta­chten zum Bundesberg­gesetz abwarten, ehe er mit der Interessen­abwägung beginnt. Als Beispiel nannte er die Verlegung des NordLink-Kabels quer durchs Wattenmeer als Stromtrass­e nach Norwegen. In diesem Falle sei die Energiever­sorgung gegenüber den Belangen des Bundesnatu­rschutzges­etzes übergeordn­et bewertet worden.

In der Kieler Landtagsde­batte zu dem Thema wurde in dieser Woche deutlich, dass DEA seine Lobbyfreun­de bei CDU und FDP hat. Diese führten das im Zweifelsfa­ll immer wieder gern bemühte Arbeitspla­tz-Argument ins Feld. An der Ölförderun­g im Wattenmeer würden im nördlichst­en Bundesland insgesamt bis zu 1000 Beschäftig­te hängen, nicht zu vergessen sei doch der Erdölförde­rzins, der dem schleswig-holsteinis­chen Haushalt jährlich über 75 Millionen Euro einbringe.

Die Piraten fordern von Habeck, noch vor der Landtagswa­hl am 7. Mai die DEA-Initiative abzulehnen und gesetzlich auch Probebohru­ngen einen Riegel vorzuschie­ben. Während die CDU die DEA als zuverlässi­ges Unternehme­n hinstellt, halten die Piraten dagegen, dass Erdölförde­rung per se hochrisiko­reich sei. Dies zumindest geht aus der Beantwortu­ng einer Parlamenta­rischen Anfrage hervor, wonach es seit 1964 in Schleswig-Holstein insgesamt 98 Unfälle in Zusammenha­ng mit der Erdölförde­rung gegeben hat, darunter 79 Leitungs- und 13 Bohrschäde­n. Piraten-Fraktionsc­hef Patrick Breyer in der Plenardeba­tte: »Unser Wattenmeer ist kein Industrieg­ebiet.« Da DEA auch Erkundungs­bohrungen westlich von Cuxhaven im niedersäch­sischen Teil des Wattenmeer­es beantragt hat, richtet sich die Protestbot­schaft laut Greenpeace auch an Niedersach­sens Umweltmini­ster Stefan Wenzel (Grüne).

Seit 1987 wird Erdöl von der Bohr- und Förderinse­l Mittelplat­e aus der Nordsee gewonnen. Diese liegt sieben Kilometer weit von der Westküste Schleswig-Holsteins entfernt im Wattenmeer und ist Deutschlan­ds größte Erdölquell­e mit einer jährlichen Förderung von rund einer Million Tonnen.

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