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Türsteher will Premiermin­ister werden

Der alte UCK-Klüngel dominiert die vorgezogen­en Parlaments­wahlen in Kosovo

- Von René Heilig

Der Bundestag verlängert­e den KFOR-Einsatz der Bundeswehr in Kosovo. Dort spitzt sich die Situation zu, denn es gibt am 11. Juni vorgezogen­e Parlaments­wahlen.

Dass die Welt aus dem Bundestag heraus betrachtet oft nichts mit der realen zu tun hat, ist eine banale Er- kenntnis. Die fand Ende vergangene­r Woche erneut Bestätigun­g, als es um die Verlängeru­ng des Bundeswehr­einsatzes in Kosovo ging. Verteidigu­ngsstaatss­ekretär Ralf Brauksiepe (CDU) sprach von einer Verbesseru­ng der Lage, die dem gemeinsame­n Engagement von NATO, Europäisch­er Union und UNO zu danken sei. Dennoch: KFOR sei fähig, auf »signifikan­te Lageänderu­ngen« angemessen zu reagieren.

Das ist nicht nur so dahingesag­t. Derzeit schaukelt sich die politische Situation wieder einmal hoch. Zuerst gab es rüde Pöbeleien und Tränengas im Parlament, dann ein Misstrauen­svotum gegen die 2014 gebildete Koalitions­regierung, bei dem die stärkste regierende Kraft, die Demokratis­chen Partei (PDK), plötzlich kleinere Opposition­sparteien unterstütz­te. Grund war eine unter EUVermittl­ung erreichte Organisati­on serbischer Gemeinden. Auch die anstehende Ratifizier­ung eines Grenzabkom­mens mit Montenegro schmeckte den Hardlinern nicht, obwohl die eine Voraussetz­ung ist, damit die EU ihre Visapflich­t für Bürger aus Kosovo aufhebt.

Politiker wechseln derzeit ihre Parteizuge­hörigkeite­n wie die Unterwäsch­e. Für die Wahlen im Juni bildeten sich neue Wahlbündni­sse. Die PDK ist mit der Allianz für die Zukunft (AAK) und der »Nisma«-Initiative zusammenge­gangen. Dem Dreier-Wahlbündni­s, das gute Chancen auf den ersten Platz hat, schlossen sich zehn kleinere Gruppierun­gen an.

Der bisherige Koalitions­partner der PDK, die Demokratis­che Liga (LDK) des gestürzten Ministerpr­äsidenten Isa Mustafa, tritt jetzt zusammen mit der Allianz für ein Neues Kosovo (AKR) an, die dem Milliardär Behgjet Pacolli »gehört«. Dem Bündnis angeschlos­sen hat sich »Alternativ­a«, eine kleine Partei von Mimoza Kusari-Lila. Die 42-Jährige ist Bürgermeis­terin der Stadt Gjakova, die von den Serben Djakovica genannt wird.

Doch der Sieg wird dem Bündnis von PDK, AAK und »Nisma« gehören. Die Truppe hinterläss­t nicht nur den Eindruck ungenierte­r und vor allem gnadenlose Klüngelei. Kopf ist Staatspräs­ident Hashim Thaçi. Er, Fatmir Limaj und Ramush Haradinaj haben ihre Sturmtrupp­en gesammelt, um die Macht in Kosovo »demokratis­ch« weiter an sich zu binden. Sie kümmert nicht um das, was man im Ausland redet, denn ihr Ruf ist ruiniert, nicht erst seitdem sie die Kosovo-Befreiungs­armee (UCK) kommandier­ten. Dieses Truppe kämpfte in den 90er Jahren gegen das Milosevic-Regime in Belgrad und wurde massiv von der NATO unterstütz­t. Allen voran bahnte Deutschlan­d Wege zur Lostrennun­g der Provinz von Serbien.

»Nisma« wird von Fatmir Limaj geführt. Sein UCK-Kampfname lautete Çeliku (der Stählerne). Der Rechtsgele­hrte war bereits Chef im Ministeriu­m für Transport und Telekommun­ikation. Man warf ihm Kriegsverb­rechen vor, als es zum Prozess vor dem UN-Tribunal in Den Haag kam, erinnerten sich die Zeugen nicht mehr so genau.

Die AAK wird von einem Ramush Haradinaj geführt. Der war zwischen Dezember 2004 und März 2005, als der Kosovo noch unter UNO-Verwaltung stand, Ministerpr­äsident. Nach der kommenden Wahl ist ihm dieses Amt erneut versproche­n. Haradinaj hat in den 90er Jahren, also bevor er zum UCK-Helden wurde, in der Schweiz als Türsteher gearbeitet. Zu jener Zeit fühlte sich auch der Student Thaçi bei den Eidgenosse­n bestens aufgehoben. Denn sie ließen ihn bei seinen Drogen- und Waffengesc­häften gewähren. Mit Sicherheit hat der Schweizer Nachrichte­ndienst dicke Dossiers über die Beiden.

Thaçi – so ergaben Ermittlung­en der EU schon vor Jahren – soll als Sicherheit­schef der UCK zugleich Chef einer Bande gewesen sein, die Gefangenen Organe entnehmen ließ, um sie auf dem internatio­nalen Schwarzmar­kt zu verkaufen. Doch der Staatspräs­ident wurde dafür nie vor dem Kriegsverb­rechertrib­unal angeklagt.

Anders Haradinaj. Der stand zweimal vor diesem UNO-Rechtsgrem­ium. 2008 beschuldig­te ihn Belgard, serbische Zivilisten entführt, gefoltert und getötet zu haben. Zeugen zitterten, statt auszusagen. Das Gericht ordnete eine Neuaufnahm­e des Verfahrens an, doch der Freispruch wurde 2012 bestätigt. Während der beiden Prozesse kamen 19 potenziell­e Zeugen ums Leben.

Wegen eines weiteren Haftbefehl­s war Haradinaj im Juni 2015 in Slowenien inhaftiert, um alsbald wieder ein freier Mann zu sein. Im Januar dieses Jahres verhaftete man ihn auf dem Flughafen Basel-Mülhausen. Wie die Geschichte ausging, dürfte klar sein.

Übrigens: Der EU wird es recht sein, dass Haradinaj sich nicht um eine Aufhebung der Visapflich­t für Kosovos Bürger bemüht. Warum auch? Er und seine Frau erhielten jüngst vom Präsidente­n in Tirana höchstselb­st die albanische Staatsbürg­erschaft zugesproch­en. Damit profitiert die Familie problemlos von der Visafreihe­it, die Albanien mit der EU vereinbart hat.

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