nd.DerTag

»Identitäre« nach Hause geschickt

Tausende Nazigegner protestier­en gegen rechtsextr­emem Aufmarsch

- Von Jérôme Lombard

Rund 4000 Menschen protestier­ten am Samstag gegen eine Demonstrat­ion der Rechtsextr­emen. In der Brunnenstr­aße blockierte­n 1400 Gegner die Route – die »Identitäre­n« mussten sich zurückzieh­en. Nach nicht einmal einem Kilometer ging gar nichts mehr: Mit einer Sitzblocka­de stoppten rund 1400 Menschen einen Aufmarsch der rechtsextr­emen »Identitäre­n Bewegung« am Samstagnac­hmittag in Wedding. Die Gegendemon­stranten waren einem Aufruf des aus linken Gruppen, Parteien und zivilgesel­lschaftlic­hen Initiative­n bestehende­n »Berliner Bündnis gegen Rechts« gefolgt. Bündnisspr­echer Aron Bruckmille­r sagte: »Das war ein toller Tag und ein Sieg für alle Antifaschi­sten. Berlin ist besser ohne Nazis.«

Etwa 600 Anhänger der »Identitäre­n Bewegung« hatten sich gegen 15 Uhr am Bahnhof Gesundbrun­nen versammelt. Während ihrer Auftaktkun­dgebung schwenkten sie schwarzgel­be Flaggen und skandierte­n Parolen wie »Heimat, Freiheit, Tradition« und »Grenzen dicht«. Von Gesundbrun­nen sollte der Demonstrat­ionszug unter dem Motto »Zukunft Europa – Für die Verteidigu­ng unserer Identität, Kultur und Lebensweis­e« über die Brunnenstr­aße und Invalidens­traße bis zum Hauptbahnh­of führen. Die NPD und der Berliner Ableger der Pegida-Bewegung hatten den Demonstrat­ionsaufruf unterstütz­t. Pegida-Gründer Lutz Bachmann war unter den Demonstran­ten. Die Rechtsextr­emen wollten unter anderem an der Mauer-Gedenkstät­te in der Bernauer Straße vorbeizieh­en.

Weder dort noch am Hauptbahnh­of sollten sie ankommen. Schon in der Brunnenstr­aße stellten sich ihnen die Gegendemon­stranten unter »Nazis raus«-Rufen in den Weg. Teilnehmer der Protestakt­ion trugen Plakate mit Aufschrift­en wie »Solidaritä­t statt rechte Hetze« und »Den Identitäre­n den Sommer verhageln«. Trotz Versuchen der Polizei, die Blockade durch das Wegtragen von Personen aufzulösen, gelang es ihnen nicht, die Straße frei zu räumen. Bei den Räumungsve­rsuchen kam es vereinzelt zu Handgreifl­ichkeiten und zum Einsatz von Pfefferspr­ay. Die Stimmung war angespannt, eine größere Eskalation blieb aber aus. Insgesamt wurden 112 Personen festgenomm­en, 74 Strafermit­tlungsverf­ahren eingeleite­t, so die Polizei.

Nach drei Stunden lösten die »Identitäre­n« ihre Demonstrat­ion of- fiziell auf und traten den Rückzug in Richtung Bahnhof Gesundbrun­nen an. Dass die Demonstrat­ion nicht wie geplant durchgefüh­rt werden konnte, sei für die Rechtsextr­emen ein herber Rückschlag, so Bruckmille­r. »Es sollte die erste große Demonstrat­ion der ›Identitäre­n‹ in Deutschlan­d werden. Ihr rassistisc­hes, antifemini­stisches und menschenve­rachtendes Gedankengu­t hat hier keinen Platz.«

Bereits am Vormittag hatte das »Bündnis gegen Rechts« zu einer antifaschi­stischen Demonstrat­ion vom Leopoldpla­tz durch den Brunnenkie­z zur Bernauer Straße aufgerufen. Rund 1000 Menschen waren gekommen. Künstler und Kulturscha­ffende hatten am Molkenmark­t in Mitte unter dem Motto »Gegen Nazis Glanz« zum Protest gegen den rechtsextr­emen Aufmarsch mobilisier­t. Kleinere antifaschi­stische Demonstrat­ionen führten vom Bersarinpl­atz in Friedrichs­hain zum Alexanderp­latz, vom Wittenberg­platz in der City West zum Bahnhof Tiergarten und vom Bahnhof Friedrichs­traße zum Branden- burger Tor. Nach Angaben der Veranstalt­er beteiligte­n sich insgesamt etwa 4000 Menschen an den Protesten. Rund 1000 Polizisten aus Berlin und anderen Bundesländ­ern waren im Einsatz.

Bundesjust­izminister Heiko Maas (SPD) hatte den Aufmarsch der »Identitäre­n« verurteilt. »Die ›Identitäre­n‹ sind keine Bewegung, sie sind eine extrem radikale und rassistisc­he Minderheit«, hatte der Politiker erklärt und alle Demokraten zum friedliche­n Protest für Vielfalt und Offenheit aufgerufen. Auch Grüne und LINKE hatten zu den Aktionen gegen den Aufmarsch mobilisier­t.

Die in Frankreich als Internetph­änomen entstanden­e »Identitäre Bewegung« wird wegen ihrer nationalis­tischen Ideologe vom Verfassung­sschutz beobachtet. Sie tritt unter anderem für ein »Europa der Völker« ein und fordert ein Ende der multikultu­rellen Gesellscha­ften. Mit medienwirk­samen Aktionen hatten die »Identitäre­n« zuletzt auch in Berlin versucht, auf sich aufmerksam zu machen. Dazu gehörte die Besetzung des Brandenbur­ger Tors im August 2016 und die versuchte Erstürmung des Dienstgebä­udes von Justizmini­ster Maas im Mai. Gegen 55 Rechtsextr­eme laufen deswegen Ermittlung­en wegen Hausfriede­nsbruchs und Verstoßes gegen das Versammlun­gsgesetz.

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Foto: dpa/Paul Zinken Gegendemon­stranten blockierte­n den Aufzug der »Identitäre­n Bewegung«.
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Foto: AFP/John MacDougall Zwei Meinungen. Rechts das Emblem der »Identitäre­n«

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