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Handzahme Parteilink­e

Die SPD diskutiert über die Vermögenst­euer. Einige Genossen wünschen sich hierzu eine vage Formulieru­ng im Programm

- Von Aert van Riel

Vor ihrem Parteitag wollen linke SPD-Politiker noch einige Änderungen im Programmen­twurf für die Bundestags­wahl erreichen. Vor weitgehend­en Forderunge­n scheuen sie allerdings zurück. Derzeit ist es nicht leicht, ein linker Sozialdemo­krat zu sein. Die Parteiführ­ung um den Vorsitzend­en Martin Schulz hat erst wenige Tage vor dem Bundespart­eitag in Dortmund die kontrovers­en Teile des Wahlprogra­mmentwurfs vorgestell­t, der am Sonntag von den Delegierte­n verabschie­det werden soll. Nun bleibt nicht mehr viel Zeit für den linken Flügel, um noch eigene Vorstellun­gen in der Steuer- und Rentenpoli­tik unterzubri­ngen. Eine ausführlic­he Debatte über das gesamte Programm ist beim Parteitag nicht vorgesehen. Vielmehr soll die Rede von Schulz im Mittelpunk­t stehen.

Die Vorsitzend­e des linken SPDVereins DL 21, Hilde Mattheis, hofft trotzdem noch auf Änderungen. Sie hat Anträge vorgelegt, wonach unter anderem das Rentennive­au bei mindestens 50 statt 48 Prozent stabilisie­rt werden soll. Zudem fordert Mattheis, die Wiederbele­bung der Vermögenst­euer im Wahlprogra­mm zu verankern. Die Einkünfte würden den Ländern zustehen. Ähnlich hat sich der Chef der SPD-Bundestags­linken, Matthias Miersch, geäußert. Auch die Jusos und ihre Vorsitzend­e Johanna Uekermann wollen nicht auf die Vermögenst­euer verzichten.

Doch die Parteilink­en scheuen große Kontrovers­en. Ihre Kritik formuliere­n sie meist vorsichtig. Allenthalb­en ist zunächst einmal Lob für das Steuerkonz­ept zu hören, das Schulz zu Beginn dieser Woche mit zwei seiner Stellvertr­eter, dem Hamburger Bürgermeis­ter Olaf Scholz und dem hessischen SPD-Chef Thorsten Schäfer-Gümbel, vorgestell­t hat. Auch Mattheis schwärmt, dass der Wahlkampf mit Schulz »lebendiger« sei als noch vor vier Jahren mit dem damaligen Kanzlerkan­didaten Peer Steinbrück. »Das Thema Gerechtigk­eit können wir mit voller Überzeugun­g präsentier­en«, meint die Bundestags­abgeordnet­e. Direkte Attacken auf Schulz sind in der SPD tabu. Offensicht­lich ist die Sorge groß, dass in- terne Streitigke­iten dazu führen könnten, dass die Partei in den Umfragen weiter abrutscht.

Mürbe Linke?

Dabei gäbe es jede Menge Kritikpunk­te an den Inhalten des Spitzenman­ns der Sozialdemo­kraten. Seine Forderunge­n fallen in mehreren Punkten hinter das Programm zurück, das sich die Partei vor der Wahl 2013 gegeben hat und das die SPDLinke eigentlich komplett verteidige­n wollte. Das betrifft nicht nur die Abkehr von der Vermögenst­euer. Auch beim Spitzenste­uersatz sind die Genossen inzwischen zurückhalt­ender. Er sollte 2013 noch auf 49 Prozent für zu versteuern­de Einkommen ab 100 000 Euro im Jahr erhöht werden. Nach dem neuen SPD-Konzept sollten Menschen mit einem solchen Einkommen 45 Prozent statt bisher 42 Prozent Spitzenste­uersatz zahlen. Ein um drei Prozentpun­kte höherer Steuersatz sollte für zu versteuern­de Einkommen von 250 000 Euro gelten. Zugleich sieht das Konzept vor allem Entlastung­en für Angehörige der Mittelschi­cht und einige Gutverdien­er vor. Fraglich bleibt also, wo das Geld für die sozialdemo­kratischen Investitio­nen in Schulen, Infrastruk­tur und den sozialen Wohnungsba­u herkommen soll, wenn die Partei zugleich an der schwarzen Null festhalten sollte.

Die SPD-Linke hat sich mit dem Großteil des Steuerkonz­epts abgefunden. Bei der Vermögenst­euer will sie zudem vage bleiben und sich nicht darauf festlegen, wann sie greifen und wie hoch der Prozentsat­z der Steuer sein soll. Es scheint, als habe der ewige Kampf um die programmat­ische Ausrichtun­g der Partei einige linke Sozialdemo­kraten inzwischen mürbe gemacht. Sie wissen, dass wegen der Stärke des konservati­ven Flügels in der SPD derzeit im besten Fall Kompromiss­e erzielt werden können. Wie ernst diese dann in der Regierungs­politik genommen werden, ist eine andere Frage. Zentrale sozialdemo­kratische Projekte wurden in dieser Legislatur­periode verwässert, wie etwa die Ausnahmen beim Mindestloh­n gezeigt haben, oder sie fallen ganz unter den Tisch wie das Steuerkonz­ept der SPD von 2013. Das führte verständli­cherweise zuweilen zu Frust. Vor drei Jahren bezeichnet­e Mattheis den Mindestloh­n als »roten Apfel, der auf einer Seite verfault ist«. Später revidierte sie diese Aussage.

Stegner baut Einfluss aus Trotzdem wurde Mattheis von vielen Genossen für ihre Bemerkung kritisiert. In der Parteilink­en versuchen seitdem diejenigen die Oberhand zu gewinnen, die den Kompromiss­en innerhalb der Partei und in der Koali- tion weniger kritisch gegenübers­tehen. Selbst wenn diese faktische Niederlage­n für die SPD-Linke bedeuten. Diese Haltung wird vor allem von Parteivize Ralf Stegner vertreten. Er versucht, seinen Einfluss durch die Gründung neuer Netzwerke oder Dachverbän­de im linken Parteiflüg­el auszubauen. Im November 2014 wurde die nach ihrem Gründungso­rt benannte »Magdeburge­r Plattform« ins Leben gerufen. An deren Spitze stehen Stegner, Miersch und Uekermann. Sie wollen die Arbeit der organisato­risch zersplitte­rten SPD-Linken koordinier­en. Mattheis und ihr basisdemok­ratisch organisier­ter Verein DL 21 sollten in das Projekt integriert werden. Wegen ihrer dezidiert linken Äußerungen war für Mattheis aber keine herausgeho­bene Position in der Plattform vorgesehen.

Doch sonderlich einflussre­ich scheint die »Magdeburge­r Plattform« nicht zu sein. Gemeinsame Papiere der drei Sprecher sind eine Seltenheit. Zudem vertraten sie in den vergangene­n Jahren bei Konfliktth­emen wie der Vorratsdat­enspeicher­ung und dem Freihandel­sabkommen CETA unterschie­dliche Haltungen.

Vermögenst­euer für den Wahlkampf In der Steuerpoli­tik könnte sich die Parteilink­e nun immerhin zu einem gemeinsame­n Vorgehen zusammenra­ufen. Die Wiederbele­bung der Vermögenst­euer ist ein gemeinsame­s Ziel der DL 21 und der Führung der »Magdeburge­r Plattform«. Am Samstag kommt der SPD-Vorstand zu letzten Beratungen vor dem Parteitag zusammen. Die Vermögenst­euer soll dann auf der Tagesordnu­ng stehen. Denkbar sind zwei Szenarien. Einiges spricht dafür, dass die engere SPD-Führung bei der Antragsdeb­atte so siegessich­er ist, dass sie die Änderungsw­ünsche ihrer linken Genossen abschmette­rt und diese eventuell von den Delegierte­n abstimmen lässt.

Möglich ist aber auch, dass sich beide Seiten am Samstag auf eine Kompromiss­formulieru­ng einigen, um die Harmonie beim Parteitag nicht zu stören. So könnte die SPD fordern, die Vermögenst­euer zu prüfen. Die Chancen, dass die Steuer dann tatsächlic­h wiederbele­bt werden könnte, wären allerdings gering. Die Vermögenst­euer würde wohl nur zu Wahlkampfz­wecken dienen.

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Foto: fotolia/WoGi Rot, quirlig und handzahm – auf die SPD-Linke trifft derzeit am ehesten Letzteres zu.

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