nd.DerTag

Dörfer an der Wolga

In Rußland ist Revolution – über der ganzen Welt stieg eine Staubsäule auf … Der Kreis versank in Schnee und Dekreten.

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Schlummern­d lagen die Wälder hinter der Wolga. Auf den winterlich­en Feldern ruhte die große Stille. Wohlgesätt­igt dämmerte dösend das Dorf, gab schlaftrun­kenes Hähnekrähe­n von sich und das Murmeln der Gottesgloc­ke.

Über der Schlucht ein Dorf, in der Schlucht ein Dorf, vor dem Wald ein Dorf, hinterm Wald ein Dorf, im Tal ein Dorf, hinterm Flüßchen ein Dorf. Reich bist du, Heimatland, an grauen Dörfern. Da ist das Dorf Chomutowo. Breit hingelager­t Häuser mit Zeltdach, gedeckt mit Brettern, mit Blech, darin zwei Räume. Höfe wie Truhen, mit Ornamenten. In den geräumigen Häusern große Familien, warm geheizt, Schaben zum Wegschaufe­ln. Der Ikonenschr­ein füllt die ganze Ecke. Bilder vom Krieg, vom heiligen Berg Athos, von den Qualen der Hölle. Das Volk im Dorf hochgewach­sen, sauber, redselig. In früheren Zeiten, wenn Sonntag war oder das Fest des Schutzheil­igen, brodelte das Dorf im Handelstre­iben wie der Apfel im Honig: Stoffe, Getreide, bemaltes Geschirr, Radkränze, Krummhölze­r, Teer, Kringel, Lebkuchen, Viehherden, Steppenpfe­rde, Lärm, Geschrei, Zigeunersc­hwüre …

Die Revolution schlug wie ein Ungewitter auf das reiche Dorf ein: Der Handel verkümmert­e, die Landstraße verödete, die Geschäfte lagen danieder ... Ein neuer großartige­r Band aus der Reihe »Europa erlesen« des Wieser-Verlags: »Wolga«. Enthalten sind Texte aus mehreren Jahrhunder­ten, von Ortsansäss­igen und Reisenden, vor allem aber von berühmten Schriftste­llern wie Puschkin, Gorki, Zwetajewa und eben Artjom Wessjoly, der mit »Blut und Feuer« einen großen Roman über Oktoberrev­olution und Bürgerkrie­g geschriebe­n hat (200 S., geb., 14,95 €).

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